Bücher, Spiele, Theaterstücke, wahre Begebenheiten – alles altbekannt. Aber ein Film, der sich auf einen Country-Song als Vorlage beruft, stellt wahrlich eine Seltenheit dar. Für Sam Peckinpahs CONVOY (1978) verfasste Bill L. Norton aber ein Skript, das auf C. W. McCalls Country-Erfolg Convoy basiert. Dabei zeigte sich Peckinpah bereits mit GETAWAY – EINE KNALLHARTE GANGSTER-STORY (1972) Fahrzeug-verständig und der Erfolg von Hal Needhams EIN AUSGEKOCHTES SCHLITZOHR (1977) ließ einen Streifen rund um Trucker und sie verfolgende Polizisten potenziell erfolgreich scheinen.
Sam Peckinpah verhehlt seine Westernherkunft, immerhin schuf er mit THE WILD BUNCH – SIE KANNTEN KEIN GESETZ (1969) einen veritablen Klassiker, dabei zu keinem Zeitpunkt. Formal wird dies in zahlreichen Landschafts-Totalen deutlich und in den sie kontrastierenden Nahaufnahmen der Gesichter. Inhaltlich tauschen die Heroen ihr Pferd gegen ihre Sattelschlepper, bleiben aber der Rolle der lonesome rider treu. Aber auch sein Händchen für das Unterhaltungskino zeigt der Regisseur. Da tanzen die Maschinen zur Walzer-Variation des Titelsongs in unzähligen Blenden durch den Wüstensand und die nächste actionreiche Zeitlupensequenz wartet stets hinter der nächsten Straßenecke. Eine ordentliche Portion male gaze rundet die auf simple Unterhaltung getrimmte Seite des Films ab.
Und die steht dann auch immer wieder zur Entlastung des Geschehens parat. Wenn Ernest Borgnine als genial schmieriger Bulle Lyle den unschuldigen Spider Mike (Franklyn Ajaye) rassistisch attackiert, endet das beispielsweise nur Sekunden später in einer dämlich kommentierten Massenklopperei. Aber auch Hauptfigur Rubber Duck (Kris Kristofferson) wird immer wieder auffällig von Ernsthaftigkeit entbunden. Sein Convoy vereint allerlei Malocher, Schwarze und Außenseiter und wird so zu einem Medienereignis, das die Sympathie der Massen gewinnt (selbst Golfcart-fahrende Schnösel wollen mitmischen). Als Medien und Politik davon zu profitieren versuchen, zeigt der Film zwar die häufig diffuse Zielrichtung solch sozialer Massenphänomene, lässt sich Rubber Duck aber schließlich mit einen „Ich bin nur zufällig hier vorne“ aus der Affäre ziehen. Er muss sich nicht mal zum seinem Ideal folgenden Outlaw erklären, er zieht einfach davon. Weder die Hauptfigur noch der Streifen selbst wollen augenscheinlich etwas fordern.
Und so bleibt dieser an sich hochsympathische Film leider etwas eindimensional: Die Politiker ähneln eher schmierigen Gangstern und am Ende gibt es ein explosives Krawall-Finale nach dem schließlich alle über Rubber Ducks (unaufgelöste) Finte lachen können – selbst Lyle. So war schließlich doch alles nur ein großer Gag und im Abspann spulte man wie in einer TV-Serie noch mal die Highlights ab. Mehr ist es leider nicht. Es bleibt also nur, sich an der Form zu erfreuen oder sich über die vergebene Möglichkeit, hier einen wirklich großen Film zu machen, zu ärgern. Beides hat seine Berechtigung.
Arthur Lubins PHANTOM DER OPER offenbart schon mittels seiner Struktur, dass er die Horror-Anlagen von Gaston Leroux‘ Roman nicht überzustrapazieren gedenkt. Die umfangreich ausgebreitete Serie von Demütigungen und Missverständnissen, die Erique Claudin (Claude Rains, der seine Karriere als DER UNSICHTBARE (1933) bei Universal startete) ereilt und zum Phantom werden lässt, lässt wenig Raum für Fragen oder Grusel. Und obwohl die Andeutungen einer familiären Bindung zu Christine (Susanna Foster) interessante Lücken schaffen, überwiegt doch die Enttäuschung darüber, dass schon in den ersten Minuten (quasi) jede denkbare Frage beantwortet wird. Da verpufft dann auch das angenehm expressionistische Flair im Zimmer Claudins im nun Folgenden.
Denn der Film wird danach schnell zu einer Kostüm-Revue, die sich in prunkvoller Ausstattung und langen Opernszenen ergeht. Dafür gab es zwar die Academy Awards für das Beste Szenenbild und die Kamera, aber leider geht darüber allzu oft die Handlung verloren. Die wenigen Auftritte des Phantoms stehen deutlich hinter dem Balzen von Christine, Raoul (Edgar Barrier) und Anatole (Nelson Eddy) zurück, das zudem immer wieder überdeutlich komödiantisch ausfällt. Die Screwball-Sketche der beiden Herren wollen dabei so gar nicht zur klassisch-edlen Ausstattung passen. Die Verfolgung des sehr selten in Aktion tretenden Phantoms mutet aufgrund der langen Gespräche von Inspektor Raoul mit den Opern-Bossen dann eher an wie ein EDGAR WALLACE-Krimi.
Erst zehn Minuten vor Ende geht es dann ab in die Katakomben der Oper, die dann deutlich mehr nach Kanalisation aussehen als noch im großartigen DAS PHANTOM DER OPER (1925) – und dass, obwohl die Kulissen zumindest teilweise wiederverwendet wurden. Die Pappmaschee-Gemäuer sehen zwar schick aus, sind aber augenscheinlich so alt, dass bereits ein Pistolenschuss das ganze Gewölbe zum Einsturz bringt. So endet also auch dieser kleine Grusel-Abstecher abrupt und stattdessen dürfen Anatole und Raoul den Film beenden, indem sie sich auf Christine pfeifend einhaken und davonstolzieren – ist auch besser so.
Wenn ROCKY (1976), für den Sylvester Stallone das Drehbuch geschrieben hatte, so dermaßen an den Kinokassen abgeräumt hatte, was müsste dann erst möglich sein, wenn Stallone auch noch Regie führte? Drei Jahre später sollten die Menschen sich in Form von ROCKY II ansehen können, was mit Sly auf dem Regiestuhl möglich war: Vor allem ein Neuaufguss der Geschichte von 1976, der sich nicht scheut, mit Apollo Creed (Carl Weathers) gar den gleichen Antagonisten ins Rennen zu schicken. Der Film läuft also erneut auf den großen Kampf am Ende zu, erzählt dieses Mal aber nicht die gelungene Aufstiegsgeschichte von Rocky Balboa, sondern von seinem Umgang mit dem Erfolg. Hemmungslosem Prassen folgt demütige Arbeit in der Schlachterei und dem Boxstall. Natürlich ist das Comeback als Boxer der Ausweg, aber ein kaputtes Auge und Adrians (Talia Shire) Sorgen stehen dem im Wege.
Stallone konstruiert also eine durchaus interessante Situation, bei deren Auflösung er dann aber einen bestürzend einfachen Weg geht; alle Schwierigkeit sind nach dem ellenlangen Koma Adrians einfach vergessen: Das Auge wird nicht mehr thematisiert und der zweite Gedanke, den die Erwachte nach dem Koma zu formulieren in der Lage ist, lautet: „Gewinne!“. Dann endlich kann Sly sich inszenatorisch voll auslassen und sowohl die Trainings- als auch die Joggingmontage (die natürlich wieder auf den berühmten Stufen endet), mit eingefrorenen Bildern beenden. So erschafft man eben Ikonen.
Schauspielerisch kann Stallone nicht mehr so glänzen wie noch im Vorgänger. Aufgrund seines Gehampels und der Leseschwäche wirkt Rocky bisweilen gar etwas simpel gestrickt, was ihn aber nicht davon abhält, auch immer wieder trockene Witze zu platzieren. Er bleibt aber eine positive Identifikationsfigur, wenn er beispielweise Apollos aggressive Sprüche im Zuge einer Pressekonferenz ruhig kontert und sich im Boxstudio nicht reizen lässt. Auch als Paulie (Burt Young) ihm erlaubt, seiner Schwester die Zähne auszuschlagen, wenn sie ihn nerve, antwortet Rocky nur lakonisch, dass er sie mit Zähnen lieber möge. Leider erreicht die Charakterzeichnung aber nie die Tiefe des Erstlings.
Der finale Kampf ist dann nicht nur unnötig lang, sondern auch unfassbar übertrieben und mündet im erwartbaren Ende. Leider lässt der Film hier auch noch den letzten losen Faden, Rockys Linksauslegerei, quasi unerwähnt fallen. Das macht das Ziel des Films noch einmal überdeutlich: Mehr vom Gleichen. Das muss bei einer tollen Vorlage nichts Schlechtes sein, sorgt aber für deutlich weniger Begeisterung.
Ich mag die Filme von Jim Abrahams und David sowie Jerry Zucker durchaus. DIE UNGLAUBLICHE REISE IN EINEM VERRÜCKTEN FLUGZEUG (1980) ist ein liebgewonnener Klassiker, ihre Beteiligung an KENTUCKY FRIED MOVIE (1977) belegt zudem, dass sie sich auch Gedanken machen können, worauf ihre Gags zielen (auch wenn sie das nicht immer tun). HOT SHOTS! gehen leider sowohl das Ziel als auch ein Storygerüst ab, sodass der Filme eine lange Reihe von Gags darstellt. Diese sind bisweilen lustig, bisweilen öde, stehen aber eben fast durchweg für sich allein.
Strukturell führt Team ZAZ das Konzept fort, ein Genre respektive einen Film zu parodieren, dabei allerdings zahlreiche Verweise auf Filme anderer Genres einzubauen. Das sorgt für ein nettes Ratespiel, verweist aber erneut auf die Ziel- und Orientierungslosigkeit des Films.
Dario Argentos TERROR IN DER OPER handelt vom Sehen in all seinen Facetten. Rabenaugen begrüßen uns im Film und am Ende blicken wir durch ihre Augen in den Opernsaal; die mittels Stecknadeln offengehaltenen Augen der Hauptfigur Betty (Cristina Marsillach) sind es eventuell sogar gewesen, die uns mittels ihrer Darstellung auf dem Filmplakat ins Kino gelockt haben. Die Organe des Sehens sind aber auch Ziele von Zerstörung, wenn Kugeln in sie eindringen oder Raben sie verputzen. Und natürlich werden sie auch ihrem Sinne nach genutzt: Sie beobachten Opfer aus der Sicht des Mörders, beobachten Morde aus der Sicht Bettys oder versuchen aus Sicht der Zuschauenden, dem Übertäter auf die Schlicht zu kommen. Am skurrilsten ist diesbezüglich sicherlich die Exposition, in der die Augen, durch die wir sehen, im Rücken einer alternden Diva zu sitzen scheinen. Argento weist uns hier überdeutlich auf die Bedeutung des Sehens in TERROR IN DER OPER hin.
Die Giallo-Handlung entfaltet sich in einer Welt, die klassische, fast dem Italo-Gothic nahestehende Umgebungen mit zeitgenössischen Setting der späten 80er Jahre mischt. Gerade wohnt Betty noch zu klassischen Klängen dem Mord an ihrem Bühnenmeister in dessen Spinnenweben-verhangenem und in schummriges Licht getauchtem Gemäuer bei und wenige Augenblicke später sitzt sie bei Powermetall neben ihrem Regisseur im Sportwagen und saust durch Neonlicht und Regen. Unabhängig von diesen Formspielen bleiben die Grundkonstanten des Giallo allerdings immer präsent. Schwarze Handschuhe (der Zeit und den elaborierteren Fahndungsmethoden geschuldet mittlerweile mit Plastik überzogen), phallische Mordwerkzeuge und ein auf Sex, Gewalt und psychischen Dispositionen beruhendes Motiv des Mörders sind allgegenwärtig. In einer Mordszene fallen all diese Motive gar in eins, wenn die schwarz behandschuhte Hand in den blutverschmierten Mund eines Opfers eindringt.
Darüber hinaus gibt es tolle und durchaus prunkvolle Darstellungen der Oper und ein geschicktes Spiel mit Zimmern, die immer wieder mittels Licht und Perspektive unvermittelt zu Angsträumen gemacht werden. Was es hingegen nicht, gibt ist die Möglichkeit, dem Mörder auf die Schliche zu kommen. Das von Argento und Franco Ferrini geschrieben Drehbuch ermöglicht kein Erraten des Mörders, es legt keine falschen Fährten und verbittet sich geradezu jede Spekulation. Urbano Barberini tritt zwar als Inspektor Alan Santini auf, wir begleiten seine Ermittlungen jedoch nicht. Entsprechend beliebig wirkt die Auflösung, ebenso wie das sich anschließende Heide-Powermetal-Finale. Vielleicht wollte Argento ja an das gelungene Ende von PHENOMENA (1985) anknüpfen; hier kommt der Bruch jedoch eher einem Verschlucken gleich – wäre er mal beim Sehen geblieben.
Kurz vor dem Abspann gibt uns Wim Wenders mit Komorebi jenen Begriff zu Hand, den wir als Zuschauende die ganze Zeit suchen: Lichtstrahlen, die durch Blätter fallen, zeigen der Hauptfigur Hirayama (Kōji Yakusho) die Schönheit der Natur. Er findet diese Schönheit inmitten Tokios, der größten Metropolregion der Erde, die hier ganz häufig sehr klein wirkt. Denn Wenders lässt seinen nachdenklichen Streifen nicht in Shibuya oder Shinjuku spielen, sondern nutzt die unzähligen kleinen Gassen der japanischen Hauptstadt. Der Toilettenreiniger Hirayama wohnt in einer ruhigen Seitenstraße, die zu reinigenden Design-WC-Anlagen sind fast durchweg ebenfalls an unaufgeregten Plätzchen zu finden. Zusammen mit dem 4:3-Format werden so immer wieder kleine Räume mit einer überschaubaren Anzahl an Menschen in der Riesenmetropole geschaffen.
In diesen kleinen Räumen bewegt sich ein Hirayama, der zunächst vor allem mittels seiner Ruhe gezeichnet wird. Er spricht kann, folgt einem sehr strukturierten Tagesablauf und bedarf kaum tieferer sozialer Kontakte. Dabei handelt es sich anscheinend um eine freie Entscheidung, denn sobald seine Nichte Niko (Arisa Nakano) oder auch ein fremder Krebserkrankter augenscheinlich sozialen Beistand brauchen, ist Hirayama ohne Weiteres im Stande, diesen zu bieten. Hirayama möchte sein Leben also ruhig und zurückgezogen leben und findet in Büchern, seiner klaren Tagesstruktur und eben Komorebi seine Erfüllung.
Doch neben einigen Skyline- und Autobahn-Aufnahmen ist es vor allem der Tokyo Skytree, der immer wieder wie ein spitzer Dorn in diese „kleinen Räume“ eindringt, die Hirayama sich und Wenders für seinen Film geschaffen haben. Und genauso dringen auch in Hirayamas Lebens immer wieder Dinge ein. Als er zur Mehrarbeit aufgefordert wird, wechselt er plötzlich zu einem sehr autoritären Tonfall und trägt der vorgesetzten Person auf, zügig eine Lösung zu finden. Seine reiche Schwester, die Niko mit Chauffeur abholt, verweist auf eine renommierte Familie, der Hirayama angehört, und ihre Trauer über sein „jetziges Leben“ unterstricht die Vermutung, dass er mal in anderen Verhältnissen gelebt hat; von denen er sich abgewendet hat, die sich aber trotzdem hin und wieder zurückmelden. Genauso meldet sich im Lichte einer enttäuschten Liebe das wohl überwundene Verhalten zurück, im nächsten Kombini Zigaretten und Alkohol zu erwerben und wehmütige in einen Fluss zu starren. Solche Szenen verweisen auf die ambivalente Figur unter der ruhigen Schale, hinter dem milden Lächeln. Welche Seite gewinnt, bleibt dabei offen: Am Ende lacht und weint Hirayama gleichermaßen am Steuer seines Wagens. Wim Wenders vergönnt uns keine Antworten auf unsere Fragen: Warum hat Hirayama sich verändert? Ist er nun glücklich(er)? Soll er ein Vorbild sein? Aber gute Film stellen ja bekanntlich nur Fragen, deren Antwort uns überlassen bleibt.
PATLABOR 1 (1989), PATLABOR 2: THE MOVIE (1993) und natürlich GHOST IN THE SHELL (1995) verliehen Mamoru Oshii einen über die Grenzen Japans hinaus bekannten Namen bezüglich erwachsener Anime. Die Anime-Fassung seines Manga Kerberos Panzer Cop spielt in einer alternativen Realität der 50er Jahre und erzählt vom Kampf eines faschistischen Nachkriegsjapan gegen widerständige Gruppen. Unter Regie von Hiroyuki Okiura wird dabei eine wendungsreiche Geschichte um Kazuki Fuse erzählt, der als Mitglied der Spezialeinheit „Kerberos“ ein Mädchen erschießt, dass die Widerständler der „Sekte“ mit einer Bombe beliefern soll. Die Bereitschaft des Mädchens, Nanami Agawa, zu sterben, stellt schon früh die Frage nach Handeln von Menschen in totalitären System in den Raum. Fuse folgt seinen Anweisungen, Agawa ihren Überzeugungen. In der Folge zweifeln Fuses Vorgesetzte jedoch aufgrund eines kurzen Zögerns an seiner Eignung und unterziehen ihn einer erneuten Ausbildung. Die Machthaber können keine Abweichung dulden.
Fortan entspinnt sich ein Politthriller, der das Ringen zwischen regulärer Polizei und elitärer Hauptstadtpolizei mitsamt ihren jeweiligen Unterabteilungen „Spezialeinheit Kerberos“ und „Abteilung für Sicherheit“ darstellt. Im Sinnen nach mehr Macht spielen sich zahlreiche Intrigen innerhalb der Exekutive ab, die letztlich bis zur Erschießung Nanami Agawa zurückreichen. Die hochspannende Geschichte versinnbildlicht die amoralischen und brutalen Machtkämpfe innerhalb der Behörde am Ende, indem sich die „Spezialeinheit Kerberos“ und die „Abteilung für Sicherheit“ in der Kanalisation gegeneinander kämpfen lässt; ebenjenem düsteren Ort, an dem zu Beginn noch die Sekte operiert.
Inmitten des Thrillergeschehens gibt es immer wieder Einsprengsel einer Beziehungsgeschichte zwischen Fuse und Kei Amemiya, der angeblichen Schwester der getöteten Nanami Agawa. Mittels einer Abwandlung des Märchens „Rotkäppchen“ vorangetrieben, rückt aber auch dieser Handlungszweig alsbald in die Nähe der Machtkämpfe im Apparat. Das ist ebenso düster wie konsequent, macht aber vor allem eines deutlich: Wer nicht gewillt ist, komplexe (und teils nur angedeutete) Handlungsverläufe nachzuvollziehen, der ist hier falsch.
Es sei denn, derjenige betrachtet den Film ausschließlich aufgrund seiner ästhetischen Qualität. Schon die eröffnende Straßenschlacht ist sehr stimmungsvoll und die fliegenden Molotow-Cocktails lassen die großartige Qualität der Animation bereits erahnen. Danach gibt es viel Spiel mit Schatten und Licht, vor allem aber sehr realistische Darstellungen von Architektur. Die Baustellen, Höfe und Straßenschluchten Tokios sehen in ihrer entsättigten Farbe bezaubernd aus und hätten den Film eigentlich zu einem Anwärter für Stefan Riekeles‘ sehr empfehlenswertes Buch Anime Architecture: Imagined Worlds and Endless Megacities gemacht.
Einer flog über das Kuckucksnest One flew over the cuckoo’s nest | USA | 1975 IMDb, OFDb, Schnittberichte
Bester Film, beste Regie, bestes Drehbuch, bester Hauptdarsteller, beste Hauptdarstellerin: Der von Michael Douglas produzierte und von Milos Forman inszenierte EINER FLOG ÜBER DAS KUCKUCKSNEST räumte bei den Academy Awards 1976 richtig ab. Jack Nicholson kommt darin als Straftäter McMurphy in der Hoffnung in eine psychiatrische Klinik, so seiner Haftstrafe entgehen zu können. Scheint es zu Beginn noch darum zu gehen, ob McMurphy „verrückt“ ist oder nicht, zeigt sich schnell, dass seine unkonventionelle und forsche Art den anderen Patienten guttut und die Frage nach der geistigen Gesundheit (kurzzeitig) in den Hintergrund treten lässt. Ein von McMurphy organisierter Angelausflug belegt dann, dass die Patienten „normal“ leben und handeln können, wenn man es ihnen nur zutraut. Gleichzeitig bringt dieser Ausflug die Oberschwester Mildred Ratched (die von Louise Fletcher grandios kühl gegeben wird) zu dem Urteil, McMurphy sei zwar „nicht psychisch gestört, aber gefährlich“ und müsse deshalb in der Klinik bleiben. Ihre Beschreibung verweist hier deutlich auf den antipsychatrischen Diskurs der 60er und 70er Jahren, im Zuge dessen unter anderem Michel Foucault feststellte, dass die Diagnose psychischer Krankheiten primär das Produkt sozialer, politischer und juristischer Prozesse sei. McMurphy muss in der Heilanstalt bleiben, weil er gefährlich ist, nicht, weil er krank ist.
Während die Zuschauenden diese Überlegung dann auf alle anderen Patienten übertragen, vollzieht der Film eine Wendung. Zusammen mit McMurphy erfahren die Rezipienten, dass die meisten Patienten freiwillig in der Klinik sind. Es wird jedoch schnell deutlich, dass diese Freiwilligkeit nicht auf dem Willen fußt, sich den Umständen in der Klinik auszusetzen, sondern aus Sorge vor dem Leben außerhalb der Klinik. Erneut sind es die sozialen Umstände, die die Menschen in diese Situation bringen. Die Umstände in der Klinik werden durch Oberschwester Ratched personifiziert: Kühle, Pathologisierung und Entrechtung (denn schon Rasta Knast wusste: „In der geschlossenen Abteilung gibt es keine Freiheit mehr“). Der Höhepunkt ist dann Ratcheds Umgang mit Billy, der nach einem intimen Zusammentreffen mit einer Freundin McMurphys sogar kurz sein Stottern überwindet, durch die Oberschwester allerdings so unmenschlichen Druck erfährt, dass er sich im Nachgang selbst tötet. Das wiederum provoziert einen Angriff von McMurphy auf Ratched und dessen anschließende Lobotomie. Zwischen 1949 und 1953 wurden in den USA 20.000 Lobotomien durchgeführt, es ist kein Wunder, dass Ken Kesey, Autor der Romanvorlage von 1962, nach seinen Erfahrungen im US-amerikanischen Psychiatriewesen der 50er Jahre ein solch brutales Ende für seinen Roman wählt. Hier wird der Kampf zwischen der erwähnten sozialen, politischen und juristischen Macht und dem Individuum bis zu Ende durchexerziert, die (zehntausendfach vorkommende) Eskalation inklusive.
Kritik erfuhr der Film häufig für seine Darstellung der psychiatrischen Klinik und vor allem ihrer Patienten; sie sei klischeebehaftet und respektlos. Ich kann dieser Ansicht nicht folgen. Zum einen gibt es unter den Patienten eine große Bandbreite: Es gibt den simplen Martini von Danny DeVito, den ruhigen Harding von William Redfield oder Christopher Lloyds aufmerksamen und gewitzten Taber. Der Chief (Will Sampson) nimmt eine demonstrativ ruhige Rolle ein, während Cheswick (Sydney Lassick) emotionaler ist. In all diesen tollen Darstellungsleistungen (wie auch in Louise Fletchers Oberschwester) liegt natürlich ein wenig Klischee, aber das zuzugestehen ist schließlich Grundlage eines jeden Filmgenusses. Ein Überzeichnen kann ich aufgrund der Bandbreite kaum erkennen, zudem erscheint es sehr fraglich, ob eine „medizinisch korrekte“ Darstellung überhaupt möglich ist. Vor allem aber geht hinter diesen Fragen allzu oft die Frage nach den Rechten psychisch erkrankter Menschen verschütt, die der Film doch eigentlich so eindrucksvoll vorbringt.
Roger Cormans Produktionsfirma New Concorde schloss zu Beginn der 80er Jahre mit Héctor Oliveras Aires Productions einen Vertrag über zehn in Argentinien zu produzierende Filme ab. Die Barbaren-Welle, losgetreten von CONAN – DER BARBAR (1982), ließ gerade vor allem die Italiener im Wochentakt halbnackte Typen durch die Umgebung von Cinecittà scheuchen, aber auch Corman wollte ein Stück vom Kuchen; und das klappte mit dem ersten der zehn Filme, DER TODESJÄGER (1983), auch ganz ordentlich. BARBARIAN QUEEN, bei dem Héctor Olivera auch gleich selbst Regie führte und Howard R. Cohen (EIN MANN WIRD ZUM KILLER (1978), SAMSTAG, DER 14. (1981) oder eben DER TODESJÄGER (1983)) das Drehbuch schrieb, kann da zwar nicht ganz mit-, aber nichtsdestotrotz unterhalten.
Cohens Drehbuch orientiert sich dabei strikt am großen Vorbild CONAN – DER BARBAR: Ein Dorf wird überfallen, Mord, Vergewaltigung und Brandschatzung hinterlassen menschliches Elend, Rache ist bitter notwendig. Doch da Strahlemann Argan (Frank Zagarino) vom bösen König Arrakur (Arman Chapman) entführt wurde, muss seine Verlobte Amethea (Lana Clarkson) mit ihren Freundinnen ran. Die Frauen schnetzeln sich dann durch diverse Gegnerhorden, verbünden sich mit ihren als Sklaven gehaltenen Männern und besiegen den finsteren König. In der grandiosesten Szene des Films wird Amethea dabei vom einer Vorzeit-Version eines Mad Scientist misshandelt. Der mit Steinzeitbrille (!) und Dampfmaschinen (!!) ausgestattet Unhold quält die nackte Amethea mithilfe einer Maschine, deren Metallhand Amethea an der Brust zwickt (!!!). Als er sie dann noch vergewaltigt, packt sie ihn mit ihren Beinen (oder ihrer Vagina) so fest, dass er schreit und stößt ihn in ein Säurebecken. Tolle Szene! Aber auch die kann nicht verhehlen, dass der Film trotz starker Frauen in den Hauptrollen natürlich ganz und gar vom male gaze bestimmt ist. Ganz und gar.
Ansonsten gibt es ein bisschen Kunstblut und zumindest in den Kerkern durchaus stimmig beleuchtete Pappmaché-Kulissen. Die Burg sieht hingegen wahrlich bescheiden aus, wahrscheinlich ist das Budget in die zahllosen Kostüme der Hauptdarstellerinnen und in das knallbunte Steinzeit-Gerberbviertel geflossen. Aber am Ende gibt es eine durchaus ordentliche Massenkampfszene, da hat man in ähnlichen Filmen schon sehr viel weniger Menschen eine „Schlacht“ darstellen sehen. Alles in allem kann man diesem 71-Minuten-Corman-Klopper nichts vorwerfen, wenn man weiß, was einen erwartet.