DIE DREI GESICHTER DER FURCHT

Die drei Gesichter der Furcht
I tre volti della paura | Frankreich/Italien | 1963
IMDb, OFDb, Schnittberichte

Ein unbekannter Host (Boris Karloff) leitet dreierlei Horror ein: Ein Unbekannter droht der alleine in ihrer Wohnung befindlichen Rosy (Michèle Mercier) mit dem Tode; Gorka (Boris Karloff), der Vater einer in der Abgeschiedenheit lebenden Familie, bringt das Unheil über selbige; Helen (Jacqueline Pierreux) gerät bei der Aufgabe, ein jüngst verstorbenes Medium für die Beisetzung vorzubereiten, mit übersinnlichen Kräften in Konflikt.

Die Kürze der einzelnen Kapitel des Episoden- oder Anthologie-Films ist sein Segen und sein Fluch gleichermaßen; wenn eines die Gunst der Zuschauenden nicht zu erringen vermag, dann ist es von Vorteil, dass nach kurzer Zeit ein Wechsel erfolgt. Wenn eine Geschichte jedoch vollends verfängt, dann ist es gleichsam ärgerlich, sie nach wenigen Minuten wieder hergeben zu müssen. So oder so ist es in diesem Rahmen Aufgabe des Regisseurs, Stimmung und Atmosphäre in Höchstgeschwindigkeit zu erzeugen und zu transportieren. Dass es Mario Bava darüber hinaus auch noch gelingt, in seinem Anthologie-Streifen DIE DREI GESICHTER DER FURCHT zuvor getätigte Genreformulierungen weiterzuführen, darf getrost als weiterer Beleg seiner Meisterschaft betrachtet werden. Und der Grund, warum der Maestro sich hier erneut übertrifft? Natürlich die Farben!
Die Episode „Das Telefon“ ist eine überdeutliche Weiterführung von LA RAGAZZA CHE SAPEVA TROPPO (1963), jener Giallo-Blaupause, die Bava kurz zuvor veröffentlichte. Nicht nur, dass hier teils die gleichen Requisiten Verwendung finden, auch die voyeuristischen Elemente, die Unsicherheit ob des Täters, das Messer und die Handschuhe sorgen dafür, dass die Genre-Zuordnung mehr als einfach ausfällt. Die Zuschauenden sind Täter und Beobachter gleichermaßen und obendrein gibt es noch ein Telefon, dass dank des Technicolor-Rot (zumindest in der europäischen Fassung) vollends im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht. Hier wird bereits BLUTIGE SEIDE (1964) vorbereitet, „Das Telefon“ ist somit ein wichtiger Baustein in der bava’schen Entwicklung des Giallo – auch wenn die Auflösung letztlich doch einige Fragen offen lässt; aber gehört nicht auch das irgendwie zum Genre?

Rosy: Was ist das?
Maria: Gift von deinem Frank.

Nach dieser ganz und gar irdischen Episode begibt sich der Film in die nebelumwogte Düsternis des Gothic-Horror. War DIE STUNDE, WENN DRACULA KOMMT (1960) bereits Bavas inhaltliche Vollendung dieses Genres, so ist es erneut die Farbe, die hier noch Kommendes (von ihm selbst DER DÄMON UND DIE JUNGFRAU (1963), DIE TOTEN AUGEN DES DR. DRACULA (1966) und irgendwann BARON BLOOD (1972)) einleitet. Nicht nur der blutig-rote Rumpf, den Graf Vladimir finden muss, auch der wabernde Nebel oder die wundervoll ausgeleuchteten Gesichter der Protagonisten zeigen den Wert der Farbe für den Gothic-Horror. Vor allem Boris Karloffs Gesicht spiegelt sämtliche denkbare Farben wider und strahlt so in einer unheimlichen Präsenz. Kein Wunder, ist es doch auch seine Figur Gorca, die in dieser Episode für Unwohlsein sorgt. Wie stets im Genre ist den Zuschauenden schon klar, wo lang der Hase läuft und so ist es unabdingbar, Gorca beim Verrichten seines gar grausigen Werkes zuzusehen. „Der Wurdelak“ liefert dabei die bekannten Versatzstücke Liebe, Familie und Übersinnliches in lockeren Mischung ab, bleibt aber vor allem aufgrund seiner Optik im Gedächtnis.

Anders „Der Wassertropfen“. Die Französin Jacqueline Pierreux erhält in der Rolle der Helen die Aufgabe, ein verstorbenes Medium herzurichten, kann jedoch der Versuchung, einen wertvollen Ring zu stehlen, nicht wiederstehen. Fortan wird sie von etwas geplagt, dass irgendwo zwischen Unsinn und Wahnsinn anzusiedeln ist. Nach der Realität von „Das Telefon“ und dem klassischen Grusel-Sujet von „Der Wurdelak“ lässt Bava seine Zuschauenden analog zu Helen nun an der Realität zweifeln. Tropfende Wasserhähne und surrende Fliegen zerren an den Nerven aller Beteiligten. Die verzerrte Fratze der Toten erinnert eher an einen Comic und sorgt auch final für Gänsehaut. Hier entfaltet sich wahrer Horror, ein würdiger Abschluss der kleinen Trilogie – und ein weiterer Grund, die Entscheidung von Roger Cormans American International Pictures, die Reihenfolge der Episoden für den US-Markt zu ändern, anzuzweifeln. Das diesen Absatz einleitende „anders“ impliziert übrigens mitnichten, dass „Der Wassertropfen“ nicht auch in gar wunderbarer Farbenpracht erstrahlt.

Anrufer: Bei einer so schönen Frau ist ein Mann zu allem fähig: Ich werde dich töten!

Und für das Ende hebt sich Bava noch ein Bonbon auf: Während Boris Karloff die Zuschauenden zu Beginn noch persönlich begrüßte, tritt er am Ende als Gorca auf, der jedoch in gleicher Weise zu die Rezipienten spricht. Seine Rolle wird jedoch schnell enttarnt, da die zurückfahrende Kamera die höchst simplen Tricks der Filmschaffenden offenbart. Karloff ist Gorca, Gorca ist Karloff; das Böse ist fiktiv, das Böse ist real. Ein wunderbarer Abschluss – der in der US-Fassung ebenfalls entfernt wurde. Was hast du dir dabei nur gedacht, Roger?

Bava nutzt diesen Episodenfilm nicht nur zur Weiterentwicklung seiner Genrekonzepte von Giallo und Gothic-Horror, er legt hier auch den Grundstein für seine einzigartige Arbeit mit Farben und liefert so einen Klassiker des Anthologie-Films.

Eine Antwort zu “DIE DREI GESICHTER DER FURCHT

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