CONVOY

Convoy
Convoy | USA | 1978
IMDb, OFDb, Schnittberichte

Bücher, Spiele, Theaterstücke, wahre Begebenheiten – alles altbekannt. Aber ein Film, der sich auf einen Country-Song als Vorlage beruft, stellt wahrlich eine Seltenheit dar. Für Sam Peckinpahs CONVOY (1978) verfasste Bill L. Norton aber ein Skript, das auf C. W. McCalls Country-Erfolg Convoy basiert. Dabei zeigte sich Peckinpah bereits mit GETAWAY – EINE KNALLHARTE GANGSTER-STORY (1972) Fahrzeug-verständig und der Erfolg von Hal Needhams EIN AUSGEKOCHTES SCHLITZOHR (1977) ließ einen Streifen rund um Trucker und sie verfolgende Polizisten potenziell erfolgreich scheinen.

Sam Peckinpah verhehlt seine Westernherkunft, immerhin schuf er mit THE WILD BUNCH – SIE KANNTEN KEIN GESETZ (1969) einen veritablen Klassiker, dabei zu keinem Zeitpunkt. Formal wird dies in zahlreichen Landschafts-Totalen deutlich und in den sie kontrastierenden Nahaufnahmen der Gesichter. Inhaltlich tauschen die Heroen ihr Pferd gegen ihre Sattelschlepper, bleiben aber der Rolle der lonesome rider treu. Aber auch sein Händchen für das Unterhaltungskino zeigt der Regisseur. Da tanzen die Maschinen zur Walzer-Variation des Titelsongs in unzähligen Blenden durch den Wüstensand und die nächste actionreiche Zeitlupensequenz wartet stets hinter der nächsten Straßenecke. Eine ordentliche Portion male gaze rundet die auf simple Unterhaltung getrimmte Seite des Films ab.

Und die steht dann auch immer wieder zur Entlastung des Geschehens parat. Wenn Ernest Borgnine als genial schmieriger Bulle Lyle den unschuldigen Spider Mike (Franklyn Ajaye) rassistisch attackiert, endet das beispielsweise nur Sekunden später in einer dämlich kommentierten Massenklopperei. Aber auch Hauptfigur Rubber Duck (Kris Kristofferson) wird immer wieder auffällig von Ernsthaftigkeit entbunden. Sein Convoy vereint allerlei Malocher, Schwarze und Außenseiter und wird so zu einem Medienereignis, das die Sympathie der Massen gewinnt (selbst Golfcart-fahrende Schnösel wollen mitmischen). Als Medien und Politik davon zu profitieren versuchen, zeigt der Film zwar die häufig diffuse Zielrichtung solch sozialer Massenphänomene, lässt sich Rubber Duck aber schließlich mit einen „Ich bin nur zufällig hier vorne“ aus der Affäre ziehen. Er muss sich nicht mal zum seinem Ideal folgenden Outlaw erklären, er zieht einfach davon. Weder die Hauptfigur noch der Streifen selbst wollen augenscheinlich etwas fordern.

Und so bleibt dieser an sich hochsympathische Film leider etwas eindimensional: Die Politiker ähneln eher schmierigen Gangstern und am Ende gibt es ein explosives Krawall-Finale nach dem schließlich alle über Rubber Ducks (unaufgelöste) Finte lachen können – selbst Lyle. So war schließlich doch alles nur ein großer Gag und im Abspann spulte man wie in einer TV-Serie noch mal die Highlights ab. Mehr ist es leider nicht. Es bleibt also nur, sich an der Form zu erfreuen oder sich über die vergebene Möglichkeit, hier einen wirklich großen Film zu machen, zu ärgern. Beides hat seine Berechtigung.


Antworten

  1. Avatar von Majestyk
    Majestyk

    „Why do they call you the Duck?“

    „Because it rhymes with „luck.“ See, my daddy always told me to be just like a duck. Stay smooth on the surface and paddle like the devil underneath!“

    Lieblingsfilm meiner Kindheit. Kann ich gar nicht neutral beurteilen, mein alter Herr war selber König der Landstraße. Sam Peckinpah ist ja einer meiner Lieblinge, aber so ab Killer-Elite und Steiner merkt man, daß der fahriger wurde. Spätestens bei Steiner hatte der ja auch seinen Alkohol- und Drogenkonsum längst nicht mehr im Griff. Nach Convoy kam ja auch nur noch das recht verworrene Osterman Wochenende.

    Wie auch immer. Nüchtern und objektiv betrachtet stimmt die Kritik wohl. Ich mag die letzten Filme Peckinpahs dennoch, vor allem Steiner und Convoy. Und wenn Working Class People Mächtigen zeigen was eine Harke ist, dann finde ich das sehr sympathisch und das darf auch ruhig eindimensional ausfallen.

    Was ich interessant finde, Convoy oder Smokey and the Bandit waren ja nicht die einzigen Trucker Film ihrer Zeit, in Deutschland gab es z.B. noch Theo oder im Fernsehen Manfred Krug auf Achse. Viel früher fuhren ja schon Bogart, Gabin oder Albers LKW. Überhaupt gab es in Opas Kino oder Flimmerkiste viel öfter Filme und Serien mit Leuten in Ottonormalberufen, Drei Damen vom Grill etwa oder Roseanne. Heute müssen es Ärzte, Anwälte oder die üblichen Kommissare sein und wenn dann zeigt man Arbeiter eher als sozialen Problemfall.

    Um tiefer einzutauchen war Peckinpah vermutlich selber auch zu fern, stammte ja aus einer Anwaltsfamilie, übrigens mit deutschen Wurzeln. Peckinpah zeigt zwar in all seinen Filmen viel Sympathie für einfache Leute. Um wirklich zu wissen was Arbeiter antreibt und bewegt muß man vermutlich selber einer sein. Und um zu wissen wie die Leute auf dem Bock empfinden muß man mal dort oben sitzen. Sollte eigentlich jeder Autofahrer mindestens einmal im Leben, dann hört das Geschimpfe über LKW-Fahrer nämlich auf, im Leben ist nämlich alles eine Frage der Perspektive.

    Schön in Convoy ist die Verbindung mit Westernmotiven. Zumindest in meiner Kindheit war das auch bei uns populär, so waren viele Autohöfe aufgemacht und das Truckerleben wurde so auch von Truck Stop oder Gunter Gabriel besungen. Wenngleich in echt der Beruf nicht mal ansatzweise so viel Romantik bietet oder bot. Im Vergleich zu gestern sind LKWs heute ja Luxuslimousinen und viel von der körperlichen Arbeit ist ja (zum Glück) auch entfallen.

    Wenn ich einen Film empfehlen darf der glaube ich wirklich viel von Peckinpahs Weltbild widerspiegelt dann ist es Junior Bonner. Mittlerweile kann man den auch bei uns auf DVD oder BR kaufen.

    Lieben Gruß und einen schönen Frühling!

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    1. Avatar von totalschaden
      totalschaden

      Hallo Majestyk,

      danke für deinen erneut ausführlichen Kommentar und die Ausführungen zu Peckinpahs Werdegang.

      Vor allem dein Absatz über die Verschiebung des Arbeiters von der Identifikationfigur hin zum sozialen Problemfall würde ich dem Gefühl nach auch unterschreiben – ob das empirisch haltbar ist, ist wahrscheinlich schwer festzustellen. Allerdings bezweifele ich, dass eine Figur wie Franz Meersdonk heute noch funktionieren würde.

      Weniger beipflichten kann ich deinem Absatz über die Perspektiven. Dass nur Erfahrung das überzeugende Einnehmen eine Position möglich macht, denke ich nicht. Elio Petri enstammte beispielsweise einer Künstlerfamilie.

      Grundsätzlich scheinen wir aber eine ähnliche Vorliebe für diesen Film zu teilen. Vielleicht stecken unsere Texte gemeinsam ja den Einen oder die Andere zu Ähnlichem an. 🙂

      Grüße!

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