GHOST IN THE SHELL

Ghost in the Shell
Kokaku kidotai | Japan | 1995
IMDb, OFDb, Schnittberichte

Nach Katsuhiro Otomos AKIRA (1988) ist Mamoru Oshiis GHOST IN THE SHELL, nach dem gleichnamigen Roman von Zeichner Masamune Shirow, ohne Frage der zweite Schritt der japanischen Animationsfilme auf dem westlichen Markt, bevor das Studio Ghibli die Tür mittels PRINZESSIN MONONOKE (1997) und CHIHIROS REISE INS ZAUBERLAND (2001) vollends aufstoßen sollte. Ähnlich wie bei Hiroshi Fukutomes BATTLE ANGEL ALITA-Verfilmung aus dem Jahr 1993 geht es dabei um Fragen von Existenz und Menschlichkeit, wobei GHOST IN THE SHELL als abendfüllendem Spielfilm mit deutlich größerem Budget ganz andere Möglichkeiten offenstehen.

Motoko Kusanagi ist Einsatzleiterin bei der Sektion 9, einer Behörde des japanischen Innenministeriums. In einer mehr oder minder dystopischen Zukunft ist sie als Cyborg, in dessen Kopf sich eine Kapsel mit menschlichem Geist befindet, kein Kuriosum mehr. Trotzdem führt sie mit ihrem Cyborg-Kollegen Batou regelmäßig Gespräche über ihre Menschlichkeit. Die altbekannte Frage nach jenem kleinen Zuviel an Cyberware, dass aus einem Mensch eine Maschine macht, steht im Zentrum der Überlegungen. Eine potenzielle Antwort scheint der mysteriöse Puppet Master zu bieten, eine in den Weiten des Internets entstandene Intelligenz, die gänzlich ohne Körper existiert. Der Puppenspieler wechselt von Körper zu Körper, verweilt teils in Netzwerken und sehnt sich – wie Motoko – nach Menschlichkeit. Er gedenkt diese durch Reproduktion zu erreichen, eine Eigenschaft, die ihm als KI ebenso unmöglich ist wie Motoko als Cyborg. Erst die letztendliche Verschmelzung beider ermöglicht die Erschaffung neuen Lebens und damit das Überschreiten der finalen Schwelle zwischen Menschlichem und Künstlichem. Quasi als Bonus berührt der Film auch noch einige Fragen politischer Implikationen, die durch Körperlosigkeit und KI entstehen können. Aufgrund bewusster Leerstellen lässt Oshii einiges an Interpretationsraum.

Metaphorisch starke Einstellungen zeugen des Weiteren vom Anspruch des Films. Wenn der KI-Panzer am Finale Fossilien und Stammbäume zerstört, dann hört man den Abgesang auf die alte Welt quasi durch das einer Kathedrale gleichende Setting dröhnen. Mehrere grandios gezeichnete und kolorierte Fahrten durch die Stadt verdeutlichen zudem die fortgeschrittene Technisierung – und wenn eine dieser Fahrten mit dem Blick auf starre Schaufensterpuppen endet, dann steht die Frage nach der Bedeutung des menschlichen Körpers überdeutlich im Raum.

Und noch ein paar Sätze zum Handwerk: Die Inszenierung ist schlicht atemberaubend. Sphärische Klänge mit fernen Chorälen untermalen Einstellungen einer Großstadt, die gleichsam enge Gassen und unendliche Weite kennt. Neben der obligaten Anonymität ob des Trubels Großstadt kennt der Film aber auch friedfertige Momente. Wenn Motoko und Batou, die Stadt beobachtend, durch die Kanäle gleiten, entflieht der Film in geradezu hypnotische Momente. Architektur, Licht, Technik und Wesen vereinen sich zu einem unglaublich dichten Netz an Eindrücken. Es sind dies wohl die stärksten Momente des Films – was bei einem so sinnschwangeren Werk wahrlich Einiges heißen will.

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..