AKIRA

Akira
Akira | Japan | 1988
IMDb, OFDb, Schnittberichte

Shōtarō Kaneda und sein Freund Tetsuo Shima gehören beide einer Motorradgang an, die im Neo-Tokio des Jahres 2019 gegen andere Banden kämpft. Die Stadt wurde nach einer Explosion und dem dritten Weltkrieg neu errichtet und stellt nun ein Moloch aus korrupter Politik und rebellischen Elementen dar. Als Tetsuo auf einer Verfolgungsjagd mit dem Wesen Takashi zusammenstößt, gerät er in die Fänge des Militärs, da in ihm fortan immensen Kräfte heranwachsen.

Es gibt im Grunde zwei Aspekte, die AKIRA für mich zu einem ganz großartigen Film machen. Zum einen ist das die unglaublich treffsichere Darstellung von Dystopie und Cyberpunk. Ab der ersten Minute reißt der Streifen einen hinein in eine Welt aus nicht erfassbar großen Wolkenkratzer, die vor Reichtum golden schimmern, und stellt diesen die siffige Kellertreppe der alten Kneipe gegenüber, in der sich Kanedas Truppe trifft. Hier stehen tausend goldenen Stufen nach oben im Kontrast zu einer Etage abwärts – die es aber in sich hat und einen sofort ins gesellschaftliche Abseits führt. Zu dieser Welt gehören aber auch korrupte und letztlich hilflose Politiker, die schon lange die Bindung zum echten Leben verloren haben und folglich ohne weitere Erwähnung von Oberst Shikishima abgesetzt werden können. Die Bevölkerung glaubt ohnehin eher den wirren Predigern der Straße, die auch Erscheinungen wie den erstarkten Tetsuo in ein einfaches Weltbild einzusortieren vermögen.

Kai: Kriegst du so etwa die Mädchen rum? Auf die Tour? ‘Nen bisschen Kaffee, ‘nen bisschen Politik?!

Und es ist ohne Zweifel dem von Regisseur und Autor Katsuhiro Ôtomo betriebenen Aufwand zu verdanken, dass diese Welt dann auch in eine würdige Optik verpackt wird. Ôtomo, der auch der Autor des gleichnamigen (und bis Juni 1990 fortgesetzten) Mangas ist, sammelte nämlich ein aus rund einem halben Dutzend Firmen bestehendes Produktionskonsortium (darunter auch das legendäre Kaiju-Studio Tōhō) um sich, um das nötige Budget für seine Vision zusammenzubekommen. So konnten dann während der Produktion zahlreiche aufwendige Techniken Anwendung finden, die AKIRA optisch von vergleichbaren Werken abheben. So gibt es für einen Zeichentrickfilm erstaunlich viele animierte Elemente und die gezeichneten Hintergründe sehen schlicht atemberaubend aus. Es lohnt sich (bei der Zwei- oder Drittsichtung) tatsächlich, mehrfach zu pausieren, um die Darstellung der Straßenzüge und Innenräume in voller Pracht zu genießen.

Zum anderen setzt sich der Streifen einfallsreich mit dem Thema Macht und Kontrollverlust auseinander. Ôtomo verwendet hier vor allem die Motorräder der Jungs als Metapher. Gleich zu Beginn belehrt Kaneda Tetsuo darüber, dass es besonderen Geschicks bedarf, um die Kontrolle über sein außerordentliches Motorrad zu behalten. Tetsuo offenbart in der Folge zwar kurzzeitig solches Geschick (im Kampf mit den Clowns), kollidiert letztendlich aber trotzdem mit Takashi. Die danach stetig wachsende Macht Tetsuos schleudert diesen ebenfalls zwischen Macht und Kontrollverlust hin und her. Während er zunächst ängstlich reagiert, freut er sich kurz darauf, endlich nicht mehr auf Kanedas Hilfe angewiesen zu sein – nur um dann im Finale, während seiner grausamen Metamorphose, doch wieder um dessen Hilfe zu bitten.

Tetsuo: Du meinst doch nicht etwa, dass ich in diesen Kindergarten zurückgehe? Ein glückliches Leben mit der täglichen Droge, und eines Tages bin ich so ausgetrocknet wie die anderen Kids.

Am Ende hat allerdings keiner mehr Macht und es ist erneut an Akira, mittels einer gewaltigen Explosion für Ruhe im Karton zu sorgen. Ôtomo bleibt hier ähnlich vage wie Ridley Scott im augenscheinlichen stilistischen Vorbild DER BLADE RUNNER (1982) und lässt es offen, was mit Akira, Tetsuo, Takashi, Masaru und Kiyoko passiert. Kaneda und auch Oberst Shikishima wird das Leben geschenkt, während vermutlich viele andere Betroffene ihres lassen müssen. Irgendwo existiert Tetsuo fort, vielleicht im neu entstehenden Universum. Hier schlägt sich der Film den Boden zum Anfang, wo er seine Betrachtenden in eine Welt einführt, die nach einer großen Explosion wieder in die (wenn auch nicht gerade) Spur gefunden hat – so wird es dieses Mal wohl auch wieder laufen.

Auch heute noch wird klar ersichtlich, warum der Streifen damals einen Anime-Boom außerhalb Japans verursachte: Ôtomos Werk ist wunderbar dystopisch, sieht atemberaubend gut aus und lässt junge Menschen miteinander (und mit sich selbst) ringen. Das funktioniert einfach blendend.


Antwort

  1. Avatar von GHOST IN THE SHELL | SPLATTERTRASH
    GHOST IN THE SHELL | SPLATTERTRASH

    […] Katsuhiro Otomos AKIRA (1988) ist Mamoru Oshiis GHOST IN THE SHELL, nach dem gleichnamigen Roman von Zeichner Masamune […]

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