Battle Angel Alita
Tsutsu yume GUNNM | Japan | 1993
IMDb, OFDb, Schnittberichte
Obwohl es bei Weitem nicht mein favorisiertes Lektüre-Genre ist, hat mich Yukito Kishiros Manga Battle Angel Alita schon immer fasziniert. Ich führe diese Begeisterung vor allem auf die fantastische Cyberpunkwelt zurück, die der Japaner entwirft: Eine geteilte Gesellschaft, fliegende Städte, düstere Gassen, viel Cybernetik und all das überzogen von der quälenden Frage nach Sinn und Existenz. Klar, dass ich nicht der einzige war, den das packte, und klar auch, dass 1993, zwei Jahre nach der Veröffentlichung der neun Bücher des ersten Zyklus, eine Direct-to-Video- bzw. Original-Video-Animation-Filmreihe gestartet wurde. Leider wurde diese nach zwei Teilen (die außerhalb Japans stets als Zusammenschnitt veröffentlicht wurden) wieder eingestellt, da sich der Erfolg in Grenzen hielt. Es gibt also lediglich die Inhalte der ersten beiden Bücher, Rusty Angel und Tears Sign zu sehen.
Und bei 25 Minuten Laufzeit pro Buch ist auch klar, dass Regisseur Hiroshi Fukutomi massive Kürzungen vornehmen muss. Das gelingt Autor Akinori Endō zwar in meinen Augen recht ordentlich, aber es fallen natürlich ganze Plotfäden unter den Tisch (während die Rolle der Chiren als „Story-Beschleuniger“ hinzugefügt wurde). Der Fokus liegt auf der Beziehung von Alita und Yugo, was sich als gute Entscheidung erweist. In den besten Momenten gelingt es dem Anime auch, die Spannung zwischen Yugos Sehnsucht nach Zalem und der Beziehung zu Alita plausibel zu machen – bevor ein schneller Schnitt wieder den Handlungsort wechselt und die Stimmung verwischt. Es ist halt einfach zu wenig Zeit da, um eine wirklich tragende Atmosphäre zu etablieren.
Das macht sich auch bezüglich der Nutzung des Artdesigns bemerkbar. Während sich die Animationen nämlich auf eher durchschnittlichem Niveau bewegen, sind die Hintergründe und Settings in meinen Augen gut gelungen. Sie transportieren den schmutzigen Charme der Vorlage, die Düsterheit des Molochs Schrottstadt. Häuserschluchten sind so tief, dass sie keinen Boden haben, der Beton ist brutal abweisend und nur Neonlicht durchflutet die ewige Nacht. Leider wird auch hier zu oft und zu schnell gewechselt, die einzelnen Sets werden kaum genutzt. Die Charaktere sind schön entworfen, teils absurd geformt und mit Cybernetik überfrachtet, die übermächtige Alita wirkt zwischen ihnen verletzlich und klein. Und da Fukutomi in Teilen auch die blanke Gewalt der Vorlage – ein wichtiger Kontrast zur äußerlichen Unschuld der Hauptfigur – übernimmt, gelingt es ihm, Yukito Kishiros Ton toll zu treffen. Das hier ist echter 90er Jahre Cyberpunk: Nimm dir die Hintergründe, die Charaktere und die Story und spiel damit eine Runde Pen-&-Paper!
Insofern kann ich nur mein Bedauern darüber ausdrücken, dass dieser Reihenbeginn 1993 irgendwie nicht gezündet hat. Die Form der Umsetzung stimmt (trotz inhaltlicher Straffungen), das Flair der Vorlage kann also transportiert werden. Es bleibt ein Wunschtraum zu wissen, wie Hiroshi Fukutomi die weiteren sieben Bücher umgesetzt hätte.