Indiana Jones und das Rad des Schicksals Indiana Jones and the Dial of Destiny | USA | 2023 IMDb, OFDb, Schnittberichte
So, Indys letzte Runde – zumindest in dieser Form. Aber man weiß ja heute nie. Die CGI-Exposition zeigt folglich auch, was heute alles möglich ist. Der junge Indy in der etwas zu lang geratenen Nazi-Zug-Eröffnung sieht (mit den üblichen Abstrichen) durchaus passabel aus und man gewöhnt sich beim Gucken erstaunlich schnell daran, sodass der Wechsel ins Jahre 1969 und zu einem oberkörperfreien Harrison Ford im Alter von 80 Jahren dann die gewünscht abrupte Wirkung erzielt. Das New York aus dem Computer sieht dann jedoch gleichsam schrecklich aus und das setzt sich fort: Tanger, Sizilien, der Sturm am Ende, alles leidet unter dem ewig-gleichen, artifiziellen Look, der gerade einem Abenteuerfilm, der ja ferne Orte ins Zentrum seiner Darstellung rückt, völlig unangemessen ist. Diesbezüglich ist der Genre-Vater leider keinen Deut besser als jüngere Epigone wie UNCHARTED (2022) oder THE LOST CITY – DAS GEHEIMNIS DER VERLORENEN STADT (2022).
Das Drehbuch, an dem neben dem Regisseur James Mangold auch der renommierte David Koepp beteiligt war, nimmt sich dann in der Folge oft zu wenig Zeit, Orte und Figuren in Ruhe zu zeichnen. Ständig steht die nächste Action-Sequenz parat, sodass ein ruhiges Etablieren der verschiedenen Settings kaum möglich ist. So verkommen die einzelnen Szenarien zu bloßen Hintergründen, ein Eintauchen wird den Zuschauenden unnötig erschwert; und so fühlt sich am Ende ein Film von über 150 Minuten merkwürdig rastlos an. Und wenn man so viel im Film unterbringen möchte, dann findet natürlich auch so mancher Quatsch seinen Weg ins Werk: Aal-Attacken, ein trotz Brustschuss ewig weitermachender Indy oder ein des Schwimmens nicht fähiger Junge, der unter Wasser einen Hünen dem Tode weiht – all solche Szenen sorgen für Kopfschütteln. Natürlich dürfen sie – genau wie die Zeitreise – in einem solchen Film vorkommen (Indy begegnete schon immer dem Phantastischen), aber die Häufung lässt doch stutzen.
Apropos Zeitreise. Auf den ersten Blick ebenfalls etwas weit hergeholt, erweist sich dieses Element letztlich durchaus als Kondensat des Films. Denn es geht um Zeit. Es geht um das Altern Indys (und Harrison Fords), es geht um die Wirkung von Zeit auf Beziehungen (z.B. zu Marion) und es geht um die Beschäftigung mit anderen Zeiten im Zuge der Archäologie. Als der von Mads Mikkelsen gegebene Antagonist Voller versucht, die Zeit auszutricksen, misslingt ihm das und selbst Indy scheitert mit seinem Wunsch, in der Antike zu bleiben, an der Faust Helenas (Phoebe Waller-Bridge). Letztere darf nach dem quengelnden Sohnemann-Versuch Shia LaBeoufs in INDIANA JONES UND DAS KÖNIGREICH DES KRISTALLSCHÄDELS (2008) durchaus als gelungen angesehen werden, auch wenn ihre Toughness am Ende leider allzu häufig ihre einzige Eigenschaft bleibt.
Zum Ende seien noch einige warme Worte gestattet. John Williams‘ Score orientiert sich zwar bisweilen bis in die Details an den Vorgängern, macht damit aber natürlich nichts falsch. Und ganz generell gelingt es dem Film, großen Respekt vor den Vorgängern zu zeigen. Es gibt kleine Anspielungen, hin und wieder mal einen Scherz, aber es kommt zu keinen anmaßenden Kommentaren oder vorwitzigen Versuchen, Neues zu etablieren. Man kann das als Mutlosigkeit interpretieren, aber da die Reihe in Anbetracht des Alters des Hauptdarstellers hier ihren Abschluss findet, kann man es auch wohlwollender auffassen: Wohin sollten etwaige Neuerungen noch zielen, was sollen sie anstoßen? Mir jedenfalls gereicht der Film zu einem letzten wohligen Zusammentreffen mit Indy und die geradezu beiläufige Schlussszene sagt mir, das James Mangold genau dieses Ziel hatte.
Gangfilme haben häufig das Problem, sich entscheiden zu müssen, ob sie Actioner, Coming-of-Age-Streifen, Milieu-Studie oder Sonstwas sein wollen. Philip Kaufman, 1978 mittels seines erfolgreichen Remakes DIE KÖRPERFRESSER KOMMEN auf der Bildfläche erschienen, umschiffte dieses Fährnis 1979 mit THE WANDERERS, indem er sich eng an die Vorlage von Autor Richard Price hielt und zahlreiche verschiedene Schlaglichter auf das Leben der Jugendlichen in der New Yorker Bronx wirft; auch Price hatte diese Welt mithilfe zahlreicher Kurzgeschichten skizziert und sich nicht nur einem zentralen Handlungsstrang verpflichtet. Und so gelingt es dem von Kaufmans Frau Rose verfassten Drehbuch tatsächlich, viele der oben genannten Ansätze miteinander zu verquicken und so ein facettenreiches Bild entstehen zu lassen.
Das Leben der Wanderers erinnert zum Beispiel häufig an zeitgenössische Klamotten wie die EIS AM STIEL-Reihe. Richie versucht gerade Despie zu landen, während auf der Straße eine pubertär formulierte Beleidigung zu einer pedalen Verfolgungsjagd führt. Kurz drauf bepöbeln sich die Jungs in der Schule gegenseitig, bevor sie sich beim Versuch, Passantinnen zu begrapschen, ihrer Männlichkeit versichern. Strippoker und ähnliche Spielchen zeichnen das Bild einer unbeschwerten Jugend, voller Spaß und juveniler Verantwortungslosigkeit. Dem gegenüber steht jedoch das etablierte Gangbild, welches schnell auch Bedrohung und Brutalität einführt. Herrscht zwischen den Wanderers und den Del Bombers bzw. den Wongs noch eine zwar von Rassismus überschattete, aber dennoch auch von Respekt geprägte Rivalität, heben sich die Fordham Baldies aufgrund ihres Alters und ihres radikaleren, da geschorenen Aussehens (und natürlich auch Dank des grandiosen Erland Van Lidth an ihrer Spitze) schon deutlich ab. Richtig eindeutig wird die Härte dieser Straßengang-Welt aber erst, sobald die Ducky Boys auftreten. Diese kommen zwar ohne Uniform daher, verschmelzen dafür aber mit dem anonymen Graubraun der Straßen. Sie schrecken auch vor Morden nicht zurück und zwingen die übrigen Gangs so, sich zusammenzutun. Nur am Rande findet die organisierte Kriminalität Erwähnung; Despies Vater Chubby und seine Kumpane vertreten die klassischen Mafiosi, die zwar wie die juvenilen Gangs auch in (augenzwinkernder) Uniform auftreten, in einem kleinen Nebenplot aber zeigen, dass mit ihnen nicht zu spaßen ist.
Ansonsten erlaubt sich der Film keine Hauptfigur. Ja, Richie kommt dieser Position am nächsten, das Finale fasst aber ebenso Joeys Werdegang in den Blick. Es sind vielmehr die zahlreichen (und wie die beiden schon Erwähnten ebenfalls grandios gut gesetzten) Nebenrollen, die dem Film seinen Drive verleihen. Turkey giert nach der Achtung der Baldies, Nina verdrehte gleich Joey und Richie den Kopf und Peewee dient als Bindeglied zwischen den Gangs. Eine besondere Rolle kommt Tony Ganios als Perry zu. Dieser ist auffällig ruhig und sticht so aus dem Ensemble heraus. Seine Auftritte machen aus dem Streifen stets ein lakonisches New York-Drama, bei dem zerrüttete Familien und Perspektivlosigkeit im Mittelpunkt stehen. Perry unterstützt so trefflich die ohnehin breite Stil-Anlage des Films. Es ist nur folgerichtig, dass Kaufman im Finale gleich die Zukunft mehrerer Protagonisten skizziert und dazu Bob Dylans ewigen Klassiker The Times They Are A-Changin laufen lässt.
Und abschließend wäre ein Text über THE WANDERERS ohne eine Erwähnung des Soundtracks natürlich nicht vorstellbar. Dieser ist schlichtweg genial. Natürlich ist das bei einem Film, der die 60er widerspiegelt, grundsätzlich etwas einfacher, aber die Songauswahl passt eben trotzdem enorm gut zu den jeweiligen Sequenzen, die sich wie erwähnt eben doch in Sachen Stil und Stimmung teils deutlich unterscheiden. Walk Like a Man klingt zur Eröffnung eben auch nach Komödie, während Stand By Me bekanntlich rücksichtslos schmachtet. Bei Tequila möchte man auch gleich durch die Straßen rennen und bei Baby It’s You werden allerorten die Lippen in Bereitschaft gespitzt. Und über all dem schwebt Dions The Wanderer, ein schlichtweg mitreißender Hit – wie auch dieser Film.
Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels Indiana Jones and the Kingdom of the Crystal Skull | USA | 2008 IMDb, OFDb, Schnittberichte
Als Indy (Harrison Ford) erfährt, dass sein alter Freund Harold Oxley (John Hurt) verschwunden ist und die russische Agentin Irina Spalko (Cate Blanchett) für die Sowjetunion nach einem Kristallschädel sucht, der aufgrund seiner außerirdischen Herkunft über übernatürliche Kräfte verfügt, sieht er sich gezwungen, zusammen mit dem Draufgänger Mutt (Shia LaBeouf) nach Südamerika zu reisen, wo die beiden neben zahlreichen Gefahren auch ein gemeinsamer Nenner erwartet …
Nachdem INDIANA JONES UND DER LETZTE KREUZZUG (1989) wie schon die beiden Vorgänger bei Publikum und Kritik auf gleichermaßen euphorische Rezeption stieß, erschien eine Fortsetzung der Reihe um den Fedora-tragenden Abenteuer zwar stets sinnvoll, rückt jedoch zunächst in größere Ferne. Denn der Vertrag mit Harrison Ford sah drei Filme vor, weitere Absprachen gab es nicht und so gingen George Lucas, Steven Spielberg und Ford erst einmal ihrer Wege. Spielberg drehte mit HOOK (1991), JURASSIC PARK (1993) und SCHINDLERS LISTE (1993) einen Hit nach dem nächsten, während Lucas in sich ging und seine weitere Karriere in aller Ruhe plante. Und während er schon mit den Gedanken für eine Fortsetzung des STAR WARS-Universums schwanger ging, begab er sich ab 1993 gleichzeitig daran, die Modalitäten für eine Rückkehr von INDIANA JONES auszuloten.
Dazu kontaktierte er zahlreiche renommierte Autoren Hollywoods und ließ sich Entwürfe für ein mögliches Drehbuch schicken, darunter auch Jeffrey Boam, der bereits die Bücher zu Cronenbergs DEAD ZONE – DER ATTENTÄTER (1983), Dantes DIE REISE INS ICH (1987) und Schumachers THE LOST BOYS (1987) geschrieben hatte oder Frank Darabont, der mit seinen Arbeiten zu NIGHTMARE 3 – FREDDY KRUEGER LEBT (1987), DER BLOB (1988) oder DIE FLIEGE 2 – DIE GEBURT EINER NEUEN GENERATION (1989) auf sich aufmerksam gemacht hatte. Doch letztlich sollte es David Koepps Entwurf sein, der Lucas‘ Zuschlag erhielt. Koepp hatte zuvor die Drehbücher zu CARLITO’S WAY (1993) und JURASSIC PARK (1993) verfasst und nun erhielt er Unterstützung von Jeff Nathanson, der bis dato mit der Arbeit an der Romanadaption CATCH ME IF YOU CAN (2002) geglänzt hatte. In Zusammenarbeit mit George Lucas sollten Koepp und Nathanson dann den Nazi-jagenden Helden aus den frühen 40er Jahren in die späten 50er Jahre transportieren.
Indy: Ich habe da ein ganz mieses Gefühl!
Denn sowohl Fords fortgeschrittenes Alter (bei Drehbeginn immerhin 64 Jahre) als auch Spielbergs Unwille, nach SCHINDLERS LISTE einen weiteren Film mit Nationalsozialisten als Antagonisten zu drehen, sorgt dafür, dass das Franchise komplett umgekrempelt werden musste. Plötzlich sollte Indy in den plastikbunten 50er Jahren leben und sich mit den Sowjets auseinandersetzen müssen. Dieser Umschwung gelingt den Autoren gerade aufgrund der zahlreichen Zeitverweise durchaus ordentlich, auch wenn Jones in einer Welt voller Schmallocken und Kommunismus-Hysterie immer wieder mal fehl am Platz wirkt. Denn um die Figur gut integrieren zu können, begehen die Herren Autoren den folgenschweren Fehler, aus Indy einen Patrioten und Soldaten zu machen. Mehrfach wird auf seine militärische und geheimdienstliche Vergangenheit hingewiesen und so wird aus dem an Politika und Nationalität uninteressierten Idealisten plötzlich ein tief im Anti-Kommunismus-Sumpf steckender Sprücheklopfer. Die Weltoffenheit, die die Figur in den drei Vorgänger pflegte, geht hier weitgehend verloren und Hymnen auf Eisenhower runden diesen schlechten Eindruck vollends ab.
Der Rest der Geschichte scheitert vor allem an zahllosen Logik- und Anschlussfehlern. Man darf dabei nun nicht den Fehler begehen, einen Film der INDIANA JONES-Reihe allzu akkurat auf seine Logik hin zu prüfen, war es der Serie doch seit jeher eigen, zu Gunsten der Unterhaltung und der Spannung auf Zusammenhänge und Kausalitäten zu verzichten; der vierte Teil tut sich dabei jedoch besonders unrühmlich hervor. Das ewige Katz und Maus-Spiel zwischen Indy und den Russen, bei dem Jones seinen Gegnern ohne Zwang ein ums andere Mal die entscheidenden Hinweise gibt, ist streckenweise schlicht langweilig und sorgt für so manches Kopfschütteln. Gleiches gilt für das Finale, bei dem der Film das ebenfalls Franchise-konforme Übernatürliche schlicht übertreibt und mit einem böse stierenden Alien weit über die Stränge schlägt.
Wenn Mutt sich dann noch mit Affen durch den Dschungel schwingt, Indy an Schlangen aus Treibsandlöchern gezogen wird oder Kühlschränke Atomexplosionen vergessen machen, ist dem Film der Hohn der Zuschauerschaft sicher. Das ist umso trauriger, als dass der Streifen auch durchaus seine Momente hat. Wenn Indy sich mit Marion wieder zusammenrauft während er im Lichte der zerrissenen Plane eines LKWs steht oder wenn Anspielungen auf die Charaktere Henry Jones Sr. oder Marcus Brody fallen, stiehlt sich sogleich ein Lächeln auf das Gesicht eines jeden Fans der Reihe. Und auch wenn in der Post-Final-Sequenz das Aufsetzen des Fedora durch Mutt (und somit eine unmittelbare Positionierung von Shia LaBeouf als Ford-Nachfolger) jäh durch Indy unterbrochen wird, beweisen Lucas und Spielberg durchaus, dass sie die Regeln des INDIANA JONES-Universums nach wie vor beherrschen. Leider sind diese gelungenen Momente aber rar gesät und gleichzeitig sehen sie sich einer Übermacht aus unpassenden oder unstimmigen Elementen gegenüber.
Mutt: Für so einen alten Mann kämpfen sie gar nicht schlecht.
Kaum daran schuld ist Harrison Ford, der auch als alternder Archäologe eine gute Figur macht und seine Rolle mit einer ordentlichen Portion an selbstreferentiellem Charme (der ausdrücklich von Ford gewünscht war) gibt. Für die dämlichen politischen Ansichten, die seiner Rolle zugedacht wurde, kann Ford nichts und seine Darbietungen erfüllen die Wünsche der Fans somit ohne weiteres. Gleiches kann man von Karen Allen leider nur bedingt behaupten, die im Vergleich zu ihrem wahrlich großartigen Auftritt in JÄGER DES VERLORENEN SCHATZES (1981) hier doch deutlich abfällt. Zu blass, zu charakterlos dient Allen häufig nur als Sidekick für ein paar flotte Sprüche Indys. Ein Hauptgrund für diese Entwicklung dürfte Spielbergs Protegé Shia LaBeouf sein, der hier als Mutt Williams eine durchaus streitbare Rolle einnimmt. Der seit TRANSFORMERS (2007) weltbekannte LaBeouf dient dabei meist als verbaler Kontrahent Fords und zeichnet somit für die meisten – wenn auch wahrlich nicht immer gelungenen – Gags bezüglich dessen Alters und Auftreten verantwortlich. Kate Blanchett schließlich sorgt als Oberst Irina Spalko für eine ordentliche Antagonistin, auch wenn ihre Figur letztlich überwiegend austauschbar bleibt.
Keine Frage offen lässt der Film in Sachen Inszenierung, denn Spielberg weiß nach wie vor, wie er für gelungene Unterhaltung sorgt. Trotz der zahllosen inhaltlichen Fransen gibt er dem Film einen stringenten Anstrich und sorgt zusammen mit Kameramann Janusz Kaminski, mit dem er schon bei SCHINDLERS LISTE und DER SOLDAT JAMES RYAN (1998) zusammenarbeitete, für tolle Bilder. Kaminski orientiert sich dabei eng an jenem Stil, den Kameramann Douglas Slocombe für die ersten drei Filme kreiert hatte, und sorgt somit für eine relativ hohe Heimeligkeit bezüglich der Optik. Beschädigt wird der folglich gute visuelle Eindruck (der Film wurde entgegen der aktuellen Entwicklungen noch auf physischen Filmmaterial gedreht) nur durch diverse CGI-Sequenzen, die erstaunlich offensichtlich auffallen. Die Autoverfolgung im Dschungel, diverse Tiere und Menschen oder auch die finale Sequenz können ihre digitale Herkunft kaum verbergen und brechen somit teils deutlich mit dem grundsätzlich ordentlichen Look des Films. Einige schöne Kulissen und Sets entschädigen allerdings für diese missratenen Einstellungen.
Marion: Du hattest bestimmt eine Menge Frauen in all den Jahren … Indy: Stimmt, doch sie hatten alle das gleiche Problem. Sie waren nicht du, Schatz!
Ganz ohne Frage gelungen ist hingegen wieder Mal John Williams Soundtrack, der auf Grundlage des weltbekannten Themas einige treffliche Variationen aufweist. Der Schädel und Mutt bekommen eigene Stücke, während das Titelthema dezent, aber stets stimmig neuarrangiert wurde. Vor allem die Verwendung bekannter Elemente aus den Vorgängerfilmen zeugt dabei von Feingefühl, zum Beispiel beim Auftauchen der Bundeslade oder der Erwähnung von Indys Vater und Brody. So erstaunt es beinahe schon, dass Williams, der für seine ersten drei Beiträge zur Reihe stets einen Academy Award erhielt, dieses Mal ohne eine solche Auszeichnung auskommen muss. An seiner durchweg überzeugenden Arbeit, kann das jedoch auch nichts ändern.
Wie zu erwarten wurde der Film dann mit einem weltweiten Einspielergebnis von rund 800 Millionen US-Dollar zum finanziell betrachtet erfolgreichsten Teil der Reihe; zumindest was die absoluten Zahlen angeht, denn da JÄGER DES VERLORENEN SCHATZES nur ein Zehntel des Budgets benötigte, ist dessen Einspielergebnis, ebenso wie das der beiden Nachfolger, in der Relation betrachtet weitaus größer. Und wie ebenfalls zu erwarten sah er sich einer Rezeption gegenüber, die kaum ein gutes Haar an dem Film ließ. Sowohl Kritik als auch Publikum waren sich weitgehend einig, dass er weit hinter den drei Vorgängern zurücksteht und nur wenige Stimmen trauten sich, den Streifen nicht vollends zu verteufeln. Und tatsächlich fällt es schwer, die positiven Aspekte von INDIANA JONES UND DAS KÖNIGREICH DES KRISTALLSCHÄDELS derart weit in den Vordergrund zu rücken, als das sie die Negativa übertünchen könnten. Aber auch ohne daran zu rütteln, dass es sich bei INDIANA JONES‘ viertem Auftritt um seinen mit Abstand schlechtesten handelt, kann man anerkennen, dass auch dieser Film seine Momente hat. Und für Fans, die 19 Jahre auf einen weiteren Auftritt ihres Helden warten mussten, das ist doch auch schon etwas …
Auch wenn es sich bei Indys viertem Auftritt ohne Frage um seinen mit Abstand schlechtesten handelt, bietet der Streifen für Fans der Reihe doch einige Momente, die begeistern können. Leider steht diesen raren Situationen eine Phalanx aus Unsinnigem oder gar Dämlichem gegenüber, die immer wieder für Ärger sorgt. Formal gibt es dagegen nichts zu meckern und über weite Strecken greifen Optik und Akustik den Stil der Vorgänger gekonnt auf. So bleibt es letztlich Geschmackssache, was man von diesem Werk hält, aber einen kleinen Platz sollte der Film in den Herzen der Indy-Fans eigentlich ergattern können.
Jäger des verlorenen Schatzes
Raiders of the Lost Ark | USA | 1981 IMDb, OFDb, Schnittberichte
Der Abenteurer und Archäologe Indiana Jones (Harrison Ford) bekommt 1936 den Auftrag, sich auf die Suche nach der verlorenen Bundeslade zu begeben. Denn eine Abordnung der Nazis ist unter Leitung des französischen Archäologen Dr. René Belloq (Pauil Freeman) ebenfalls auf der Suche nach diesem Artefakt und möchte dessen Kräfte im Kampf um die Weltherrschaft für sich nutzen.
Indiana Jones (Harrison Ford)
Marion Ravenwood (Karen Allen)
1977 schlug der von George Lucas geschriebene und gedrehte KRIEG DER STERNE ein wie eine Bombe und machte aus dem US-Amerikaner einen der begehrtesten Filmschaffenden jener Tage. Daraufhin flog Lucas erst einmal nach Hawaii um sich dort einige Zeit vom Medienrummel um den erfolgreichen Sci-Fi-Streifen zu erholen. Dort traf er Steven Spielberg, der sich nach dem sehr erfolgreichen UMHEIMLICHE BEGEGNUNG DER DRITTEN ART (1977) und dem eher durchwachsen rezipierten 1941 – WO BITTE GEHT’S NACH HOLLYWOOD (1979) ebenfalls ein wenig Zerstreuung auf dem Eiland Maui gönnte. Eines gemütlichen Abends erzählt Spielberg Lucas von seinem seit langer Zeit gehegten Wunsch, einen JAMES BOND-Film zu drehen, worauf Lucas mit einem kaum ablehnbaren Alternativangebot konterte: schon vor den Dreharbeiten zu KRIEG DER STERNE hatte er mit dem Drehbuchautoren Philip Kaufman, der seit 1979 dann als Regisseur des Krachers THE WANDERERS einiges an Renommee inne hatte, an einem frühen Draft um einen Film um einen Archäologen gearbeitet, der wilde Abenteuer gegen die Nazis bestehen sollte.
Da Lucas selbst jedoch alle Hände voll mit DAS IMPERIUM SCHLÄGT ZURÜCK (1980) zu tun hatte, bot er Spielberg die Regie an dem geplanten Abenteuerfilm an. Dieser sagte zu und etwa zeitgleich konnte man Lawrence Kasdan verpflichten, der das frühe Skript von Kaufman zu einem fertigen Drehbuch weiterverarbeiten sollte. Doch tatsächlich sollte diese Arbeit noch drei weitere Jahre in Anspruch nehmen; eine Zeit, die Lucas nutzen konnte, um einerseits Paramount Pictures ein Budget von rund 18 Millionen US-Dollar abzutrotzen und andererseits eine Besetzung für die zunächst noch mit dem Nachnamen Smith versehen Hauptrolle zu finden.
Belloq: Wo sonst sollte ich jemanden finden, der sich so nahe an meinem Niveau befindet wie Sie Indy: Suchen Sie doch in der hiesigen Kloake!
Neben Tim Matheson und Peter Coyote war es dann vor allem Tom Selleck, der es Spielberg und Lucas angetan hatte. Doch da dieser einen festen Vertrag bei der Fernsehserie MAGNUM hatte, war eine Verpflichtung unmöglich. So rückte dann Harrison Ford in den Mittelpunkt der Bemühungen, obwohl es vor allem Lucas war, der dessen Engagement gerne verhindert hätte. Lucas fürchtete durch den fortwährenden Einsatz Fords in seinen Filmen einen gewissen Abnutzungseffekt beim Publikum. Tatsächlich war Ford schon in Lucas‘ früher Regiearbeit AMERICAN GRAFFITI (1973) zu sehen gewesen und hatte sich in KRIEG DER STERNE und DAS IMPERIUM SCHLÄGT ZURÜCK mittlerweile als Gesicht etabliert. Lucas fürchtete bei einer weiteren Hauptrolle Fords eine Vermischung seiner Franchises und war letztlich erst durch Sellecks Absage umzustimmen; eine Entscheidung die er nicht bereuen sollte.
Während der Dreharbeiten
Während der Dreharbeiten
Denn tatsächlich füllt Harrison Ford die Rolle des toughen Archäologen Indiana Jones ebenso passgenau aus, wie die des interstellaren Draufgängers Han Solo. Die Figur orientiert sich ebenso wie der gesamte Film an den kostengünstigen Kinoserials der 30er und 40er Jahre, die ebenfalls schmissige Heldentypen in eskapistische Träumereien beflügelnde Gegenden schickten. Und so ist auch Indiana Jones eine Figur, die hinter der gepflegten Tätigkeit als Dozent am Barnett College ein Dasein als Draufgänger und Haudegen führt. Dabei ist der Charakter im Gegensatz zu den oftmals realistischen Actionhelden der beginnenden 80er Jahre deutlich augenzwinkernder abgelegt. Stets hat er einen humorvollen Scherz parat oder entspannt eine Szene durch ein schelmisches Grinsen. Gleichzeitig ist er aber geschickt und immer Herr der Lage. Wie die Geschichte selbst, dient die Figur so vor allem der Unterhaltung, weniger der Befriedigung etwaiger Vorstellungen von Männlichkeit oder sonstiger elementarer Eigenschaften prototypischer 80er-Helden.
Major Toht: So treffen wir uns also wieder, Fräulein. Ja, Ihr Amerikaner, ihr seid doch alle gleich: Niemals richtig gekleidet für die passende Gelegenheit.
Gleiches gilt für die Storyline. Kaufman, Kasdan, Spielberg und Lucas zielen hier mitnichten auf eine logische oder dramatische, sondern einzig und allein auf eine unterhaltsame Geschichte ab. Bester Anhaltspunkt dafür ist die Tatsache, dass die Figur des Indiana Jones für den Verlauf der Handlung kaum Bedeutung besitzt. Auch ohne sein Eingreifen würden die Nazis die Bundeslade finden, bergen und auf die kleine Insel bringen, wo sie dann von selbiger dahingerafft werden. Das fällt aber im Film kaum auf, weil das Skript es wie nur wenig andere schafft, ein völlig bruchloses Voranschreiten der Handlung zu gewährleisten. Es gibt keine Pausen, keine Entspannung, ständig geht es vorwärts. Scheint eine Situation bewältigt, steht die nächste schon vor der Tür. So vergehen nicht nur die zwei Stunden Spielzeit wie im Flug, sondern so schafft es das Skript auch, jegliche Logiklöcher und Anschlussfehler spielend zu kaschieren.
Daran nicht unbeteiligt ist auch Steven Spielberg, der ein weiteres Mal beweist, dass er ein Könner auf dem Regiestuhl ist und der mit seiner unglaublich straihten Regie ebenfalls großen Anteil an dem hohen Tempo hat, das der Film an den Tag legt. Schon die Exposition im Hovitotempel stiehlt dem Zuschauer den Atem und auf genau diesem Niveau bleibt die Inszenierung bis zum grandiosen Finale. Der alteingesessene Hollywood-Kameramann Douglas Slocombe versorgt Spielberg dabei mit gekonnten Einstellungen, die die immer wieder wundervollen Sets und Kulissen trefflich und verspielt einfangen.
Während der Dreharbeiten
Während der Dreharbeiten
Denn auch in Sachen Ausstattung braucht sich der Streifen keineswegs zu verstecken. Egal ob Grabmal-Kulissen oder zahlreiche Außenaufnahmen in Tunesien, der Film versprüht Abenteuer-Charme wo es nur geht. Dschungel, Wüsten, Katakomben und nordafrikanische Altstädte, das alles sieht prächtig aus und fügt sich stimmig zusammen. Dazu gibt es zahlreiche schöne Modelle und Miniaturen, die bei den Spezialeffekten Anwendung finden. Für die zeichnet natürlich George Lucas‘ Effektschmiede Industrial Light & Magic verantwortlich, die hier beweisen kann, dass sie auch abseits von Sci-Fi-Abenteuern gekonnte und stimmige Spezialeffekte produzieren kann.
Neben Harrison Ford ist es dann vor allem Karen Allen, die bezüglich der Schauspielerei groß auftrumpfen kann. Bis dato vornehmlich aufgrund ihrer Hauptrolle in Kaufmans THE WANDERERS bekannt (ob Kaufman Allen auch ans Set von JÄGER DES VERLORENEN SCHATZES brachte ist hingegen unbekannt), liefert die US-Amerikanerin hier eine beeindruckende Leistung als starke und selbstbewusste Marion Ravenwood ab. Sie bietet Ford stets Paroli und ist auch den Antagonisten des Films immer gewachsen. Auf deren Seite muss vor allem Paul Freeman genannt werden, der als schmieriger Belloq zu Höchstform aufläuft. Für Freeman bedeutete diese erste große Spielfilmrolle den Durchbruch und tatsächlich hat er sich diesen mit seiner Darbietung mehr als verdient.
Marion: Du bist nicht der Mann, den ich vor zehn Jahren kennengelernt habe. Indy: Das sind nicht die Jahre, Schätzchen, das ist Materialverschleiß.
Aber auch in den kleineren (oftmals parodischen) Rollen ist der Film prächtig besetzt. Altstar Denholm Elliott erlangte als Indys väterlicher Freund Marcus Brody nochmal einiges an Bekanntheit und John Rhys-Davies sollte hier als grandioser Sallah die Grundlage für eine beeindruckende Karriere in unzähligen B-Reißern legen. Der Deutsche Wolf Kahler gibt einen humorvoll-überzeichneten Colonel Dietrich (für dessen Besetzung zunächst Klaus Kinski vorgesehen war, der allerdings aufgrund besserer Verdienstmöglichkeiten die Hauptrolle in DIE SCHWARZE MAMBA (1981) bevorzugte), während Ronald Lacey als völlig abstruser Major Arnold Toht brilliert. All diesen Rollen merkt man übrigens die eng mit der Ausrichtung der Handlung verbundene Hauptaufgabe an, ohne Rücksicht auf Sinn und Korrektheit zu unterhalten. Da faltet dann der rücksichtslose Toht dann schon mal seinen vermeintlichen Nunchaku zum Kleiderbügel.
Deutsches Aushangfoto
Deutsches Aushangfoto
Auf Bewährtes setzt Spielberg dann in Sachen Ton und engagierte erneut John Williams, der bereits seine Werke DER WEIßE HAI (1975) und UNHEIMLICHE BEGEGNUNG DER DRITTEN ART sowie Lucas‘ KRIEG DER STERNE mit passenden Klängen versehen hatte. Und auch hier schuf Williams wieder ein Thema, welches ohne Umwege in die Filmgeschichte eingehen sollte und noch bis heute zu den bekanntesten und beliebtesten Filmmusiken zählt. Aber auch abseits der eigentlichen Stücke verpasst Williams dem Film einen Klang, der stets eng mit den Geschehnissen korrespondiert und mit massig Streichern und Bläsern für Furore sorgt.
Belloq: Dr. Jones, da zeigt sich wieder ganz klar, dass Sie nichts besitzen können, was ich Ihnen nicht wegnehmen kann!
Mit seiner unglaublich flotten Unterhaltung und seinem charmanten Augenzwinkern wurde der Film dann mit rund 400 Millionen US-Dollar an weltweitem Einspielergebnis zum großen Abräumer des Kinosommers 1981 und ein Jahr später sahnte er dann vier Academy Awards (Bestes Szenebild, Beste visuelle Effekte, Bester Schnitt, Bester Ton) ab. Die Figur des Indiana Jones wurde über Nacht zu einem popkulturellen Phänomen und selbst einzelne ihrer Handlungen (zum Beispiel das Entfernen von etwas überschüssigem Sand aus dem Tauschgewicht für die Götzenfigur) gingen in die Popkultur ein und werden bis heute referiert. Lucas und Spielberg schufen mit JÄGER DES VERLORENEN SCHATZES eine auf perfekte Unterhaltung getrimmte Renaissance des klassischen Abenteuerkinos und nebenbei einen der besten Filme dieses Genres überhaupt. Mit INDIANA JONES UND DER TEMPEL DES TODES (1984), INDIANA JONES UND DER LETZTE KREUZZUG (1989) und dem Nachzügler INDIANA JONES UND DAS KÖNIGREICH DES KRISTALLSCHÄDELS (2008) sollten noch drei Fortsetzungen folgen, die diesen Ruf (überwiegend) bekräftigten. JÄGER DES VERLORENEN SCHATZES gehört somit zu den ganz großen Meisterwerken des US-Kinos der frühen 80er Jahre und wenn Indy mal wieder zu Williams Klängen die kleine Statue vom Sockel reißt, dann weiß man auch, warum das so ist!
Indy bei der Arbeit
Die Bundeslade in Aktion
Indys erster Auftritt definiert den Abenteuerfilm neu und sorgt mit seiner grandiosen Inszenierung und einer perfekten Besetzung über seine gesamte Spielzeit hinweg für ebenso furiose wie augenzwinkernde Unterhaltung. Die Figur Indiana Jones und John Williams Score gingen in die Filmgeschichte ein und auch heute noch gehört der Streifen zum Besten, was es im Bereich Abenteuerfilm zu sehen gibt.