Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels
Indiana Jones and the Kingdom of the Crystal Skull | USA | 2008
IMDb, OFDb, Schnittberichte
Als Indy (Harrison Ford) erfährt, dass sein alter Freund Harold Oxley (John Hurt) verschwunden ist und die russische Agentin Irina Spalko (Cate Blanchett) für die Sowjetunion nach einem Kristallschädel sucht, der aufgrund seiner außerirdischen Herkunft über übernatürliche Kräfte verfügt, sieht er sich gezwungen, zusammen mit dem Draufgänger Mutt (Shia LaBeouf) nach Südamerika zu reisen, wo die beiden neben zahlreichen Gefahren auch ein gemeinsamer Nenner erwartet …
Nachdem INDIANA JONES UND DER LETZTE KREUZZUG (1989) wie schon die beiden Vorgänger bei Publikum und Kritik auf gleichermaßen euphorische Rezeption stieß, erschien eine Fortsetzung der Reihe um den Fedora-tragenden Abenteuer zwar stets sinnvoll, rückt jedoch zunächst in größere Ferne. Denn der Vertrag mit Harrison Ford sah drei Filme vor, weitere Absprachen gab es nicht und so gingen George Lucas, Steven Spielberg und Ford erst einmal ihrer Wege. Spielberg drehte mit HOOK (1991), JURASSIC PARK (1993) und SCHINDLERS LISTE (1993) einen Hit nach dem nächsten, während Lucas in sich ging und seine weitere Karriere in aller Ruhe plante. Und während er schon mit den Gedanken für eine Fortsetzung des STAR WARS-Universums schwanger ging, begab er sich ab 1993 gleichzeitig daran, die Modalitäten für eine Rückkehr von INDIANA JONES auszuloten.
Dazu kontaktierte er zahlreiche renommierte Autoren Hollywoods und ließ sich Entwürfe für ein mögliches Drehbuch schicken, darunter auch Jeffrey Boam, der bereits die Bücher zu Cronenbergs DEAD ZONE – DER ATTENTÄTER (1983), Dantes DIE REISE INS ICH (1987) und Schumachers THE LOST BOYS (1987) geschrieben hatte oder Frank Darabont, der mit seinen Arbeiten zu NIGHTMARE 3 – FREDDY KRUEGER LEBT (1987), DER BLOB (1988) oder DIE FLIEGE 2 – DIE GEBURT EINER NEUEN GENERATION (1989) auf sich aufmerksam gemacht hatte. Doch letztlich sollte es David Koepps Entwurf sein, der Lucas‘ Zuschlag erhielt. Koepp hatte zuvor die Drehbücher zu CARLITO’S WAY (1993) und JURASSIC PARK (1993) verfasst und nun erhielt er Unterstützung von Jeff Nathanson, der bis dato mit der Arbeit an der Romanadaption CATCH ME IF YOU CAN (2002) geglänzt hatte. In Zusammenarbeit mit George Lucas sollten Koepp und Nathanson dann den Nazi-jagenden Helden aus den frühen 40er Jahren in die späten 50er Jahre transportieren.
Indy: Ich habe da ein ganz mieses Gefühl!
Denn sowohl Fords fortgeschrittenes Alter (bei Drehbeginn immerhin 64 Jahre) als auch Spielbergs Unwille, nach SCHINDLERS LISTE einen weiteren Film mit Nationalsozialisten als Antagonisten zu drehen, sorgt dafür, dass das Franchise komplett umgekrempelt werden musste. Plötzlich sollte Indy in den plastikbunten 50er Jahren leben und sich mit den Sowjets auseinandersetzen müssen. Dieser Umschwung gelingt den Autoren gerade aufgrund der zahlreichen Zeitverweise durchaus ordentlich, auch wenn Jones in einer Welt voller Schmallocken und Kommunismus-Hysterie immer wieder mal fehl am Platz wirkt. Denn um die Figur gut integrieren zu können, begehen die Herren Autoren den folgenschweren Fehler, aus Indy einen Patrioten und Soldaten zu machen. Mehrfach wird auf seine militärische und geheimdienstliche Vergangenheit hingewiesen und so wird aus dem an Politika und Nationalität uninteressierten Idealisten plötzlich ein tief im Anti-Kommunismus-Sumpf steckender Sprücheklopfer. Die Weltoffenheit, die die Figur in den drei Vorgänger pflegte, geht hier weitgehend verloren und Hymnen auf Eisenhower runden diesen schlechten Eindruck vollends ab.
Der Rest der Geschichte scheitert vor allem an zahllosen Logik- und Anschlussfehlern. Man darf dabei nun nicht den Fehler begehen, einen Film der INDIANA JONES-Reihe allzu akkurat auf seine Logik hin zu prüfen, war es der Serie doch seit jeher eigen, zu Gunsten der Unterhaltung und der Spannung auf Zusammenhänge und Kausalitäten zu verzichten; der vierte Teil tut sich dabei jedoch besonders unrühmlich hervor. Das ewige Katz und Maus-Spiel zwischen Indy und den Russen, bei dem Jones seinen Gegnern ohne Zwang ein ums andere Mal die entscheidenden Hinweise gibt, ist streckenweise schlicht langweilig und sorgt für so manches Kopfschütteln. Gleiches gilt für das Finale, bei dem der Film das ebenfalls Franchise-konforme Übernatürliche schlicht übertreibt und mit einem böse stierenden Alien weit über die Stränge schlägt.
Wenn Mutt sich dann noch mit Affen durch den Dschungel schwingt, Indy an Schlangen aus Treibsandlöchern gezogen wird oder Kühlschränke Atomexplosionen vergessen machen, ist dem Film der Hohn der Zuschauerschaft sicher. Das ist umso trauriger, als dass der Streifen auch durchaus seine Momente hat. Wenn Indy sich mit Marion wieder zusammenrauft während er im Lichte der zerrissenen Plane eines LKWs steht oder wenn Anspielungen auf die Charaktere Henry Jones Sr. oder Marcus Brody fallen, stiehlt sich sogleich ein Lächeln auf das Gesicht eines jeden Fans der Reihe. Und auch wenn in der Post-Final-Sequenz das Aufsetzen des Fedora durch Mutt (und somit eine unmittelbare Positionierung von Shia LaBeouf als Ford-Nachfolger) jäh durch Indy unterbrochen wird, beweisen Lucas und Spielberg durchaus, dass sie die Regeln des INDIANA JONES-Universums nach wie vor beherrschen. Leider sind diese gelungenen Momente aber rar gesät und gleichzeitig sehen sie sich einer Übermacht aus unpassenden oder unstimmigen Elementen gegenüber.
Mutt: Für so einen alten Mann kämpfen sie gar nicht schlecht.
Kaum daran schuld ist Harrison Ford, der auch als alternder Archäologe eine gute Figur macht und seine Rolle mit einer ordentlichen Portion an selbstreferentiellem Charme (der ausdrücklich von Ford gewünscht war) gibt. Für die dämlichen politischen Ansichten, die seiner Rolle zugedacht wurde, kann Ford nichts und seine Darbietungen erfüllen die Wünsche der Fans somit ohne weiteres. Gleiches kann man von Karen Allen leider nur bedingt behaupten, die im Vergleich zu ihrem wahrlich großartigen Auftritt in JÄGER DES VERLORENEN SCHATZES (1981) hier doch deutlich abfällt. Zu blass, zu charakterlos dient Allen häufig nur als Sidekick für ein paar flotte Sprüche Indys. Ein Hauptgrund für diese Entwicklung dürfte Spielbergs Protegé Shia LaBeouf sein, der hier als Mutt Williams eine durchaus streitbare Rolle einnimmt. Der seit TRANSFORMERS (2007) weltbekannte LaBeouf dient dabei meist als verbaler Kontrahent Fords und zeichnet somit für die meisten – wenn auch wahrlich nicht immer gelungenen – Gags bezüglich dessen Alters und Auftreten verantwortlich. Kate Blanchett schließlich sorgt als Oberst Irina Spalko für eine ordentliche Antagonistin, auch wenn ihre Figur letztlich überwiegend austauschbar bleibt.
Keine Frage offen lässt der Film in Sachen Inszenierung, denn Spielberg weiß nach wie vor, wie er für gelungene Unterhaltung sorgt. Trotz der zahllosen inhaltlichen Fransen gibt er dem Film einen stringenten Anstrich und sorgt zusammen mit Kameramann Janusz Kaminski, mit dem er schon bei SCHINDLERS LISTE und DER SOLDAT JAMES RYAN (1998) zusammenarbeitete, für tolle Bilder. Kaminski orientiert sich dabei eng an jenem Stil, den Kameramann Douglas Slocombe für die ersten drei Filme kreiert hatte, und sorgt somit für eine relativ hohe Heimeligkeit bezüglich der Optik. Beschädigt wird der folglich gute visuelle Eindruck (der Film wurde entgegen der aktuellen Entwicklungen noch auf physischen Filmmaterial gedreht) nur durch diverse CGI-Sequenzen, die erstaunlich offensichtlich auffallen. Die Autoverfolgung im Dschungel, diverse Tiere und Menschen oder auch die finale Sequenz können ihre digitale Herkunft kaum verbergen und brechen somit teils deutlich mit dem grundsätzlich ordentlichen Look des Films. Einige schöne Kulissen und Sets entschädigen allerdings für diese missratenen Einstellungen.
Marion: Du hattest bestimmt eine Menge Frauen in all den Jahren …
Indy: Stimmt, doch sie hatten alle das gleiche Problem. Sie waren nicht du, Schatz!
Ganz ohne Frage gelungen ist hingegen wieder Mal John Williams Soundtrack, der auf Grundlage des weltbekannten Themas einige treffliche Variationen aufweist. Der Schädel und Mutt bekommen eigene Stücke, während das Titelthema dezent, aber stets stimmig neuarrangiert wurde. Vor allem die Verwendung bekannter Elemente aus den Vorgängerfilmen zeugt dabei von Feingefühl, zum Beispiel beim Auftauchen der Bundeslade oder der Erwähnung von Indys Vater und Brody. So erstaunt es beinahe schon, dass Williams, der für seine ersten drei Beiträge zur Reihe stets einen Academy Award erhielt, dieses Mal ohne eine solche Auszeichnung auskommen muss. An seiner durchweg überzeugenden Arbeit, kann das jedoch auch nichts ändern.
Wie zu erwarten wurde der Film dann mit einem weltweiten Einspielergebnis von rund 800 Millionen US-Dollar zum finanziell betrachtet erfolgreichsten Teil der Reihe; zumindest was die absoluten Zahlen angeht, denn da JÄGER DES VERLORENEN SCHATZES nur ein Zehntel des Budgets benötigte, ist dessen Einspielergebnis, ebenso wie das der beiden Nachfolger, in der Relation betrachtet weitaus größer. Und wie ebenfalls zu erwarten sah er sich einer Rezeption gegenüber, die kaum ein gutes Haar an dem Film ließ. Sowohl Kritik als auch Publikum waren sich weitgehend einig, dass er weit hinter den drei Vorgängern zurücksteht und nur wenige Stimmen trauten sich, den Streifen nicht vollends zu verteufeln. Und tatsächlich fällt es schwer, die positiven Aspekte von INDIANA JONES UND DAS KÖNIGREICH DES KRISTALLSCHÄDELS derart weit in den Vordergrund zu rücken, als das sie die Negativa übertünchen könnten. Aber auch ohne daran zu rütteln, dass es sich bei INDIANA JONES‘ viertem Auftritt um seinen mit Abstand schlechtesten handelt, kann man anerkennen, dass auch dieser Film seine Momente hat. Und für Fans, die 19 Jahre auf einen weiteren Auftritt ihres Helden warten mussten, das ist doch auch schon etwas …
Auch wenn es sich bei Indys viertem Auftritt ohne Frage um seinen mit Abstand schlechtesten handelt, bietet der Streifen für Fans der Reihe doch einige Momente, die begeistern können. Leider steht diesen raren Situationen eine Phalanx aus Unsinnigem oder gar Dämlichem gegenüber, die immer wieder für Ärger sorgt. Formal gibt es dagegen nichts zu meckern und über weite Strecken greifen Optik und Akustik den Stil der Vorgänger gekonnt auf. So bleibt es letztlich Geschmackssache, was man von diesem Werk hält, aber einen kleinen Platz sollte der Film in den Herzen der Indy-Fans eigentlich ergattern können.
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Oh Mann, was habe ich den gehasst, als er herausgekommen ist. Die Hauptgründe hast du in deinem Artikel genannt. Wahrscheinlich hat mich aber auch die (überwiegend) negative Publicity im Vorfeld dieses Films negativ gegen ihn eingestellt.
Ich sollte ihn mir bei Gelegenheit noch einmal mit ein wenig Abstand anschauen und überprüfen, ob sich an meiner Meinung etwas geändert hat. Denn seine Momente hat der Film ja durchaus. Ich finde zum Beispiel die Kühlschrank-Episode herrlich in ihrer Überzogenheit!
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Wie du schon sagst: die negative Berichterstattung während der Produktion und der allgemeine Unwille späten Sequels gegenüber hat den Streifen unter einen schlechten Stern gestellt. Gib ihm noch ’ne Chance, vielleicht wird es bei dir ja auch besser; bei der Erstsichtung war ich nämlich auch noch deutlicher enttäuschter.
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