Jäger des verlorenen Schatzes
Raiders of the Lost Ark | USA | 1981
IMDb, OFDb, Schnittberichte
Der Abenteurer und Archäologe Indiana Jones (Harrison Ford) bekommt 1936 den Auftrag, sich auf die Suche nach der verlorenen Bundeslade zu begeben. Denn eine Abordnung der Nazis ist unter Leitung des französischen Archäologen Dr. René Belloq (Pauil Freeman) ebenfalls auf der Suche nach diesem Artefakt und möchte dessen Kräfte im Kampf um die Weltherrschaft für sich nutzen.
1977 schlug der von George Lucas geschriebene und gedrehte KRIEG DER STERNE ein wie eine Bombe und machte aus dem US-Amerikaner einen der begehrtesten Filmschaffenden jener Tage. Daraufhin flog Lucas erst einmal nach Hawaii um sich dort einige Zeit vom Medienrummel um den erfolgreichen Sci-Fi-Streifen zu erholen. Dort traf er Steven Spielberg, der sich nach dem sehr erfolgreichen UMHEIMLICHE BEGEGNUNG DER DRITTEN ART (1977) und dem eher durchwachsen rezipierten 1941 – WO BITTE GEHT’S NACH HOLLYWOOD (1979) ebenfalls ein wenig Zerstreuung auf dem Eiland Maui gönnte. Eines gemütlichen Abends erzählt Spielberg Lucas von seinem seit langer Zeit gehegten Wunsch, einen JAMES BOND-Film zu drehen, worauf Lucas mit einem kaum ablehnbaren Alternativangebot konterte: schon vor den Dreharbeiten zu KRIEG DER STERNE hatte er mit dem Drehbuchautoren Philip Kaufman, der seit 1979 dann als Regisseur des Krachers THE WANDERERS einiges an Renommee inne hatte, an einem frühen Draft um einen Film um einen Archäologen gearbeitet, der wilde Abenteuer gegen die Nazis bestehen sollte.
Da Lucas selbst jedoch alle Hände voll mit DAS IMPERIUM SCHLÄGT ZURÜCK (1980) zu tun hatte, bot er Spielberg die Regie an dem geplanten Abenteuerfilm an. Dieser sagte zu und etwa zeitgleich konnte man Lawrence Kasdan verpflichten, der das frühe Skript von Kaufman zu einem fertigen Drehbuch weiterverarbeiten sollte. Doch tatsächlich sollte diese Arbeit noch drei weitere Jahre in Anspruch nehmen; eine Zeit, die Lucas nutzen konnte, um einerseits Paramount Pictures ein Budget von rund 18 Millionen US-Dollar abzutrotzen und andererseits eine Besetzung für die zunächst noch mit dem Nachnamen Smith versehen Hauptrolle zu finden.
Belloq: Wo sonst sollte ich jemanden finden, der sich so nahe an meinem Niveau befindet wie Sie
Indy: Suchen Sie doch in der hiesigen Kloake!
Neben Tim Matheson und Peter Coyote war es dann vor allem Tom Selleck, der es Spielberg und Lucas angetan hatte. Doch da dieser einen festen Vertrag bei der Fernsehserie MAGNUM hatte, war eine Verpflichtung unmöglich. So rückte dann Harrison Ford in den Mittelpunkt der Bemühungen, obwohl es vor allem Lucas war, der dessen Engagement gerne verhindert hätte. Lucas fürchtete durch den fortwährenden Einsatz Fords in seinen Filmen einen gewissen Abnutzungseffekt beim Publikum. Tatsächlich war Ford schon in Lucas‘ früher Regiearbeit AMERICAN GRAFFITI (1973) zu sehen gewesen und hatte sich in KRIEG DER STERNE und DAS IMPERIUM SCHLÄGT ZURÜCK mittlerweile als Gesicht etabliert. Lucas fürchtete bei einer weiteren Hauptrolle Fords eine Vermischung seiner Franchises und war letztlich erst durch Sellecks Absage umzustimmen; eine Entscheidung die er nicht bereuen sollte.
Denn tatsächlich füllt Harrison Ford die Rolle des toughen Archäologen Indiana Jones ebenso passgenau aus, wie die des interstellaren Draufgängers Han Solo. Die Figur orientiert sich ebenso wie der gesamte Film an den kostengünstigen Kinoserials der 30er und 40er Jahre, die ebenfalls schmissige Heldentypen in eskapistische Träumereien beflügelnde Gegenden schickten. Und so ist auch Indiana Jones eine Figur, die hinter der gepflegten Tätigkeit als Dozent am Barnett College ein Dasein als Draufgänger und Haudegen führt. Dabei ist der Charakter im Gegensatz zu den oftmals realistischen Actionhelden der beginnenden 80er Jahre deutlich augenzwinkernder abgelegt. Stets hat er einen humorvollen Scherz parat oder entspannt eine Szene durch ein schelmisches Grinsen. Gleichzeitig ist er aber geschickt und immer Herr der Lage. Wie die Geschichte selbst, dient die Figur so vor allem der Unterhaltung, weniger der Befriedigung etwaiger Vorstellungen von Männlichkeit oder sonstiger elementarer Eigenschaften prototypischer 80er-Helden.
Major Toht: So treffen wir uns also wieder, Fräulein. Ja, Ihr Amerikaner, ihr seid doch alle gleich: Niemals richtig gekleidet für die passende Gelegenheit.
Gleiches gilt für die Storyline. Kaufman, Kasdan, Spielberg und Lucas zielen hier mitnichten auf eine logische oder dramatische, sondern einzig und allein auf eine unterhaltsame Geschichte ab. Bester Anhaltspunkt dafür ist die Tatsache, dass die Figur des Indiana Jones für den Verlauf der Handlung kaum Bedeutung besitzt. Auch ohne sein Eingreifen würden die Nazis die Bundeslade finden, bergen und auf die kleine Insel bringen, wo sie dann von selbiger dahingerafft werden. Das fällt aber im Film kaum auf, weil das Skript es wie nur wenig andere schafft, ein völlig bruchloses Voranschreiten der Handlung zu gewährleisten. Es gibt keine Pausen, keine Entspannung, ständig geht es vorwärts. Scheint eine Situation bewältigt, steht die nächste schon vor der Tür. So vergehen nicht nur die zwei Stunden Spielzeit wie im Flug, sondern so schafft es das Skript auch, jegliche Logiklöcher und Anschlussfehler spielend zu kaschieren.
Daran nicht unbeteiligt ist auch Steven Spielberg, der ein weiteres Mal beweist, dass er ein Könner auf dem Regiestuhl ist und der mit seiner unglaublich straihten Regie ebenfalls großen Anteil an dem hohen Tempo hat, das der Film an den Tag legt. Schon die Exposition im Hovitotempel stiehlt dem Zuschauer den Atem und auf genau diesem Niveau bleibt die Inszenierung bis zum grandiosen Finale. Der alteingesessene Hollywood-Kameramann Douglas Slocombe versorgt Spielberg dabei mit gekonnten Einstellungen, die die immer wieder wundervollen Sets und Kulissen trefflich und verspielt einfangen.
Denn auch in Sachen Ausstattung braucht sich der Streifen keineswegs zu verstecken. Egal ob Grabmal-Kulissen oder zahlreiche Außenaufnahmen in Tunesien, der Film versprüht Abenteuer-Charme wo es nur geht. Dschungel, Wüsten, Katakomben und nordafrikanische Altstädte, das alles sieht prächtig aus und fügt sich stimmig zusammen. Dazu gibt es zahlreiche schöne Modelle und Miniaturen, die bei den Spezialeffekten Anwendung finden. Für die zeichnet natürlich George Lucas‘ Effektschmiede Industrial Light & Magic verantwortlich, die hier beweisen kann, dass sie auch abseits von Sci-Fi-Abenteuern gekonnte und stimmige Spezialeffekte produzieren kann.
Neben Harrison Ford ist es dann vor allem Karen Allen, die bezüglich der Schauspielerei groß auftrumpfen kann. Bis dato vornehmlich aufgrund ihrer Hauptrolle in Kaufmans THE WANDERERS bekannt (ob Kaufman Allen auch ans Set von JÄGER DES VERLORENEN SCHATZES brachte ist hingegen unbekannt), liefert die US-Amerikanerin hier eine beeindruckende Leistung als starke und selbstbewusste Marion Ravenwood ab. Sie bietet Ford stets Paroli und ist auch den Antagonisten des Films immer gewachsen. Auf deren Seite muss vor allem Paul Freeman genannt werden, der als schmieriger Belloq zu Höchstform aufläuft. Für Freeman bedeutete diese erste große Spielfilmrolle den Durchbruch und tatsächlich hat er sich diesen mit seiner Darbietung mehr als verdient.
Marion: Du bist nicht der Mann, den ich vor zehn Jahren kennengelernt habe.
Indy: Das sind nicht die Jahre, Schätzchen, das ist Materialverschleiß.
Aber auch in den kleineren (oftmals parodischen) Rollen ist der Film prächtig besetzt. Altstar Denholm Elliott erlangte als Indys väterlicher Freund Marcus Brody nochmal einiges an Bekanntheit und John Rhys-Davies sollte hier als grandioser Sallah die Grundlage für eine beeindruckende Karriere in unzähligen B-Reißern legen. Der Deutsche Wolf Kahler gibt einen humorvoll-überzeichneten Colonel Dietrich (für dessen Besetzung zunächst Klaus Kinski vorgesehen war, der allerdings aufgrund besserer Verdienstmöglichkeiten die Hauptrolle in DIE SCHWARZE MAMBA (1981) bevorzugte), während Ronald Lacey als völlig abstruser Major Arnold Toht brilliert. All diesen Rollen merkt man übrigens die eng mit der Ausrichtung der Handlung verbundene Hauptaufgabe an, ohne Rücksicht auf Sinn und Korrektheit zu unterhalten. Da faltet dann der rücksichtslose Toht dann schon mal seinen vermeintlichen Nunchaku zum Kleiderbügel.
Auf Bewährtes setzt Spielberg dann in Sachen Ton und engagierte erneut John Williams, der bereits seine Werke DER WEIßE HAI (1975) und UNHEIMLICHE BEGEGNUNG DER DRITTEN ART sowie Lucas‘ KRIEG DER STERNE mit passenden Klängen versehen hatte. Und auch hier schuf Williams wieder ein Thema, welches ohne Umwege in die Filmgeschichte eingehen sollte und noch bis heute zu den bekanntesten und beliebtesten Filmmusiken zählt. Aber auch abseits der eigentlichen Stücke verpasst Williams dem Film einen Klang, der stets eng mit den Geschehnissen korrespondiert und mit massig Streichern und Bläsern für Furore sorgt.
Belloq: Dr. Jones, da zeigt sich wieder ganz klar, dass Sie nichts besitzen können, was ich Ihnen nicht wegnehmen kann!
Mit seiner unglaublich flotten Unterhaltung und seinem charmanten Augenzwinkern wurde der Film dann mit rund 400 Millionen US-Dollar an weltweitem Einspielergebnis zum großen Abräumer des Kinosommers 1981 und ein Jahr später sahnte er dann vier Academy Awards (Bestes Szenebild, Beste visuelle Effekte, Bester Schnitt, Bester Ton) ab. Die Figur des Indiana Jones wurde über Nacht zu einem popkulturellen Phänomen und selbst einzelne ihrer Handlungen (zum Beispiel das Entfernen von etwas überschüssigem Sand aus dem Tauschgewicht für die Götzenfigur) gingen in die Popkultur ein und werden bis heute referiert. Lucas und Spielberg schufen mit JÄGER DES VERLORENEN SCHATZES eine auf perfekte Unterhaltung getrimmte Renaissance des klassischen Abenteuerkinos und nebenbei einen der besten Filme dieses Genres überhaupt. Mit INDIANA JONES UND DER TEMPEL DES TODES (1984), INDIANA JONES UND DER LETZTE KREUZZUG (1989) und dem Nachzügler INDIANA JONES UND DAS KÖNIGREICH DES KRISTALLSCHÄDELS (2008) sollten noch drei Fortsetzungen folgen, die diesen Ruf (überwiegend) bekräftigten. JÄGER DES VERLORENEN SCHATZES gehört somit zu den ganz großen Meisterwerken des US-Kinos der frühen 80er Jahre und wenn Indy mal wieder zu Williams Klängen die kleine Statue vom Sockel reißt, dann weiß man auch, warum das so ist!
Indys erster Auftritt definiert den Abenteuerfilm neu und sorgt mit seiner grandiosen Inszenierung und einer perfekten Besetzung über seine gesamte Spielzeit hinweg für ebenso furiose wie augenzwinkernde Unterhaltung. Die Figur Indiana Jones und John Williams Score gingen in die Filmgeschichte ein und auch heute noch gehört der Streifen zum Besten, was es im Bereich Abenteuerfilm zu sehen gibt.
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