The Wanderers
The Wanderers | USA | 1979
IMDb, OFDb, Schnittberichte
Gangfilme haben häufig das Problem, sich entscheiden zu müssen, ob sie Actioner, Coming-of-Age-Streifen, Milieu-Studie oder Sonstwas sein wollen. Philip Kaufman, 1978 mittels seines erfolgreichen Remakes DIE KÖRPERFRESSER KOMMEN auf der Bildfläche erschienen, umschiffte dieses Fährnis 1979 mit THE WANDERERS, indem er sich eng an die Vorlage von Autor Richard Price hielt und zahlreiche verschiedene Schlaglichter auf das Leben der Jugendlichen in der New Yorker Bronx wirft; auch Price hatte diese Welt mithilfe zahlreicher Kurzgeschichten skizziert und sich nicht nur einem zentralen Handlungsstrang verpflichtet. Und so gelingt es dem von Kaufmans Frau Rose verfassten Drehbuch tatsächlich, viele der oben genannten Ansätze miteinander zu verquicken und so ein facettenreiches Bild entstehen zu lassen.
Das Leben der Wanderers erinnert zum Beispiel häufig an zeitgenössische Klamotten wie die EIS AM STIEL-Reihe. Richie versucht gerade Despie zu landen, während auf der Straße eine pubertär formulierte Beleidigung zu einer pedalen Verfolgungsjagd führt. Kurz drauf bepöbeln sich die Jungs in der Schule gegenseitig, bevor sie sich beim Versuch, Passantinnen zu begrapschen, ihrer Männlichkeit versichern. Strippoker und ähnliche Spielchen zeichnen das Bild einer unbeschwerten Jugend, voller Spaß und juveniler Verantwortungslosigkeit. Dem gegenüber steht jedoch das etablierte Gangbild, welches schnell auch Bedrohung und Brutalität einführt. Herrscht zwischen den Wanderers und den Del Bombers bzw. den Wongs noch eine zwar von Rassismus überschattete, aber dennoch auch von Respekt geprägte Rivalität, heben sich die Fordham Baldies aufgrund ihres Alters und ihres radikaleren, da geschorenen Aussehens (und natürlich auch Dank des grandiosen Erland Van Lidth an ihrer Spitze) schon deutlich ab. Richtig eindeutig wird die Härte dieser Straßengang-Welt aber erst, sobald die Ducky Boys auftreten. Diese kommen zwar ohne Uniform daher, verschmelzen dafür aber mit dem anonymen Graubraun der Straßen. Sie schrecken auch vor Morden nicht zurück und zwingen die übrigen Gangs so, sich zusammenzutun. Nur am Rande findet die organisierte Kriminalität Erwähnung; Despies Vater Chubby und seine Kumpane vertreten die klassischen Mafiosi, die zwar wie die juvenilen Gangs auch in (augenzwinkernder) Uniform auftreten, in einem kleinen Nebenplot aber zeigen, dass mit ihnen nicht zu spaßen ist.
Ansonsten erlaubt sich der Film keine Hauptfigur. Ja, Richie kommt dieser Position am nächsten, das Finale fasst aber ebenso Joeys Werdegang in den Blick. Es sind vielmehr die zahlreichen (und wie die beiden schon Erwähnten ebenfalls grandios gut gesetzten) Nebenrollen, die dem Film seinen Drive verleihen. Turkey giert nach der Achtung der Baldies, Nina verdrehte gleich Joey und Richie den Kopf und Peewee dient als Bindeglied zwischen den Gangs. Eine besondere Rolle kommt Tony Ganios als Perry zu. Dieser ist auffällig ruhig und sticht so aus dem Ensemble heraus. Seine Auftritte machen aus dem Streifen stets ein lakonisches New York-Drama, bei dem zerrüttete Familien und Perspektivlosigkeit im Mittelpunkt stehen. Perry unterstützt so trefflich die ohnehin breite Stil-Anlage des Films. Es ist nur folgerichtig, dass Kaufman im Finale gleich die Zukunft mehrerer Protagonisten skizziert und dazu Bob Dylans ewigen Klassiker The Times They Are A-Changin laufen lässt.
Und abschließend wäre ein Text über THE WANDERERS ohne eine Erwähnung des Soundtracks natürlich nicht vorstellbar. Dieser ist schlichtweg genial. Natürlich ist das bei einem Film, der die 60er widerspiegelt, grundsätzlich etwas einfacher, aber die Songauswahl passt eben trotzdem enorm gut zu den jeweiligen Sequenzen, die sich wie erwähnt eben doch in Sachen Stil und Stimmung teils deutlich unterscheiden. Walk Like a Man klingt zur Eröffnung eben auch nach Komödie, während Stand By Me bekanntlich rücksichtslos schmachtet. Bei Tequila möchte man auch gleich durch die Straßen rennen und bei Baby It’s You werden allerorten die Lippen in Bereitschaft gespitzt. Und über all dem schwebt Dions The Wanderer, ein schlichtweg mitreißender Hit – wie auch dieser Film.
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