Der weiße Hai
Jaws | USA | 1975
IMDb, OFDb, Schnittberichte
Ein Unterschied zwischen DER WEIßE HAI und vielen seiner Tierhorror-Vorgänger und -Nachfolger: Steven Spielbergs Durchbruch macht den Menschen nicht für das Auftreten oder das Verhalten des ihn attackierenden Wesens verantwortlich. Es ist kein Mad Scientist und auch kein militärischer Heini zugegen, der das Böse heraufbeschwört, auch gibt es keine Umweltverschmutzung, die Mutationen hervorruft. Der einzige Frevel, den der Mensch hier begeht, ist die Ignoranz, mit der er dem Erscheinen des gefährlichen Hais begegnet; dass Bürgermeister Vaughn und Konsorten vor allem Touristenzahlen und politisches Kalkül im Auge haben, macht die Situation letztlich erst so brisant. Dass der Hai dann im menschlichen Sinne böse handelt, berechnet, ja kalkuliert, ist jedoch typisches Tierhorror-Handwerkszeug, Spielberg bedient hier eine bekannte und beliebte Klaviatur.
Zunächst etabliert der Film aber ein treffliches Dreigestirn. Roy Scheider ist für die Zuschauenden der Anknüpfungspunkt. Nicht ganz zufrieden mit seinem Leben in der Provinz und im ständigen Ringen mit Familie und Autoritäten ist er die normalste der drei Hauptfiguren. Richard Dreyfuss‘ Matt Hooper ist der Träumer, der die gerade entstandene Umweltschutzgruppe Greenpeace referiert und Robert Shaw versorgt das Dreigestirn als Quint mit einer ordentlichen Dosis Wahnsinn – was er in seinem berühmten Monolog über die USS Indianapolis eindrucksvoll erklären darf. Und während sich Spielberg in der ersten Hälfte des Films die Zeit nimmt, diese Figuren und die sie zusammenwerfende Bedrohung genau zu skizzieren, ist es dann natürlich der geniale Kniff, die drei gemeinsam für mehrere Tage auf engstem Raum zusammenzupferchen, der dem Film seinen bis heute bestehenden Ruf eingetragen hat.
Klar, auch schon zu Beginn zeigt der zum Zeitpunkt der Dreharbeiten gerade mal 28 Lenze zählende Spielberg, was er inszenatorisch auf dem Kasten hat. Die Hai-Übergriffe kommen intensiv rüber, die Figuren werden facettenreich eingeführt und es gibt auch einige seiner Markenzeichen-Massenszenen zu sehen. Aber wenn die Orca erstmal in See sticht, dann ist das alles vergessen. Die drei Passagiere reiben sich aneinander, streiten, saufen, lachen. Mehr und mehr offenbaren sich Beweg- und Abgründe dieser Individuen und über allem schwebt die Gefahr durch den Hai. Der taucht dann auch endlich mehrfach in beeindruckender Manier auf und macht so die monatelange Arbeit, die die Trickaufnahmen wohl in Anspruch nahmen, verständlich. In seinem Revier ist der Hai aber nun mal das Maß aller Dinge, die Menschen ringen nur noch ums Überleben. Und auch wenn es Hooper und Brody vergönnt ist, während Quint seinem ohnehin an Kapitän Ahab erinnernden Gestus gerecht werden muss, so vermag man den Tod des Weißen doch nicht als Sieg zu verbuchen.
Ein Sieg war der Film aber für Spielberg, der damit den modernen Blockbuster mitbegründete. Bis sein Kumpel George Lucas mit KRIEG DER STERNE (1977) noch erfolgreicher war, war DER WEIßE HAI der gewinnträchtigste Film aller Zeiten. Sein Marketingkonzept erreichte neue Sphären, die Mundpropaganda hievte den Streifen in ungeahnte Höhen. Die gutgelaunte, wenn nötig aber schnell in Thrill umschlagende Unterhaltungskost sollte die Leitplanken für den heutigen Erfolg Hollywoods aufstellen. Spielberg vermischt Humor und Wohlbekanntes mit Horror und ungeahnten Schrecken. So wie die Drei auf der Orca lachen, weinen und streiten, so bewegen sich auch die Kinogäste durch verschiedene Gemütszustände. Eine Qualität, die den Film nach wie vor zu einem der Meilensteine des Kinos der 70er Jahre macht.
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Eine schöne Hommage an meinen Lieblingsfilm, der auf der inoffiziellen Steffelowski-Wertungsskala immer mit 12 von 10 möglichen Punkten abschneidet👍😊
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