DAS WEIßE IM AUGE

Das Weiße im Auge
Death Wish 4: The Crackdown | USA | 1987
IMDb, OFDb, Schnittberichte

Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass Paul Kersey (Charles Bronson) von Alpträumen aus seiner Zeit als Rächer geplagt wird, stirbt die Tochter seiner Freundin Karen Sheldon (Kay Lenz) auch noch an einer Überdosis Drogen. Also sieht Paul sich mal wieder gezwungen, die Verhältnisse geradezurücken, was ihn in einen harten Kampf mit den Drogendealern Ed Zacharias (Perry Lopez) und Jack Romero (Mike Moroff) verwickelt. Hilfe erhält Paul vom reichen Verleger Nathan White (John P. Ryan), dessen Tochter ebenfalls an Drogen gestorben ist.

Allein ein Blick auf die Synopsis macht es überdeutlich: Paul Kersey ist bei seinem vierten Auftritt längst zu einer jeder realen Bindung bahren Kunstfigur geworden. Während er in EIN MANN SIEHT ROT (1974) tatsächlich noch Gefühle und (einen gewissen) Respekt vor dem Leben besaß, ist er nach seinen Auftritten in DER MANN OHNE GANDE – DEATH WISH II (1982) und vor allem DEATH WISH 3 – DER RÄCHER VON NEW YORK (1985) vollauf zur personifizierten Rachelust der Kinogänger geworden. Anders ist es nicht zu erklären, dass zum mittlerweile vierten Mal ein Paul Kersey nahestehender Mensch durch kriminelles Einwirken zu Tode kommt. Kerseys Reaktion, er ballert den Übeltäter ohne langes Federlesen über den Haufen, unterstreicht die von jeder moralischen Betrachtungsebene befreite Konzeption des vierten Teils – daran ändert auch die stimmungsvoll inszenierte Eröffnung nichts, die doch glatt versucht, Zweifel und Unsicherheit im Hauptcharakter zu schüren.

Mädel: Sag bloß, dir gefällt mein Kleid nicht.
Typ: Mir gefällt dein Gequatsche nicht!

Der Regisseur der ersten drei Serienteile, Michael Winner, wird nun von J. Lee Thompson ersetzt, der seine großen Tage zu diesem Zeitpunkt zwar bereits hinter sich hatte, der Bronson allerdings von den Arbeiten zu EIN MANN WIE DYNAMIT (1983) und MURPHYS LAW (1984) kannte. An letzterem war auch Drehbuchautor Gail Morgan Hickman beteiligt, der dem Film eine entscheidende Neuerung mit auf den Weg gibt: anstatt klar zwischen Verbrechern und Gesetzeshütern zu stehen und dort sein eigenes Ding zu machen, wird Paul dieses Mal vom mysteriösen Verleger Nathan White – Genrefachmann John P. Ryan in einer leider zu kleinen Rolle – zunächst unterstützt und dann verraten. Der Rächer wird also von seinem Gegner eingespannt, was zusammen mit einigen netten Verstrickungen kleinerer Figuren für ordentliche Thriller-Stimmung sorgt. Dazu bietet Thompson eine Regie auf, die sich auf bald 40 Jahre Erfahrung stützt und sorgt damit für einen flotten Vortrag der unterhaltsamen, aber keineswegs fesselnden Geschichte – insgesamt bewegt sich der Streifen also weg von der übermäßig reaktionären Raserei eines Michael Winner hin zu solider Thriller-Action.

Bronson serviert sämtliche Widersacher mal wieder mit dicken Flinten und markigen Sprüchen ab; und das unterhält auch im vierten Anlauf noch. Als Dame an seiner Seite darf dieses Mal Kay Lenz ran, die kurz zuvor in Steve Miners HOUSE – DAS HORRORHAUS (1985) mitwirkte. Dana Barron, die nur vier Jahre zuvor noch Töchterchen Audrey in DIE SCHRILLEN VIER AUF ACHSE (1983) mimte, ist nun als hippe Diskobesucherin und Karens Tochter Erica unterwegs, beißt aber leider erwähnt schnell ins Gras. Perry Lopez hatte 1974 in CHINATOWN schon seine Zwielichtigkeit bewiesen und hier überzeugt er als Gangster Ed Zacharias vorbehaltlos, während Nebenrollenfachmime Mike Moroff einen humorvoll überzeichneten Jack Romero gibt. George Dickerson bleibt als Detective Reiner blass, auch wenn ihm ein Mitwirken im Finale beschieden ist.

Gerichtsmediziner: Ihm ist eine Rauschgiftpfeife im Gesicht explodiert.

Der Rest ist souveräne Regie, ein wiedermal stimmig-sphärischer Score und überbordende Gewalt. Denn trotz der Hinwendung zu etwas mehr Story und etwas weniger Reaktionärem: auch DAS WEIßE IM AUGE bleibt ein Film, der Rache als etwas Vertretbares und Positives darstellt. Er bleibt ein Kind seiner Zeit und serviert dem Publikum erneut die denkbar simpelste Antwort auf die gesellschaftlichen Probleme der USA jener Tage. Und dem Publikum gefiel es: der Streifen spielte sein Budget locker wieder ein und machte so den – zwar erst sieben Jahre späte beschrittenen – Weg frei für DEATH WISH V – THE FACE OF DEATH (1994).

Unter J. Lee Thompson bewegt sich die Reihe etwas weg vom reaktionären Holzhammer, hin in solide Action-Thriller-Gefilde. Was nicht heißt, dass die Rache nicht trotzdem als probatestes Mittel wider die gesellschaftlichen Untiefen propagiert wird – nur eben nicht ganz so forsch.


Antworten

  1. Avatar von EIN MANN SIEHT ROT | SPLATTERTRASH
    EIN MANN SIEHT ROT | SPLATTERTRASH

    […] und DEATH WISH 3 – DER RÄCHER VON NEW YORK (1985) selbst noch zwei Filme nach, bevor er dann bei DAS WEIßE IM AUGE (1987) und DEATH WISH V – THE FACE OF DEATH (1994) das Ruder […]

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  2. Filmforum Bremen » Das Bloggen der Anderen (27-02-17)

    […] da mein Interesse für 80er-Jahre-Action und die alten Cannon-Werke langsam wieder erwacht. Ist der vierte „Death Wish“-Teil, „Das Weiße im Auge“, den totalschaden auf Splattertrash bespricht, ein guter Angfang […]

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  3. Avatar von DEATH WISH V – THE FACE OF DEATH | SPLATTERTRASH
    DEATH WISH V – THE FACE OF DEATH | SPLATTERTRASH

    […] DAS WEIßE IM AUGE (1987), dem vierten Teil der DEATH WISH-Reihe, sollte es für lange Zeit leise um die finanziell […]

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