
Ein Mann wie Dynamit
10 to Midnight | USA | 1983
IMDb, OFDb, Schnittberichte
Die Diskussion ist so alt wie das Genre des Vigilanten-Films: Schafft es ein Filmemacher einen soziologischen Blick von außen auf eine Person zu werfen, die sich zu gesetzlosen Rachehandlungen verleitet sieht oder werden lediglich populistische Fantasien bedient. Pendelte Michael Winners Klassiker EIN MANN SIEHT ROT (1974) noch zwischen diesen beiden Extremen, brach sich seit Beginn der 80er Jahre eine B-Movie-Rache-Welle Bahn, die vor allem auf möglichst brutale Racheakte setzte; der zweite Teil der DEATH WISH-Reihe DER MANN OHNE GNADE – DEATH WISH II (1982) stellt dabei eine der Spitzen dieser Strömung dar. Und ein Jahr später schicke Genre-Fachmensch John Lee Thompson den Rächer-Prototypen Charles Bronson dann erneut in den Ring. Das Drehbuch wurde dabei von William Roberts verfasst, der auch schon bei DIE GLORREICHEN SIEBEN (1960) Kurosawas Idee in den Wilden Westen überführen durfte.
Um die Furcht der US-amerikanischen Kinogehenden vor der zu jener Zeit grassierenden Kriminalität auch in mundgerechte Charaktere zu verpacken, darf Nebenrollen-Recke Gene Davis den von Mädels stets zurückgewiesenen Creep Warren Stacy geben, der in Folge seiner abgelehnten Avancen zum Killer wird. Bronsons Leo Kessler zieht dann in feinster Herabwürdigungsmanier über den Typen her und wirft dem „Jüngling“ vor, „doch noch nie Sex gehabt zu haben“ und deshalb verdächtig zu sein. Der Rest ist das klassische Vigilanten-Thema, bei dem Kessler den richtigen verdacht hat, jedoch keine hinreichenden Beweise auftreiben kann und schließlich zu unlauteren Mitteln greift.
Interessant dabei ist, dass sein von Andrew Stevens gegebener junger Kollege Paul McAnn das Spiel aber nicht bewundernd mitspielt, sondern vor Gericht schließlich gegen Kessler aussagt. Die junge Generation bricht hier mit dem Motto der Vorgänger (Kessler: „Vergessen, was legal ist, und tun, was richtig ist“) und hält sich an Recht und Gesetz. Dieser Kniff zur Mitte des Films zwingt die Zuschauenden tatsächlich dazu, den folgenden illegalen Rachezug Kesslers zu hinterfragen. Mit McAnn gibt es einen, der den ansonsten oft vergessenen Zweifel an den dargestellten Gewalttaten klar ausformuliert und die Rezipierenden nicht einfach so in den gedankenlosen Action-Spaß gleiten lässt. Hier zeigt Thompson, dass er sich den zahllosen Genres, durch die ihn seine lange Karriere führte, auch tatsächlich ideologisch näherte. So behält der Film auch im weiteren Verlauf, im Zuge dessen er mit nackten sterbenden Mädels und finalen Kopfschüssen durchaus auch die plakativen Schauwerte des Genres durchexerziert, stets eine gewisse Metaebene aufrecht, die ihn angenehm vom Gros der ähnlich gelagerten Werke abhebt.
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