Das Ding aus einer anderen Welt
The Thing | USA | 1982
IMDb, OFDb, Schnittberichte
Schon in seinem großen Durchbruch HALLOWEEN – DIE NACHT DES GRAUENS (1978) zeigte John Carpenter eine kurze Szene aus dem Sci-Fi-Horror-Klassiker DAS DING AUS EINER ANDEREN WELT (1951) von Howard Hawks. Interessant: Schon Mitte der 70er Jahre befand sich Carpenter in diesbezüglichen Remake-Verhandlungen mit Universal Pictures, denen der bis dahin aber nur durch DARK STAR – FINSTERER STERN (1974) und ASSAULT – ANSCHLAG BEI NACHT (1976) geläufige Regie-Neuling allerdings ein zu großes Risiko war. Es dürfte dann zwar eher der Erfolg des Horror-Klassikers gewesen sein und weniger der darin befindliche Hawks-Schnipsel, aber so oder so: Anfang der 80er Jahre durfte Carpenter dann für Universal mit einem persönlichen Rekordbudget von 15 Millionen US-Dollar ans Werk gehen.
Während es für Hawks in den 50er Jahren vor allem wichtig war, dem Zeitgeist entsprechend die Metapher vom eindringenden Kommunismus zu reiten, einigte sich Carpenter mit dem Drehbuchautoren Bill Lancaster (Burts Sohnemann) darauf, sich enger an die Romanvorlage Who Goes There? von John W. Campbell Jr. zu halten und die Wandelbarkeit des Aliens zum Kernthema des Films zu machen. So geht es dann die meiste Zeit eher um die Identifizierung als um die Bekämpfung des Antagonisten. Carpenter nutzt das geschickt, um die zwölf Protagonisten in zunehmende Paranoia zu treiben. Angst wird zu Misstrauen, Misstrauen zu Gewalt gegeneinander. Den Höhepunkt erreicht dieses Spiel, wenn MacReady schließlich alle an Stühle fesseln lässt und per Blutprobe (und einem heißen Draht, der als „Entwarnung“ etwas Blut verdampfen lässt, genial!) die Menschlichkeit des Anwesenden überprüft.
Apropos MacReady. Nach seinem epochemachenden Auftritt in DIE KLAPPERSCHLANGE (1981) besetzt Carpenter erneut Kurt Russell und lässt ihn wiederum einen zwiespältigen Grummler spielen. MacReady ist saufender Helikopterpilot, der stets lakonisch kommentierend herumschleicht. Im kampf gegen das Alien übernimmt er selbstverständlich die Führung und schreckt auch vor Gewalt nicht zurück. Bisweilen wirkt es gar so, als ob auch er der Paranoia verfällt; ein Sympathieträger ist MacReady als bei weitem nicht. Dafür macht er es den Zuschauenden aber unmöglich, sich an einen souveränen Helden zu klammern – denn den gibt es schlicht nicht. Es gibt nicht mal einen lustigen, die Stimmung hin und wieder auflockernden Comic Relief.
Optisch ist der Film kalt und düster. Das überwiegend in Alaska gefilmte Antarktis-Setting ist genau der richtige Rahmen für den einsamen Kampf gegen das die Menschheit bedrohende Alien. Von jeglicher Zivilisation abgeschnitten ist die Station viel zu klein, um Rückzugsmöglichkeiten zu bieten. Weder vor dem Alien, noch vor den Crewmitgliedern. So wird ein ständiger Konflikt erzwungen. Die Räume sind eng, die Bilder farblos. Schon nach wenigen Minuten geht die monotone Gleichförmigkeit dieser Welt auf die Betrachtenden über. Dass der Film dann auch noch aussichtslos endet, die Station zerstört, der Tod der verbleibenden Protagonisten gewiss, der des Aliens aber ungeklärt ist, unterstreicht die fatalistische Grundhaltung des Films. Ein Happyend war nie möglich und tritt auch nicht ein.
Bis hierhin wäre der Streifen ein weiteres Carpenter-Vehikel, das wie HALLOWEEN und THE FOG – NEBEL DES GRAUEN (1980) mit Ängsten und Konflikten spielt, die in scheinbar friedliche Umgebungen eindringen. Wäre da nicht die Entscheidung gewesen, Effektspezialist Rob Bottin und seine Crew ins Boot zu holen. Denn damit stand auch gleichzeitig der Entschluss, dass Auftritte des Aliens sehr explizit ausfallen würden. Der Rest ist Horrorfilmgeschichte: der Streifen fährt eine Unzahl an tollen handgearbeiteten Effekten auf, die die Mutationen und Übergriffe illustrieren. Wahnsinnig agile Figuren, tolle Modelle und immer wieder absurde Ideen – die hin und wieder mit der Grundstimmung des Films zu brechen scheinen. Das Alien scheint es bisweilen mehr darauf anzulegen, die Menschen möglichst kräftig zu erschrecken, als die Station möglichst effektiv zu infiltrieren. Anders sind Szenen, wie jene, in der sich ein riesiger Mund im Bauch eines Opfers öffnet, um dem Doktor die Hände abzubeißen, nicht zu erklären. Klasse aussehen, tut das alles aber allemal.
Anders als manchen Kommentator zerstören mir diese Ausbrüche jedenfalls nicht die düstere Grundstimmung. Ich betrachte sie viel mehr als jene humorvollen Brüche, die – wie oben erwähnt – in anderen Filmen durch humorige Nebenrolle geschaffen werden. Carpenters Film lässt einen quasi durchatmen, wenn sich das Ding mal wieder in all seiner Übertriebenheit zeigt – und das ist eine tolle Idee. Dass die damaligen Kritiker und Gäste das nicht zu schätzen wussten, hatte bei John ja schon fast Tradition, auch wenn ihm das schlimmste Verkennen mit BIG TROUBLE IN LITTLE CHINA (1986) noch bevorstehen sollte. Egal, heute weiß hoffentlich jeder, was für einen Knaller er bei der Betrachtung dieses Werks vor sich hat.
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