Der Einzelgänger
Thief | USA | 1981
IMDb, OFDb, Schnittberichte
Nach dem TV-Drama EIN MANN KÄMPFT ALLEIN (1979) ist DER EINZELGÄNGER das Kino-Debüt des Autorenfilmers Michael Mann. Und es ist ein Film, der einem bereits in den ersten Sekunden unmissverständlich klarmacht, was man in den folgenden zwei Stunden zu erwarten hat: Die Kamera fängt die Silhouette einer verregneten Großstadtgasse bei Nacht ein. Nur ein paar Neonlichter sorgen für Umrisse. Frank (James Caan), der viele Jahre im Knast saß und nun wieder Tresore knackt, steigt unter Aufbietung all seines technischen Könnens in eine Gebäude ein und befreit den darin befindlichen Tresor von den in ihm befindlichen Diamanten. Dazu wummern die (früh-)elektronischen Klänge von Tangerine Dream und schließlich verschwindet Frank mit seiner Beute in der Nacht. Dass er das zwei Stunden (unter gänzlich anderen Vorzeichen) erneut tun wird, schließt einen Kreis, aus dem sich der Berufsverbrecher einfach nicht befreien kann.
Innerhalb dieses Rahmens verfolgen die Zuschauenden dann Frank bei der Jagd nach seinem großen Ziel: sich ein bürgerliches Leben zu schaffen. Im Knast hat er sich eine Collage mit seiner Bucketlist geschaffen: Haus, Frau, Kind – einige Totenschädel zieren das Blatt zwar ebenso, sind laut Frank jedoch eher als Reminiszenz an Vergangenes zu lesen; oder doch als düstere Vorahnung? Denn natürlich scheitert Frank mit seinen Plänen. Das Adoptivkind vom Gangsterboss ist eben kein guter Start in die neue Sittsamkeit. Interessanter als das was ist aber das wie. Frank ist nach all den Jahren im Knast unfähig, sich seinen Traum mithilfe der üblichen Verfahrensweisen zu erfüllen. Neben dem Adoptivkind vom schmierigen Boss Leo (Robert Prosky) ist auch seine Damenwahl gelinde gesagt ungewöhnlich. Als die von Tuesday Weld gegebene Jessie ihn nämlich nicht begleiten will, packt er sie einfach und setzt sie in seinen Wagen, wo er ihr kurz und bündig die gemeinsame Zukunft erklärt. Dieser Mann verfolgt seinen Plan derart stoisch, dass es ihm gar nicht in den Sinn kommt, dass das so Geschaffene nicht von Dauer sein kann. Aber er bleibt auch nach der bitteren Erkenntnis, dass „es nicht so laufe, wie er es geplant habe“, nüchtern, schickt Jessie in Sicherheit und vernichtet seine bürgerliche Existenz (Vorstadthaus und Gebrauchtwagenzentrum), bevor er sich der finalen Schlacht stellt. Am Ende bleibt offen, ob der in die Nacht davonziehende Frank einen neuen Plan ausarbeitet oder nicht.
Neben dieser packenden Geschichte ist es aber Mann grandiose Inszenierung, die den Film prägt. Low-key-Aufnahmen der düsteren Großstadt umrahmen einen Ex-Knacki, der auch echte Gefühle kennt. Sein Kumpel Okla (Country-Sänger Willie Nelson) erdet einen Typen, der ansonsten vor allem durch seine Arbeit charakterisiert wird. Die Einbrüche sehen fantastisch aus und fühlen sich trotz ihrer bisweilen Heistmovie-liken Komplexität und Vorbereitung wunderbar realistisch an. Schon der Bohrer zu Beginn wirkt mit seinem Öl und Fett einfach wirklich und spätestens die legendäre Feuerlanze sorgt für eines der Highlights des Films. Ihr grelles, aber warmes Licht ist der wohlige Gegensatz zu den kalt-nassen Neonstraßen der Großstadt. Quasi nebenbei streut Mann dann noch einige Gags zur Entspannung ein, bevor wieder die nächste treibende Szene folgt.
Der Streifen zeichnet somit einiges vor, was Manns Karriere dann in den nächsten Jahren mit Filmen wie BLUTMOND (1985), SHOWDOWN IN L.A. (1989) und HEAT (1995) prägen sollte: Außenseiter, die – grandios inszeniert – versuchen, sich ihren Platz in der Gesellschaft zu suchen. Insofern ist der von United Artists ersonnene deutsche Verleihtitel in die Falle sogar ein erstaunlich einfallsreicher: Frank (und viele seiner Nachfolger in Manns Oeuvre) ist tatsächlich ein Einzelgänger – und zwar ein verdammt cooler.
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