Der Rächer
Der Rächer | Deutschland | 1960
IMDb, OFDb, Schnittberichte
Ein mysteriöser Mörder treibt in London und Umgebung sein Unwesen und so finden Scotland Yard seit Wochen die abgetrennten Köpfe seiner Opfer. Also wird der Agent Michael Brixan (Heinz Drache) damit beauftragt, sich des Falles anzunehmen. Seine Nahforschungen führen ihn sogleich zu einem Spielfilmdreh, wo die junge Komparsin Ruth Sanders (Ina Duscha) gerade die Hauptrolle übernimmt; denn der Drehbuchautor Lorenz Voss (Klaus Kinski) benutzt die gleiche Schreibmaschine wie der Mörder.
Nachdem die Rialto Film zusammen mit der Constantin Film mit den EDGAR WALLACE-Verfilmungen DER FROSCH MIT DER MASKE (1959) und DER ROTE KREIS (1960) einen riesigen Erfolg verbuchen konnten, versuchten auch andere Unternehmen etwas vom großen Kuchen abzubekommen. Doch lediglich die Rechte für zwei Romane sollten letztendlich nicht in den Händen der Platzhirsche landen. Zum einen sicherte sich Artur Brauner die Rechte am Roman Die gelbe Schlange, der jedoch erst 1963 als DER FLUCH DER GELBEN SCHLANGE verfilmt werden sollte, und zum anderen sicherte sich Kurt Ulrich die Rechte an Der Rächer. Im Gegensatz zu Brauner war Ulrich allerdings daran gelegen, zeitnah vom Wallace-Boom zu profitierten, sodass er in Windeseile Dreharbeiten anberaumte. Erklärtes Ziel von Ulrich war es, den Film noch vor dem dritten Wallace-Film der Rialto, DIE BANDE DES SCHRECKENS (1960), zu veröffentlichen.
Sir Gregory Penn: Was fällt Ihnen ein, in mein Haus zu kommen und hier herumzuschießen?
Michael Brixan: Bei Ihnen hallt es so schön …
Als Regisseur verpflichtete man den Tschechen Karl Anton. Dessen Blütezeit lag jedoch bereits einige Jahre zurück, sodass die Arbeit des zu Drehbeginn 61-jährigen etwas altbackener ausfällt, als die Filme von Harald Reinl und Jürgen Roland. Allzu oft erinnert das Ganze an einen Heimatfilm oder einen Kriminalfilm der 40er und 50er Jahre. Von der innovativen Kameraarbeit und der frischen Inszenierung der Konkurrenz ist Antons Arbeitsweise stellenweise meilenweit entfernt. Es gibt kaum Kamerafahrten, fast alles wird in der Halbtotalen gezeigt. Innovative Einstellungen oder optische Spielereien werden kaum geboten.
Dabei ist das von Gustav Kampendonk und Rudolf Carter verfasste Drehbuch durchaus funktional. Die üblichen Komponenten leiden allerdings immer wieder an einem allzu losen Zusammenhang. So fällt die Rolle der Stella Mendozza viel zu wankelmütig aus, der wirkliche Mörder steht viel zu lange am Abseits und die sehr zentrale Figur des Sir Gregory Penn spielt eine letztlich viel zu nebensächliche Rolle. Das sorgt dafür, dass das für diese Filmart zentrale Mitraten hier deutlich erschwert wird, weil es einfach kaum vernünftigen Andeutungen oder Spuren gibt.
Das mit dem erwähnten Sir Gregory Penn dann auch noch ein Weltenbummler im Fokus steht, der neben zahlreichen Antiquitäten auch einen „schwarzen Wilden“ mit in seine Heimat gebracht hat, verleiht dem Script zusätzlich einen faden Beigeschmack. Denn der Umgang mit diesem fällt immer wieder unverhohlen rassistisch aus und ist so befähigt, den Filmgenuss zu beeinträchtigen; einen schönen Gegenentwurf zu diesem platten Zeitzeugnis stellen Übrigens die fiktiven Dreharbeiten dar, die in ihrer Naivität zwar auch 1960 überholt gewesen sein dürften, vermutlich aber das Verständnis, das der alternde Anton vom Filmgeschäft hat, wiederspiegeln.
Als Hauptrolle gibt es dann Heinz Drache zu sehen, der sich zwar redlich Mühe gibt, jedoch im Vergleich zu seinen Rialto-Kollegen etwas hölzern wirkt. Zwar hat auch er einige kernige Sprüche und einen flotten Umgang mit den Damen zu bieten, allerdings fehlt es ihm (noch) an Ernst und Ruhe. Dass das Drehbuch ihn seine Waffe beim Klettern verlieren lässt, die er dann nicht wiederfindet, ist da auch nicht gerade eine Hilfe. Trotzdem konnte sich Drache mit seiner Darbietung empfehlen und so sollte er in den nächsten noch viele Auftritte in EDGAR WALLACE-Filmen absolvieren.
Michael Brixan: Also kann ich jetzt endlich die hemmungslose Dame sehen, die um Hilfe gerufen hat? Ich hab was übrig für hemmungslose Damen!
Der junge Klaus Kinski gibt einen gelungenen Auftritt als Dramaturg, von dem man gerne noch mehr gesehen hätte und Ina Duscha bietet als Ruth Sanders eine der besten Leistungen ihrer kurzen Karriere. Mit Siegfried Schürenberg gibt ein weiteres Urgestein der Filmreihe sein Debut und Benno Sterzenbach spielt mit dem schmierigen Gregory Penn eine der bestens Rollen des Films. Das der Streifen also nur im wallace‘schen Mittelfeld landet, liegt sicherlich nicht an seiner Besetzung.
Das sahen auch die Zuschauer so, denn der Film (der tatsächlich drei Wochen vor DIE BANDE DES SCHRECKENS in die Kinos kam) wurde durchaus ein Erfolg und spielte sein Budget problemlos wieder ein. Dass der Film sich weder in Sachen Qualität noch in Sachen Atmosphäre mit den Konkurrenten messen kann, dürfte Kurt Ulrich dabei relativ egal gewesen sein, denn sein vornehmliches Ziel, sich auch ein Stück vom großen Wallace-Kuchen zu nehmen, hat er mit DER RÄCHER bravourös erfüllt.
Kurt Ulrichs Versuch, vom Wallace-Boom zu profitieren, fällt deutlich altbackener aus, als die Filme der Rialto. Die Geschichte ist holprig und die Inszenierung überholt; doch für Fans der Reihe bietet der Streifen trotzdem solide Unterhaltung.