Spectre
Spectre | Großbritannien/USA | 2015
IMDb, OFDb, Schnittberichte
Nach der mutigen und ungewöhnlichen Final-Sequenz von SKYFALL (2012), die dem Franchise einen neuen Start ermöglichte, schickt sich der erneut von Sam Mendes inszenierte SPECTRE an, die Daniel Craig-Ära mit CASINO ROYALE (2006), EIN QUANTUM TROST (2008) und eben SKYFALL zusammenzufinden. Dazu schreiben Neal Purvis, Robert Wade, John Logan und erstmalig Jez Butterworth ein Drehbuch, das sich erneut dem Thema Digitalisierung und Überwachung widmet, vor allem aber noch weiter daran werkelt, die Figur des James Bond mit familiären Querverbindungen und Charaktereigenschaften, die über die etablierten Stereotype hinausgehen, zu versehen. Das Ergebnis reiht sich ohne Weiteres in die überdurchschnittliche Qualität der Craig-Filme innerhalb der gesamten Serie ein – offenbart jedoch auch einige Schwierigkeiten.
Der Rückbezug auf die Organisation Spectre (aka Gofter aka Phantom) erscheint dabei durchaus dienlich, begegnet er dem seit SKYFALL aufkeimenden innerfilmischen Diskurs um eine Überalterung respektive ein Veraltetsein Bonds doch insofern trickreich, als dass er alte Gegner zu neuen macht – und somit auch alte Helden zu neuen. Zudem lässt er rückblickend die in allen drei Vorgängern mal mehr mal weniger stark vorhandene Tatsache, dass die Bösen stets super vernetzt und technisch bewandert auftreten, logisch und folgerichtig erscheinen. Bis hin zu den Toden von M und Vespa passt das nun alles zusammen und die Fäden ruhen natürlich in den Händen Blofelds. Christoph Waltz gibt den Erzfeind Bonds auf seine gewohnt charmant-sinistere Art, gerät allerdings etwas zu häufig an die Grenze der persönlichen blinden Rache, als dass seine Rolle als perfekter Planer im Schatten dadurch nicht angekratzt würde. Wäre das noch verkraftbar, stellt sich die Stiefbruder-Geschichte dann allerdings als Schlag ins Wasser heraus. Erschienen die Muttergefühle zu M in SKYFALL noch stimmig, wirkt die Nähe zwischen Pro- und Antagonist doch allzu konstruiert. Plötzlich ist James mit jeder Figur irgendwie verwandt; es bleibt zu hoffen, dass sich Moneypenny nicht irgendwann als Halbschwester herausstellt oder Q (den Ben Whishaw weiter ausformulieren darf) als unehelicher Sohn.
Mendes inszeniert den Film natürlich wieder als State of the art-Action-Thriller, der wilde Verfolgungsjagden mit ruhigen Landschaftsmotiven mischt. Österreich, Tanger und das wahnsinnige Set in der marokkanischen Wüste stellen einen tollen Kontrast zum wieder mal häufig besuchten London dar. Häufig besucht, weil Blofeld über seine rechte Hand Max Denbigh (von Andrew Scott leider etwas eindimensional gegeben) versucht, auch dort die Macht an sich zu reißen. Und an diesem erneuten Verlagern der Handlung in die britische Hauptstadt lässt die sich wohl wichtigste Frage, die SPECTRE aufwirft, trefflich verhandeln: Wird JAMES BOND in Zukunft stets mit der Abwehr digitaler Angriffe auf Großbritannien beschäftigt sein? In Zeiten von Crypto-Währungen und internationalen Wahlmanipulation erscheint eine Rückkehr zu den abgelegenen Geheimbasen, zu den eskapistischen Reisezielen irgendwie unwahrscheinlich. Wen interessiert es schon, ob irgendein Bösewicht dort mit ein paar Tricks Millionen scheffelt? Die wirklichen Bedrohungen existieren heute im Cyberraum, an allen Orten. Dafür braucht es aber keinen raubeinigen Geheimagenten, sondern versierte IT-Techniker. Ein solcher ist James Bond nicht. Es wird spannend zu beobachten, wie sich das Franchise an diese grundlegende Änderung anpassen wird.
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