Taxi Driver
Taxi Driver | USA | 1976
IMDb, OFDb, Schnittberichte
Martin Scorsese wollte Paul Schraders durchaus autobiographisches Drehbuch zu TAXI DRIVER gerne verfilmen, musste Columbia Pictures aber erst mittels HEXENKESSEL (1973) überzeugen und zudem das Mitwirken von Robert De Niro sicherstellen. Dass deren Vertrauen in das Projekt auch danach bestenfalls mäßig ausfiel, zeigt sich im mageren Budget von gerade mal 1,3 Millionen US-Dollar. Dabei wäre es aber zu einfach, Columbia retrospektiv ein schlechtes Einschätzungsvermögen vorzuwerfen; dass die Geschichte um den durch den von Gewalt zerfressenen Big Apple stromernden Travis Bickle von Scorsese letztlich zu einem derart einflussreichen Klassiker gemacht werden würde, war bei der Lektüre des Skripts wahrscheinlich einfach nicht abzusehen.
Die Geschichte entwickelt sich vollständig um den Kriegsheimkehrer Travis Bickle herum, den Robert De Niro mit seinem ureigenen Method Acting Szene für Szene kreiert. Ob bei diesem eine posttraumatische Belastungsstörung vorliegt, wird dabei nie geklärt, deutlich ist allerdings, dass ihm die Widereingliederung in die zivile Gesellschaft nicht gelungen ist. Da er ohnehin kaum Schlaf findet, kann er auch gleich nachts Taxifahren und sich so den Abgründen des New Yorks der 70er Jahre ungefiltert aussetzen. Travis sieht die Dealer und die Prostituierten, die Kriminellen und die Abgestürzten. Er fährt die moralisch Verkommenen und die Verrückten (darunter Scorsese selbst, der ihm den Plan, seine Gattin zu ermorden, schildert). All das lässt in Travis einen Hass wachsen, der ihn diese Gesellschaft so sehr ablehnen lässt, dass er schließlich zur Waffe greift. Vorher versucht er aber noch einzugreifen. Er versucht die 12-jährige Prostituierte Iris (in Gesprächen Jodie Foster, auf der Straße ihre Schwester) zu retten, doch diese versteht gar nicht, wovor. Keiner versteht irgendwas, weder Travis noch seine Opfer. Am Ende wird sein Amoklauf in der Presse gefeiert – wieder hat niemand verstanden. Travis‘ Bluttat wird zu einer unter vielen in einer verkommenen Stadt.
Diese Ambivalenz zeigt sich schon früh. Travis, der sich als moralischer Gegenpol zu der von ihm verachteten Welt außerhalb seines Taxis versteht, verbringt nicht nur seine Freizeit in schmierigen Pornokinos, er lädt auch gleich sein Date Betsy (Cybill Shepherd) am ersten Abend in ein solches Etablissement ein. Er versteht nicht, dass sie angewidert abhaut. Er versteht nicht, dass auch er ein Teil dieser Welt ist. In seinem Taxi sitzend (tatsächlich ist diese räumliche Perspektive die am deutlichsten vorkommende) ist er abgeschottet vom Leben da draußen. Abgeschottet vom Laster, aber auch vom Glück. Er sieht Pärchen, er sieht Flirts, er sieht Suff – aber all das findet ohne ihn statt. Diese Einsamkeit ist Grundlage seiner Distanz zur Gesellschaft, sie ist der Nährboden seines Hasses. Auch wenn es nicht explizit erwähnt wird, scheint hier erneut das Bild des Kriegsheimkehrers durch. Doch anders als RAMBO (1982), der von der heimischen Gesellschaft nicht aufgenommen wird, wählt der stets lächelnde Travis seine Isolation selbst.
Formal wird diese wie erwähnt vor allem über die Abgeschlossenheit des Taxis dargestellt. Aber auch Travis‘ winzige Wohnung, die nur aus Fernseher und Staub zu bestehen scheint, signalisiert Einsamkeit. Die Kontakte zu den Arbeitskollegen bleiben oberflächlich, das Interesse für Politik ist geheuchelt (so das ihr Vertreter Palantine als Anschlagsziel aufgrund der zu großen Hürden auch ausscheidet). Natürlich dient die Großstadt im Film immer als Grundlage der Vereinzelung und der Einsamkeit, aber so überdeutlich wie in TAXI DRIVER hat man das selten gesehen. Schon das den Nebel durchstoßende Taxi im Vorspann erinnert an ein Geisterschiff ohne Ziel und die immer wiederkehrenden Fahrten durch die Nacht untermauern diesen Eindruck. Travis stromert durch eine fremde Welt ohne Herkunft und Ziel. Neonlicht spielt sich im Blech und in seinen Augen. Zufällig gab es 1975 während der Dreharbeiten auch mal wieder einen Streik der New Yorker Müllabfuhr, sodass die Straßen noch verdreckter aussahen. Diese Mixtur aus Dunkelheit, Neonlicht, menschlichen Abgründen und einer desillusionierten Hauptfigur lassen das Etikett Neo Noir überaus gerechtfertigt erscheinen.
Natürlich darf auch Scorseses Stammschauspieler Harvey Keitel bei einem solchen Werk nicht fehlen und hier tritt er als personifizierter Umgang der Gesellschaft mit Travis aus. Als Zuhälter Sport zeigt er auf unglaublich schmierige Weise seine Verachtung für Iris und spottet über Travis und dessen Ansichten. Sport verkörpert alles, was Travis hasst und wird folglich zu seinem ersten Opfer. In diesem Augenblick wird aus dem eigenbrötlerischen Außenseiter der Killer, den am Ende die Presse feiert, der aber gleichsam nur ein Teil jener verkommenen Welt ist, die er zu bekämpfen gedenkt. Der Kreis schließlich sich – und es ist ein ebenso packender wie niederschmetternder und vor allem ungemein intensiver Kreis.
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