Sugarland Express
The Sugarland Express | USA | 1974
IMDb, OFDb, Schnittberichte
Aus Angst darum, dass man ihr das Sorgerecht für ihren Sohn entziehen könnte, beschließt die arbeitslose Kosmetikerin Lou Jean Poplin (Goldie Hawn), ihren Mann Clovis Michael (William Atherton) aus dem Knast zu holen. Auf der Flucht entführen die beiden dann mehr oder minder zufällig den Polizisten Maxwell Slide (Michael Sacks), was dafür sorgt, dass sie auf dem Weg zu ihrem Sohnemann von einer Kolonne an Polizisten verfolgt werden.
Nach seinem Debüt Spielfilm DUELL (1971) verdingte sich Steven Spielberg ein wenig im TV-Metier, bevor er sich 1974 dann wieder der nächsten Filmproduktion widmen sollte. Neben Universal Pictures wirkten auch die Produzenten Richard D. Zanuck und David Brown mit, die ein Jahr später mit ihrer Zanuck/Brown Productions auch DER WEIßE HAI (1975) mitverantworten sollten. Das Skript schrieb Spielberg zusammen mit Matthew Robins und Hal Barwood, der Freunden alter PC-Adventures vor allem durch sein Wirken bei LucasArts bekannt sein dürfte. Gemeinsam entwarfen die drei ein Drehbuch, welches sich an einer wahren Begebenheit orientiert. Und obwohl der Film sich natürlich allerlei Freiheiten gewährt, so bleibt er bezüglich eines Umstandes doch sehr eng an der Realität: die Verfolgungsjagd fand tatsächlich in geradezu zeitlupengleicher Langsamkeit statt.
Verne: Ich weiß, dass Sie es mir nicht erlauben werden, das Schwein selbst umzulegen, aber können Sie nicht wenigstens meine Waffe benutzen?
Lou Jeans und Clovis‘ Fahrt bedarf zu keiner Zeit Eile oder Rasanz, sie bewegen sich mit stoischer Ruhe auf den Ziel zu, dessen Erreichen von Anfang an unmöglich scheint. Die beiden scheinen das jedoch gar nicht zu bemerken, stattdessen ärgern und freuen sie sich allenthalben über scheinbare Belanglosigkeiten. Die Rezipienten folgen hier zwei einfachen Gemütern bei ihrem chancenlosen Versuch, sich einer Welt, die ihnen nichts Gutes will, zu widersetzen. Als bildungsferne, fast mittellose Texaner haben Clovis und Lou Jean keine Chance, sich gegen das System, welches ihnen ihr Kind wegnehmen will, zu wehren. Ihr dilettantischer (und obendrein vom Pech verfolgter) Versuch, doch aufzubegehren, scheitert erwartbar. Ihnen gegenüber steht ein Staatswesen, welches die Naivität und Hilflosigkeit der zwei nicht erkennt und sie stattdessen mit übermächtiger Präsenz zu stoppen versucht. Ganz im Gegensatz zur realen Begebenheit, muss das zwar nicht blutig enden, aber tragisch allemal.
Ähnlich wie die später folgenden Highway-Klassiker CANNONBALL (1976) oder AUF DEM HIGHWAY IST DIE HÖLLE LOS (1981) setzt Spielberg dabei vor allem die Weiten Nordamerikas schick ins Bild. Kameramann Vilmos Zsigmond, der drei Jahre später auch Spielbergs UNHEIMLICHE BEGEGNUNG DER DRITTEN ART (1977) gekonnt einfangen sollte, schafft hier stellenweise genial stimmige Bilder und sorgt somit dafür, dass der Film schon rein formal zu unterhalten weiß. Einfallsreiche Einstellungen und erstaunlich ausgereifte Kamerafahrten geben sich hier die Klinke in die Hand und lassen ein sehr atmosphärisches Bild des Lone Star State entstehen. Spielbergs erste Zusammenarbeit mit Komponist John Williams fällt dagegen noch überschaubar aus. Williams‘ Score ist zwar jederzeit sicher und passend, die Brillanz späterer Arbeiten geht immer allerdings weitestgehend ab.
Lou Jean: Es hat keinen Sinn, vor einem Tornado zu fliehen.
Hauptrolle Goldie Hawn fängt die Naivität und Außenseiterrolle der Lou Jean dann wunderbar ein. Nichts Böses ahnend bewegt sie sich durch eine feindliche Welt, die ihren Gipfel während des Anrufs ihres Vaters erfährt. Seine Zurückweisungen machen die Situation, in der sich Lou Jean im Leben befindet überdeutlich – und so zählt das Telefonat sicherlich zu den tragischsten Momenten des ansonsten stets auch auf ein Augenzwinkern setzenden Streifens. William Atherton passt sich als eher stiller Clovis ebenfalls schön die die Rolle ein und gibt den hilflosen Entführer wider Willen gekonnt. Michael Sacks machte es wie die Zuschauenden und erkennt ihm Verlaufe der Entführung, dass das Pärchen eigentliche keine unredlichen Ziele hat und auch Altstar Ben Johnsons Captain Tanner ist in seiner Konzeption erstaunlich gemäßigt. Anstelle des bärbeißigen Law-and-order-Stereotypen, der sich anböte, spielt er einen bedachten und verständnisvollen Verfolger – auch mal was anderes.
Leider spielt der Film seine Karten nicht immer geschickt aus und so müssen bis zum vorhersehbaren Ende auch einige Längen durchstanden werden. Sind die Charaktere erst mal fertig gezeichnet, passiert leider nicht mehr allzu viel. Das ändert zwar nicht daran, dass SUGARLAND EXPRESS ein gelungenes Kino-Debüt (DUELL war eine reine TV-Produktion) Spielbergs darstellt, verhindert aber gleichzeitig, dass der Film höhere Weihen erfahren könnte. Macht aber auch eigentlich nichts, denn nur ein Jahr später sollte dem jungen Filmemacher ja mit DER WEIßE HAI (1975) der große Durchbruch gelingen.
Ein gelungenes Highway-Drama, das vor allem durch seine stellenweise brillante Fotografie überzeugt. Und wenn der geschickten Installation der Hauptfiguren nicht einige Längen und Hänger gegenüberstünden, wäre da wohl noch mehr drin gewesen.
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