GODZILLA

Godzilla
Gojira | Japan | 1954
IMDb, OFDb, Schnittberichte

Als in der Nähe der japanischen Insel Odo mehrere Schiffe spurlos verschwinden, ist den Bewohnern relativ schnell klar, dass der mystische Godzilla der Grund dafür sein muss. Professor Yamane (Takashi Shimura) untermauert diese Annahme mittels der These, dass die US-amerikanischen Atomwaffentests das urzeitliche Wesen aus den Tiefen der See emporgetrieben hätten. So oder so macht sich der Koloss nun über die Metropole Tokio her.

Nachdem ein Anfang der 50er Jahre geplantes Großprojekt des japanischen Produzenten Tomoyuki Tanaka nicht zu Stande gekommen war, suchte der Angestellte der Toho Filmstudios nach einer alternativen Unternehmung. In dieser Zeit sah er auch den 1953 von Eugène Lourié gedrehten PANIK IN NEW YORK. Der Streifen handelte von einem durch Atomwaffen erweckten Monstrum, welches die namensgebende Metropole dem Erdboden gleichmachte. Neben der sensationslüsternen Aufmachung des Films war es aber vor allem die Tricktechnik, die Tanaka staunen ließ. Denn die Stop-Motion-Darstellungen von Altmeister Ray Harryhausen stellten alles bisher Bekannte in den Schatten und ließ die Massen folgerichtig in die Kinos strömen.
Also begab sich Tanaka daran, dieses Konzept auf den japanischen Markt zu übertragen. Die größte Herausforderung dabei war jedoch, dass das Grundkonzept, Atomwaffen für die Erweckung des Monstrums verantwortlich zu machen, in Japan auf eine gänzlich andere Grundlage stieß als in den USA. Während letztere in der Atombombe eine technische Errungenschaft zur Festigung des Status‘ der eigenen Nation sahen, bedeutet die Waffe für Japan nach den Angriff auf Hiroshima und Nagasaki ein immenses kollektives Trauma. Dazu kam noch das Unglück des Fischkutters Dai-go Fukuryu-maru, welcher 1954 zu nahe an einen US-amerikanischen Atombombentest geriet. Die thermonukleare Verstrahlung der Besetzungsmitglieder forderte mehrere Todesopfer.

Alter: Schweig! Wenn der Godzilla über uns kommt, müssen wir ihm ein Mädchen zum Opfer bringen! Nur dann lässt er uns in Ruhe!

So verwundert es auch kaum, dass der Schriftsteller Shigeru Kayama, der zur Erstellung des Drehbuchs eingestellt wurde, ein durchweg düsteres Skript ablieferte. Dieses war Tanaka jedoch nicht recht, sodass Regisseur Ishiro Honda sowie Takeo Murata diverse Nachbesserungen vornehmen mussten; dabei änderte sich jedoch nichts an der konsequent düsteren Ausrichtung des Films, ständig schwebt eine latente Bedrohung über der Szenerie, einen wirklichen Ausweg scheint es zu keinem Zeitpunkt geben.
Denn im Angriff Godzillas spielgelt sich die Ohnmacht wider, die die japanische Bevölkerung angesichts des atomaren Angriffs der Amerikaner empfand. Übermächtig und alles zerstörend kommt das Monstrum deshalb daher und hinterlässt nur Schmerz und Trauer. Etablierte Wissenschaft und Militär sind machtlos gegen das Ungetüm und letztlich kann nur ein eigenbrötlerischer, vom Nationalstolz gepackter Wissenschaftler das Wesen besiegen. Aber auch dessen Vernichtung sorgt mitnichten für ein Aufatmen. Professor Yamane beschließt den Film deshalb mit mahnenden Worten, die sich nicht nur an die japanische Bevölkerung richten, sondern an die Menschheit als solche.

Dieser Pessimismus wird auch auf persönlicher Ebene weitergeführt. Die Unmöglichkeit der Beziehung zwischen Ogata und Emiko bricht die Ohnmacht Japans gegenüber Godzilla auf eine persönliche Ebene herunter, auch in intimsten zwischenmenschlichen Beziehungen ist der Mensch hier nicht Herr seiner selbst. Vielmehr bestimmt hier das patriarchale Gesellschaftssystem, welches in diesem Falls sogar von dem ansonsten sehr aufgeklärt und emanzipiert wirkenden Professor Yamane befördert wird. Auch diese Beziehungsdarstellung trägt somit – ungeachtet des vermeintlichen happy-Ends – maßgeblich zum düsteren und pessimistischen Stil des Films bei.

Reporter: Was Sie auf Ihren Bildschirmen sehen, ist kein Spiel von Menschenhirnen erdacht, es ist grausige Tatsache, es ist das Unglück dieses Jahrhunderts. Es ist, als ob wir in eine Welt zurückversetzt werden, wie sie vor zwei Millionen Jahren vielleicht existiert hat!

Die kontrastreichen schwarz-weißen Bilder transportieren diese Stimmung gekonnt und die zahlreichen Tricksequenzen fügen sich großartig in dieses Konzept ein. Der Chef der Spezialeffekte, Eiji Tsuburaya, war schon 1933 von KING KONG UND DIE WEIßE FRAU (1933) derart beeindruckt, dass er sich die Erschaffung einer ebenso ikonischen Figur zum Ziel machte. Statt sich dann aber an der Stop-Motion-Technik eines Harryhausen inspirieren zu lassen, ging Tsuburaya seinen eigenen Weg und sollte mit der Suitmation eine Technik ersinnen, die sich in den folgenden Jahrzehnte als absolut prägend für den japanischen Film erweisen sollte.
Die Herren Haruo Nakajima und Katsumi Tetsuka wechselten sich innerhalb des zwei Zentner wiegenden Echsenkostüms ab und erweckten den schuppigen Antagonisten so zum Leben. Hier machte sich auch die kostenbedingte Entscheidung, den Film in Schwarz-weiß zu produzieren, bezahlt, kaschierte diese Darstellung doch das durchaus schlichte Kostüm zusätzlich.

So richtig zur Geltung kommt das Wesen allerdings erst, wenn es auf die fantastischen Miniaturen trifft, die hier Tokio darstellen. Unzählige Straßenzüge, Bahntrassen und Gebäude sorgen für eine wundervolle kleine Welt, innerhalb derer die statischen Bewegungen des Godzilla zur Nebensache werden. Hier wurde ohne Frage Filmgeschichte geschrieben, sollten derartige Miniaturwelten doch zum Markenzeichen des japanischen Kinos werden.
In schauspielerischer Hinsicht kann der Film vor allem durch die persönliche Situation der vier zentralen Charaktere punkten. Die Figur des Professor Yamane wird von Takashi Shimura wie erwähnt sehr ambivalent und facettenreich gegeben. Oft ist er der Resignation nahe und letztlich sorgt die Vernichtung Godzillas bei ihm trotzdem nicht für ein positives Resümee. Seine Tochter Emiko – gespielt von Momoko Kochi – steht im Zentrum aller Figuren und ist zwischen ihrer wahren Liebe Ogata – von Akira Takarada ordentlich, wenn auch letztlich unspektakulär gemimt – und dem ihr zugedachten Dr. Serizawa – der mit Augenklappe angenehm düstere Akihiko Hirata – hin- und hergerissen.

Typ: Wer ist das?
Alter: Der Godzilla, ein schreckenerregendes furchtbares Ungeheuer. Wenn der Godzilla im Meer keine Fische mehr findet, geht er an Land und frisst Menschen!

Trotz seiner durchaus düsteren und nachdenklich-pessimistischen Grundhaltung wurde der Film zu einem veritablen Erfolg und gehört bis heute zu den erfolgreichsten japanischen Filmen aller Zeiten. Denn obwohl zahlreiche Kritiker dem Film vorwarfen, er würde seinen Unterhaltungswert aus der Ausbeutung des japanischen Traumas ziehen, zog er die Massen in die Kinosäle, um sie mit ebendiesem Trauma zu konfrontieren.
Und ganz nebenbei begründete der Film so das Genre des Kaiju Eiga, des japanischen Riesenmonsterfilms. Bis heute zog der Film über 25 Nachfolger nach sich, die sich allesamt um die Riesenechse Godzilla ranken. Die ernste Ausrichtung blieb dabei übrigens auf der Strecke, stellten die meisten der Nachfolger doch eher fröhlich-bunte und trashig-abstruse Werke dar. Auch deshalb ist die Bedeutung dieses Grundsteins des Kaiju Eiga gar nicht hoch genug einzuschätzen.

Eine weitere Eigenschaft, die für dieses Genre typisch werden sollte, nahm der Film (bzw. seine Verleiher) übrigens ebenfalls vorweg: Die Erstellung mehrerer Schnittfassungen. Da die meisten internationalen Verleiher der Meinung waren, dass die zahlreichen Darbietungen von japanischer Kultur sowie die unverblümte Kritik am amerikanischen Kriegsagieren, nicht mit dem Konzept des fantastischen Unterhaltungsfilms zu vereinbaren seien, wurden alternative Fassungen für die internationale Vermarktung erstellt. Während man in Deutschland lediglich einen um alles Komplizierte erleichtern Korpus des Films veröffentlichte, ging man in den USA daran, den Film mittels zusätzlicher Szenen zugänglicher zu gestalten.
Denn 1956 kaufte Jewell Enterprises die Rechte an dem Werk und beauftragte den Regisseur Terry O. Morse – der sich mit diversen Abenteuer-Schinken einiges an Renommee erarbeitet hatte – damit, einige Szenen nachzudrehen, um den Originalfilm für das US-amerikanische Publikum goutierbar zu machen. Mit Raymond Burr als Journalisten fügte man so eine Hauptfigur ein, die das westliche Publikum mittels einer retrospektiven Betrachtung des eigentlichen Filmgeschehens an den Stoff heranführte. Dabei wird der eigentliche Film dann quasi von Burrs Figur Steve Martin kommentiert.

Yamane: Mit der Vernichtung des Godzilla, ist die Gefahr für uns alle nicht aus der Welt geschafft. Wenn wir – in maßloser Vermessenheit – fortfahren die Atomkraft zu missbrauchen kann es sein, dass Schlimmeres geweckt wird. Kann es sein, dass größeres Unheil über uns hereinbricht als dieser Godzilla.

Zahlreiche Szenen versuchen Burr in den Film zu integrieren, was überwiegend in skurrilen bis dilettantischen Versuchen mündet. Vor allem die Einstellungen, die denen Burr zu nur von hinten gezeigten Körper-Doubles spricht (die originalen Darsteller standen natürlich nicht zur Verfügung), sorgen heute doch eher für Erheiterung. Letztlich ist dieses Kuriosum mit dem Namen GODZILLA, KING OF THE MONSTERS! Aber eben eine erste Ausprägung dessen, was später typisch für dieses Genre werden sollte.
Aber auch ohne derartige Nebengeräusche ist GODZILLA sicherlich ein faszinierender Grundstein des Kaiju Eiga. Düster und pessimistisch, optisch brillant und tricktechnisch aufwendig hat er nichts von seiner Strahlkraft verloren. Gerade die Entscheidung, schwarz-weiß zu drehen, sorgt dafür, dass der Film auch heute noch prächtig aussieht und in seiner Wirkung auf das japanische Kino ist er ohnehin über jeden Zweifel erhaben. Einer der Filme eben, die das Wort Klassiker wirklich für sich beanspruchen können.

Der erste Auftritt der Riesenechse überzeugt als düsteres und gesellschaftkritisches Meisterwerk. Eine in Würde gealterte Optik und die nach wie vor ansehnliche Tricktechnik machen Hondas ersten großen Streich auch heute noch zum absoluten Pflichtprogramm für Freunde monströser Unterhaltung.


Antworten

  1. Avatar von UFOS ZERSTÖREN DIE ERDE | SPLATTERTRASH
    UFOS ZERSTÖREN DIE ERDE | SPLATTERTRASH

    […] Ishiro Honda dem Kaiju Eiga, dem japanischen Riesenmonster-Film, mit GODZILLA (1954) und DIE FLIEGENDEN MONSTER VON OSAKA (1958) den Weg geebnet hatte, verlagerte der Regisseur […]

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  2. Avatar von U 2000 – TAUCHFAHRT DES GRAUENS | SPLATTERTRASH
    U 2000 – TAUCHFAHRT DES GRAUENS | SPLATTERTRASH

    […] wichtig gewesen und wurde so immer wieder in den Filmen verarbeitet. Schon Ishiro Hondas Klassiker GODZILLA greift Themen wie Krieg, Atomwaffen und Umweltverschmutzung auf (welche für die deutsche wie […]

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  3. Avatar von FRANKENSTEINS MONSTER JAGEN GODZILLAS SOHN | SPLATTERTRASH
    FRANKENSTEINS MONSTER JAGEN GODZILLAS SOHN | SPLATTERTRASH

    […] begründete Ishiro Honda mit GODZILLA eine Filmreihe, die sich bis heute großer Beliebtheit und vieler Fortsetzungen erfreut. Mindestens […]

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  4. Avatar von MONSTER DES GRAUENS GREIFEN AN | SPLATTERTRASH
    MONSTER DES GRAUENS GREIFEN AN | SPLATTERTRASH

    […] Honda kann sich zu den ganz Großen des japanischen Trash- und Monster-Films zählen. Mit GODZILLA (1954) und DIE FLIEGENDEN MONSTER VON OSAKA (1956) legte er den Grundstein für das japanische […]

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  5. Avatar von DER KOLOSS VON KONGA | SPLATTERTRASH
    DER KOLOSS VON KONGA | SPLATTERTRASH

    […] mit unzähligen Martial-Arts-Filmen gemacht hatte. Und da man im asiatischen Filmwesen ja seit GODZILLA (1954) durchaus vertraut mit dem Wirken großwüchsiger Tiere ist, begaben sich die […]

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  6. Avatar von TODESSTRAHLEN AUS DEM WELTALL | SPLATTERTRASH
    TODESSTRAHLEN AUS DEM WELTALL | SPLATTERTRASH

    […] Ishiro Honda das Atom-Trauma der Japaner in seinem Klassiker GODZILLA (1954) verarbeitete und eine große Welle an Nachahmern Ähnliches versuchte bzw. die Idee für […]

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  7. Avatar von PANIK IN NEW YORK | SPLATTERTRASH
    PANIK IN NEW YORK | SPLATTERTRASH

    […] des Dinos dieser Idee aufs Schärfste. Im Vergleich zu Ishiro Hondas ein Jahr späteren folgenden GODZILLA (1954) lassen sich die unterschiedlichen gesellschaftlichen Konnotationen der Atomtechnik also […]

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  8. Avatar von ALARM IM WELTALL | SPLATTERTRASH
    ALARM IM WELTALL | SPLATTERTRASH

    […] Daneben dienten Filme wie PANIK IN NEW YORK (1953) und dessen japanische Weiterentwicklung GODZILLA (1954), FORMICULA (1954) oder TARANTULA (1955) mit ihren absurden Monstren zur kurzweiligen […]

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    VERGESSENE WELT – JURASSIC PARK | SPLATTERTRASH

    […] nach San Diego bringt, trägt sogar den gleichen Namen wie der damalige Expeditionskreuzer) oder GODZILLA (1954) wirklich nötig ist, sie zeigt allerdings nur allzu genau, was aus der ehemals zauberhaften […]

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  10. Avatar von GODZILLA | SPLATTERTRASH
    GODZILLA | SPLATTERTRASH

    […] des US-Militärs, Atomsprengköpfe einzusetzen, ein Thema anzusprechen, welches im originalen GODZILLA (1954) bekanntlich die zentrale Rolle spielte und letztlich der Schöpfungsgedanke hinter der […]

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