SHANGHAI-EXPRESS

Shanghai-Express
Shanghai-Express | USA | 1932
IMDb, OFDb, Schnittberichte

Im Zug von Peking nach Shanghai sitzt neben dem Armeearzt Captain Donald Harvey (Clive Brook) auch dessen ehemalige Geliebte Shanghai Lily (Marlene Dietrich). Doch während die beiden ihre alte Liaison rekapitulieren, stoppt der Rebellenführer Henry Chang (Warner Oland) den Zug und sucht sich Captain Harvey als Geisel für den Austausch von Gefangenen aus.

Der aus Österreich stammende US-amerikanische Regisseur Josef von Sternberg hatte bereits die Filme DER BLAUE ENGEL (1929), MAROKKO (1930) und ENTEHRT (1931) mit der von ihm stets protegierten Marlene Dietrich gedreht und auch 1932 sollte das Kinojahr nicht ohne weitere Zusammenarbeit er beiden vergehen. Erneut zusammengeführt wurden sie durch das Studio Paramount Pictures, welches gerade die Rechte an dem gleichnamigen Roman von Harry Hervey erworben hatte. Zögernd, ob man Marlene Dietrich oder die bereits etabliertere Tallulah Bankhead besetzen solle, gab schließlich Sternbergs Engagement den Ausschlag. Doch hatte sich der Regisseur in seinen drei vorherigen Zusammenarbeiten mit der Dietrich den Ruf erworben, den optisch Kniffen und Tricks gegenüber einer komplexen Handlung stets den Vorzug zu geben.
Und auch wenn Drehbuchautor Jules Furthman die Romanvorlage hier durchaus facettenreich in einen Spielfilmskript übersetzt, so bleibt doch jederzeit erkennbar, wie diese grundlegende Kritik an der Arbeitsweise Sternbergs entstanden ist. Die Geschichte des zerrissenen Paares, welches durch eine Notsituation erneut die Liebe füreinander entdeckt, ist weder sehr innovativ noch sehr spannend. Tatsächlich stellt sich der Spannungsbogen sogar als ziemlich verquer heraus, gipfelt er doch letztlich in einer mehr als überschaubaren Auseinandersetzung. Bis dahin gibt es zahlreiche Nebenrollen zu sehen, die jedoch meist nur als Stichwortgeber dienen und in Relation zu Dietrich (und mit Abstrichen Brook) quasi keine nennenswerte Screentime erhalten.

Chang: Warum fahren Sie nach Shanghai?
Lily: Ich möchte einen Hut kaufen.

Denn der Film ist einzig und allein auf Marlene Dietrich zugeschnitten. Sie ist das unumwundene Zentrum aller Geschehnisse. Sie ist verrucht und mutig, lustig und bitter, schön und grausam. Schon ihr erster Auftritt wird zelebriert und in der Folge spielt sich alles in ihrem Umfeld ab. Die Figur Harvey ist dieser Präsenz als einzige gewachsen, hängt Dietrichs Lily doch allzu sehr an ihm. Nur diese beiden agieren auf Augenhöhe, selbst der Rebellenführer Chang ist dem Anmut und der Erhabenheit dieser beiden nicht gewachsen. Dass Lily (und ihre Begleiterin Hu Fei ebenso) eine Prosituierte ist, die trotzdem die Rolle als Frau von Welt perfekt besetzt, ist ein Zauber, der in der Pre-Code-Ära halt noch möglich war, zwei Jahre später dann allerdings erlosch.

Neben Dietrich (die hier übrigens zum vorerst letzten Mal die verruchte Schöne gab, bevor sie sich kurze Zeit später in BLONDE VENUS (1932) als bodenständige Hausfrau versuchen sollte) ist der Brite Clive Brook wie erwähnt solide unterwegs, während Warner Oland in der Rolle des überheblichen Rebellenführers Chang durchaus an seine Darbietungen als Antagonist in den ersten drei Filmen der DR. FU MAN CHU-Reihe erinnert. Ebenfalls aus dieser Serie bekannt ist Anna May Wong, die hier ein weiteres Mal ihre großen schauspielerischen Fähigkeiten unter Beweis stellt.

Lily: Einmal brauchte ich dein Vertrauen, da hast du’s mir verweigert. Und jetzt wo ich’s nicht verdiene, da gibst du es mir.

Neben diesem namenhaften Cast ist es dann aber vor allem der Stab, der dem Film zu großem Ruhm verhalf. Der deutsche Dekorateur Hans Dreier bastelte in der Umgebung von Los Angeles eine Gleisabschnitte, die Peking als ein wundervoll drängendes und drückendes Gewusel an den Zug schmiegen. Diese wenigen Außenaufnahmen sind maßgeblich für die Stimmung und die Atmosphäre verantwortlich, die der Film zu entfalten vermag. Eingefangen hat das dann Kameramann Lee Garmes, der im gleichen Jahr auch Howard Hawks und Richard Rossons Gangsterfilmklassiker SCARFACE (1932) fotografiert hatte. Garmes sorgt für zahllose schöne Aufnahmen und unterstützt so noch mal Sternbergs ohnehin sehr auf Formalia konzentrierten Inszenierungsstil.
SHANGHAI-EXPRESS wurde so zu einem weiteren bildgewaltigen Zeugnis der funktionierenden Zusammenarbeit von Dietrich und Sternberg. Erste festigte so weiter ihre ikonische Rolle als femme fatale und letzterer lieferte einen weiteren Erfolg als Regisseur ab. Bei rund 800.000 US-Dollar Budget spielte der Streifen weltweit knapp 1,5 Millionen US-Dollar ein und wurde so zur bislang erfolgreichsten Zusammenarbeit der beiden.

Inhaltlich und narrativ weitestgehend überschaubares Romantik-Drama, dass aber Dank der tollen Ausstattung und Inszenierung Sternbergs und der schieren Präsenz Dietrichs einiges an Ruhm einheimsen konnte.

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