Wege zum Ruhm
Paths of Glory | USA | 1957
IMDb, OFDb, Schnittberichte
Während des Ersten Weltkriegs befiehlt der französische General Mireau (George Macready) dem 701. Regiment einen aussichtslosen Angriff auf eine deutsche Stellung. Nachdem dieser Angriff misslungen ist, sollen drei Soldaten wegen „Feigheit vor dem Feind“ von einem Kriegsgericht zum Tode verurteilt werden, doch Colonel Dax (Kirk Douglas), Befehlshaber des 701. Regiments, übernimmt deren Verteidigung.
Stanley Kubrick lieferte mit DIE RECHNUNG GING NICHT AUF (1956) einen künstlerisch sehr beachtlichen Film ab, der allerdings finanziell lediglich dazu befähigt war, die entstandenen Kosten wieder einzuspielen. Trotzdem war man im Hause Metro-Goldwyn-Mayer dazu bereit, dem Produzentenduo Kubrick und James B. Harris weiteres Budget für ihr nächstes Projekt zur Verfügung zu stellen. Letzterer hatte bereits die Filmrechte an dem 1935 erschienenen Antikriegsbuch Wege zum Ruhm von Humphrey Cobb erworben, Kubrick selbst hatte das Buch bereits kurz nach dessen Erscheinung in die Hände bekommen und zeigte sich seit jeher von dieser Niederschrift eines realen Ereignisses beeindruckt.
Anders verhielt es sich jedoch mit MGM, weil das Studio mit John Hustons DIE ROTE TAPFERKEITSMEDAILLE (1951) gerade erst einen Antikriegsfilm herausgebrachte hatte. Also versuchte man Kubrick und Harris ein anderes Projekt aufzunötigen (es sollte sich um eine Adaption der Novelle Brennendes Geheimnis von Stefan Zweig handeln), entzweite sich jedoch völlig mit den beiden, als man merke, dass diese insgeheim weiter am Drehbuch zu WEGE ZUM RUHM arbeiteten. Folglich standen Kubrick und Harris dann schnell ohne Geldgeber da, hatten jedoch das große Glück, dass sich Kirk Douglas, seit seiner Hauptrolle in Richard Fleischers 20.000 MEILEN UNTER DEM MEER (1954) eine Person von höchstem Renommee, brennend für das Projekt interessierte. Im Gegenzug für die Hauptrolle ließ Douglas dann seine Kontakte zu United Artists spielen, die schon Kubricks vorherige zwei Filme ins Kino gebracht hatten und die dann runde 900.000 US-Dollar an Budget zusagten; von denen sich Douglas gleich ein Drittel als Gage in die eigene Tasche steckte.
Broulard: Es geht mir in diesem Fall nur darum, auch die rein menschliche Seite gerecht zu bewerten.
Mireau: Gewiss, aber hier stehen noch höhere Dinge auf dem Spiel.
So konnte die Arbeit am Skript dann vollendet werden, wobei Kubrick und Autor Jim Thompson, der auch schon an DIE RECHNUNG GING NICHT AUF maßgeblich beteiligt war, zunächst ein sehr viel positiveres Finale planten. Das wurde jedoch von Calder Willingham verhindert, der das Drehbuch überarbeitete und somit wieder eng an die Vorlage von Cobb brachte. Kubrick und Thompson hatten mit ihrer Version eher auf die Gunst der Kritik und des Publikums geschielt, doch Willingham schien erkannt zu haben, dass nur der düster-pessimistische Verlauf der Geschichte die volle Wirkung derselben entfalten könne.
Und tatsächlich ist es dann die brutale Ohnmacht des Colonel Dax vor den Machenschaften der hohen Militärs, die den Film so eindringlich macht. Der Tod der drei Soldaten – so unsinnig und zwecklos er auch ist – ist für Dax nicht zu verhindern. Die Generäle führen den Krieg mit ihren Mitteln in den Schlössern des Hinterlandes. Ihr Übermut und ihr Starrsinn spottet der Männer, deren Leben sie damit riskieren. In einer Szene dient ein pompöser Saal noch als Schauplatz eines abgekarteten Tribunals, in der nächsten tanzen die Generäle in selbigem Walzer. Derartige Gegensätze, allen voran der Kontrast zwischen dem Schützengraben des Soldaten und dem Schloss der Generäle, durchziehen den Film und verleihen ihm so eine überdeutliche Stimme gegen den Militarismus.
Mireau: Colonel, beantworten Sie meine Frage: Wer war dieser Johnson?
Dax: Ein Schriftsteller.
Mireau: Und was hat er über den Patriotismus gesagt?
Dax: Er sagte, dass er die letzte Zuflucht eines Schurken sei. Ich bitte um Verzeihung, das sollte keine persönliche Anspielung sein.
Auch optisch macht Kubrick diesen Kontrast sehr schön deutlich. Rein technisch nutzt er in den Kriegsszenen oftmals eine starke Unterbelichtung, die die Konturen nur noch per Gegenlicht erkennen lässt. Das Schlachtfeld ist dunkel und unübersichtlich, chaotisch und voller Leichen (großartig hier die Szene, in der nur das Licht von Signalfackeln den Zuschauer die wahre Anzahl der Toten erahnen lässt). Dem gegenüber belichtet Kubrick das Schloss und dessen Hof stark über, so dass alles strahlend weiß und klinisch rein wirkt. Die politisch korrumpierten Generäle bewegen sich somit in einer Welt, in der es augenscheinlich keine Dunkelheit, keine Grausamkeit gibt. Dass dieser Schein trügt, wird wundervoll klar, wenn sich General Mireau über den Anstand auslässt, mit dem die Exekutierten ihrem Tod begegnet sind.
Des Weiteren besteht der Film aus zwei Hälften, deren erste die Situation noch als relativ klassischer Antikriegsfilm vorbereitet, während die zweite sich dann voller Inbrunst den maroden Hintergründen derselben widmet. Dax‘ Kampf gegen die Todesstrafe (gleichzeitig eine der Kernaussagen des Films) spielt sich dann im Rahmen militärischer Gesetzgebung ab und führt diese gnadenlos vor. Eines der zentralen Mittel, mit denen Kubrick das Militär abstraft, ist das Verhalten der beiden Generäle Mireau und Broulard, die sich in Hochmut und Enthobenheit gegenseitig zu übertreffen scheinen. Insbesondere, wenn Broulard in Dax‘ Darlegung der Machenschaften Mireaus lediglich dessen Willen erkennt, den Posten des Generals zu übernehmen, wird dies überdeutlich.
Mireau: Wenn die Feiglinge den feindlichen Kugeln ausweichen, werden sie die eigenen zu schmecken bekommen!
Hier wird auch klar, welch großen Anteil die Besetzung am Funktionieren des Film hat. Adolphe Menjou und George Macready trumpfen in den Rollen der Generäle richtig auf und sorgen so erst dafür, dass diese niederträchtigen Charaktere ihre volle Wirkung entfalten. Daneben brilliert Kirk Douglas als moralisch integrer, aber zunehmend von den Mechaniken einer militarisierten Gesellschaft enttäuschter, Colonel Dax. Aber auch die drei verurteilten Soldaten werden von Timothy Carey, Ralph Meeker und Joseph Turkel trefflich gegeben. Das erste Mal in seinem Leben konnte Kubrick hier mit einem auch in der Breite stark besetztem Cast arbeiten und auf Anhieb zeigte er, zu was er in diesem Falle in der Lage ist. Die deutsche Sängerin am Ende wird übrigens von der damaligen Christiane Susanne Harlan gegebenen, die Kubrick kurz vor dem Dreh kennen und lieben lernte und die er kurz darauf als seine dritte und letzte Frau ehelichen sollte.
Mit seiner sehr eindeutigen und niederschmetternden Aussage war der Film dann vor allem in Frankreich nicht gerne sehen, wo man ihn als direkten Affront gegen die französische Armee betrachtete und so bis 1975 seitens der französischen Verleiher kein Versuch unternommen wurde, den Film zu veröffentlichen. Aber auch zahlreiche andere Länder auf der Welt stießen sich an der schonungslosen Direktheit des Films und verboten Aufführungen und versahen diese mit Schnittauflagen. Diese Reaktionen sind wohl bis heute der beste Beweis für die Wirkmächtigkeit des Films. Umso erstaunlicher ist es dann, dass Kubricks vierter Spielfilm, der bis heute in der allgemeinen Rezeption als einer der besten Antikriegsfilme gilt, beim Publikum keinen großen Erfolg verbuchen konnte und so ebenfalls nur kostendeckend in den Kinos lief. Für Kubricks persönliche Entwicklung sollte WEGE ZUM RUHM jedoch von entscheidender Bedeutung sein, legte er mit diesem doch seinen ersten großen Klassiker vor.
Nach wie vor einer der gelungensten Antikriegsfilme, der bis heute nichts von seiner Eindringlichkeit und seinem Pessimismus verloren hat. Darüber hinaus zeigt Kubrick hier schon sehr deutlich seine technischen Fähigkeiten und macht den Film so auch formal zu einem echten Hingucker.
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