Geißel des Fleisches
Geißel des Fleisches | Österreich | 1965
IMDb, OFDb, Schnittberichte
Alexander Jablonsky (Herbert Fux) sitzt vor Gericht, er soll diverse Frauen in lüsterner Gier ermordet haben. Um ihm diese Schandtaten nachzuweisen, führt das Gericht diverse Zeugen ins Feld, die vergangene Geschehnisse rekapitulieren. An vorderster Front sind das ein Kriminalkommissar (Josef Loibl) und die Kriminalassistentin Marianne (Edith Leyrer), die beide unmittelbar mit Jablonsky konfrontiert waren. Und deren Geschichten von mehr als nur schummrigen Milieus lassen dem Hohen Gericht den Atem stocken.
Am 12. März 1963 begab sich der als Wiener Opernmörder Berühmtheit erlangende Josef Weinwurm in die Duschkabinen der Wiener Staatsoper und brachte dort die 11-jährige Ballettschülerin Dagmar Fuhrich mit 34 Messerstichen um. Umfangreiche Ermittlungsarbeiten, im Zuge derer die Wiener Polizei rund 14.000 Verdächtige überprüfte, ließen Weinwurm, der bis dahin jedoch drei weitere junge Frauen mit einem Messer attackiert hatte, schließlich ins Netz gehen. Die Tat löste eine riesige Welle der Empörung aus und ließ die Öffentlichkeit intensiv über die möglichen Hintergründe der Tat spekulieren. Schnell waren allerlei Ideen über zerrüttete Elternhäuser und lieblose Kindheiten im Umlauf und auch der bis dato vor allem mit Industrie- und Dokumentarfilmen betraute Wiener Eddy Saller nahm von diesen Notiz. Und da ihm ohnehin eine Karriere als Spielfilmregisseur vorschwebte, machte er diese öffentlichkeitswirksame Geschichte zum Grundstein seines ersten Spielfilms.
Staatsanwalt: Herr Zeuge, warum hat die Polizei nicht schon längst etwas gegen das ungesetzliche Treiben in dieser obskuren Bar unternommen?
So weist zu Beginn eine Texttafel auf die unsäglichen Geschehnisse der jüngeren Vergangenheit hin und lässt den Zuschauer so zunächst damit rechnen, dass der Film anklagen und beleuchten möchte. Doch schon nach wenigen Minuten wird deutlich, dass der Streifen gänzlich andere Pläne hegt. Denn um seine Hauptfigur, den Pianisten Alexander Jablonsky, zu charakterisieren, dürfen wir diesem zunächst bei einem Mord an einem nackten Mädchen in einer Duschkabine zusehen (nur zwei Jahre nach der tatsächlichen Tat sicherlich ein nicht zu unterschätzender Affront), bevor Saller ihn dann bei seiner Arbeit zeigt: diese besteht daraus, laszive Nachtclubs und leichtbekleidete Modenschauen mit Geklimper zu untermalen. Dabei geraten andauernd diverse Freizügigkeiten an Jablonskys Auge, was regelmäßig zu dessen zügellosen Mördereien führt. Von erster Auseinandersetzung und behutsamer Annäherung ist da schon lange nichts mehr zu erkennen, Saller ergeht sich viel mehr in ebenso plakativen wie spekulativen Darstellungen. Dass die weiblichen Opfer aufgrund ihrer Freizügigkeiten nur allzu oft eine Mitschuld an ihrem Schicksal tragen, unterstreicht diese Konzeption noch.
Das halbe Dutzend Rückblenden, die Jablonsky mehr und mehr als Untier ausformen, wird von einer Gerichtsverhandlung zusammengehalten, in der die diversen Zeugen die Geschehnisse darstellen. Auch hier bleiben die Ermittlungen und Abwägungen äußerst vordergründig, eine Auseinandersetzung mit der Figur Jablonsky steht zu keinem Zeitpunkt im Fokus. Stattdessen soll ein Wesen geschaffen werden, dem der Kinozuschauer mit Freunde und Eifer seinen Unmut entgegenschleudern kann – und dafür braucht man bekanntlich kein Hintergrundwissen.
Mädel: Du, beeil dich! Bobby hat mir seinen neuen Porsche geliehen.
Freundin: Die Liebe geht durch den Wagen!
Für diese Rolle eignet sich Genre-Legende Herbert Fux bekanntlich ganz hervorragend, diente sein markantes Gesicht doch in unzähligen Produktion als Inbegriff des Bösen. Hier bleibt er meist stumm und blickt stattdessen mit verschwitztem Gesicht in die Kamera oder unter die Röcke. Neben allerlei hübschen Mädels kommt Edith Leyrer, die zwölf Jahre später im Vampir-Kracher LADY DRACULA (1977) erneut mit Fux zusammen vor der Kamera stehen sollte, als Kriminalassistentin Marianne eine erstaunlich emanzipierte Rolle zu. Sie handelt meist auf eigene Faust, scheut keine Auseinandersetzung und bringt sich und andere regelmäßig in Gefahr. Dazu gibt es mit dem danach ausschließlich für das Fernsehen tätigen Josef Loibl noch einen stereotypen Kriminalkommissar und allerlei trefflich besetzte kleinere Rollen.
Der ebenfalls aus Wien stammende Komponist Gerhard Heinz, der in den 60er und 70er unzählige deutschsprachige Schmuddeleien mit Musik versah, ersann dann noch einen wundervoll dynamischen Soundtrack, der die Darbietungen stets etwas überzeichnet begleitet. Zusammen mit zahlreichen Aufnahmen des nächtlichen Wiens, der erwähnten Etablissements und (erstaunlich) viel nackter Haut entsteht so ein Film, der in der österreichischen Nachkriegsfilmlandschaft (zusammen mit dem ebenfalls von Saller stammenden SCHAMLOS (1968)) beinahe einzigartig ist. Inmitten von Heimat- und Kunstfilmen schuf der Regieneuling einen wundervollen Exploitationreißer, der sich glatt erdreistet, sich die gesellschaftliche Debatte um Vergewaltigungen und sexuelle Entgleisungen zu Nutze zu machen, und schließlich in einer Szene mündet, die den Jedermann zum Schmutzfinken erklärt – großartig!
Eine Perle des österreichischen Nachkriegskinos! Zwischen Heimatfilm und sonstigen Schnulzen ergeht sich Eddy Sallers Regiedebut in Schmutz und Niedertracht und scheut sich nicht davor, ein wirklich heißes Eisen anzufassen. So sieht erstklassige Exploitationkost aus!