Shutter Island
Shutter Island | USA | 2010
IMDb, OFDb, Schnittberichte
AVIATOR (2004) und DEPARTED – UNTER FEINDEN (2006) waren gefeierte Erfolge, SHUTTER ISLAND hebt sich dagegen merkwürdig ab. Der nach einem Drehbuch von Laeta Kalogridis entstandene Mind-Fuck-Film (allein der Begriff macht ihn zu einem Kind der 00er), der seine Grundlage in Dennis Lehanes gleichnamigem Roman aus dem Jahre 2003 findet, folgt den Spuren von Filmen wie Nolans MEMENTO (2000), Lynchs MULHOLLAND DRIVE (2001), Kellys DONNIE DARKO (2001) oder Andersons DER MASCHINIST (2004). Er profitiert dabei von Scorseses Fähigkeit, Stimmungen einzufangen und Settings spürbar zu machen, leidet allerdings gleichzeitig unter einem arrhythmischen Ablauf – der mitnichten beabsichtigtes Spiegelbild der Wirrungen der Hauptfigur Teddy ist.
Vor allem das Eintreffen von DiCaprios Teddy auf der Insel läuft überaus hektisch ab, lässt kaum Zeit, die Situation zu überblicken. Mark Ruffalos Chuck und Ben Kingsleys Cawley werden nur grob umrissen, die Geschehnisse überschlagen sich. Wäre das in Anbetracht der späteren Offenbarungen durchaus noch erklärbar, gewinnt die Inszenierung des Films mit fortschreitender Spielzeit – und somit analog zum zunehmenden Abdriften Teddys – aber an Ruhe und Souveränität und stellt Form und Inhalt somit diametral gegenüber. Das raubt die Konsistenz und soll somit als nichtintendiert behandelt werden. Der finale Perspektivwechsel ist sicherlich wirkmächtig, verliert aber durch zahlreiche, ab den ersten Minuten regelmäßig auftauchende Vorausdeutungen einiges an Potenzial.
Interessant nehmen sich hingegen die Positionen des Films bezüglich jener Menschen aus, die (aus welchen Gründen auch immer) von der Mehrheit der Menschen für „verrückt“ erklärt werden. Teddys Begegnung mit Rachel in der Höhle thematisiert den völligen Verlust der Selbstbestimmung von Psychiatrie-Patienten und die (wenn auch mit Bedauern verkündete) Entscheidung Cawleys, bei ausbleibendem Behandlungserfolg eine Lobotomie vorzunehmen, spricht Bände über sein Verständnis von Menschlichkeit. Es ist bezeichnend, dass diese jene Momente des Films seine stärksten sind, die das Perspektivspiel für einige Momente ruhen lassen.
Es soll indes nicht unerwähnt bleiben, dass Scorsese – wie eingangs angedeutet – einiges an stimmigen Bilder und eindrücklichen Szenen auf die Leinwand zaubert. Auch wenn mir einige der Traumsequenzen zu sehr unter CGI-Einffluss stehen, so zeigen unter anderem der Sturm über der Insel, der nächtliche Friedhofsbesuch oder die Dachau-Sequenzen das inszenatorische Feingespür Scorseses doch deutlich auf. Das macht SHUTTER ISLAND zweifelsfrei zu einem sehenswerten Film – der jedoch jederzeit ein deutliches Stück von höheren Weihen entfernt bleibt.