WILD STYLE

Wild Style
Wild Style | USA | 1982
IMDb, OFDb

Formal ist Charlie Ahearns WILD STYLE – ähnlich wie sein vorangegangener Spielfilm THE DEADLY ART OF SURVIVAL (1979), der auch das Leben in New York zeigt, allerdings den Kampfsport als Bezugsrahmen wählt – zügig abzuurteilen. Es gibt kaum eine fortlaufende Geschichte, die Laiendarstellenden (die Raper George „Lee“ Quinones und Frederick „Fab 5 Freddy“ Brathwaite geben die Hauptrollen) können ihren Mangel an Können nicht verhehlen und grundlegende technische Ausstattung scheint während des Drehs auch nicht zur Verfügung gestanden zu haben. Das Ergebnis ist eine weitgehend unzusammenhängende Aneinanderreihung von Szenen, die augenscheinlich in der Bronx gedreht wurden oder bisweilen in Hotelzimmer und auf Konzerte führen. Dazwischen gibt es viel Füllmaterial, das U-Bahnwagen auf ihrem Weg durch den Betondschungel, Graffiti-malende Jugendliche oder eben Musik- und Tanzveranstaltungen der frühen Hip-Hop-Ära (inklusive der zu dieser Zeit maßgeblichen Protagonisten wie Grandmaster Flash, die Cold Crush Brothers oder die Rock Steady Crew) zeigt.

Ist das für sich genommen nur bei entsprechendem Interesse an Hip-Hop oder dem New York der frühen 80er packend, weißt der Film doch einige bemerkenswerte Darstellungen auf. So formuliert er bereits in dieser frühen Phase der Entwicklung des Hip-Hops die Gefahr des Ausverkaufs sehr deutlich aus. Brathwaite ist in der Rolle des ehemaligen Graffiti-Malers und jetzigen Musik-Vermittlers Phade deutlich erkennbar als zwielichtiger Typ angelegt, auch wenn er letztlich niemanden richtig übers Ohr haut. Aber die Tendenz des Freundschaft ausbeutenden Aufsteigers ist klar zu erkennen. Er führt die Hauptfigur, den ideell dem Writing verbundenen Raymond/Zoro, in die hohe New Yorker Gesellschaft ein, wo eine schwerreiche Mäzenin sich dann mit dem Jungen aufs Bett setzt, um ihm lasziv Geld für seine Kunst anzubieten. Ausverkauf und Prostitution gehen in dieser Szene Hand in Hand.

Aber Ahearn zeichnet viel häufiger das positive Gegenbild. Graffiti, Rap und Breakdance sind hier noch jener hoffnungsvolle Zeitvertreib, der unter dem heutigen Gangsterimage von Rap nicht mehr zu erkennen ist. Selbstermächtigung (auch für die Zoros Freundin Rose spielende Sandra Fabara) stehen im Vordergrund, das eigene Konzert am Ende spricht Bände. Die Party mit der Abendgage fand damals noch in einem kleinen Hotelzimmer mit einem Fläschchen Schampus statt – und statt wackelnder Hinter gibt es griechische Darstellungen des Beischlafs. Dieser ebenso realistische wie wohlwollende Blick auf eine Jugendkultur und eine Stadt, verpackt in dilettantische Form erzeugt den Eindruck großer Offenheit. Weder behauptet Ahearn hier zu dokumentieren, noch zeigt er uns völlige Fiktionalität. Die Grenzen fließen und gerade deshalb ist WILD STYLE ein so beeindruckendes Zeitdokument.

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