DER PATE

Der Pate
The Godfather | USA | 1972
IMDb, OFDb, Schnittberichte

Die Grundlagen des Gangsterfilms, Warner Brothers DER KLEINE CAESAR (1931) und DER ÖFFENTLICHE FEIND (1931) sowie United Artists SCARFACE (1932), etablierten nicht nur das Genre (vollends), sondern zurrten auch das bis heute verwendete Aufstieg-und-Fall-Schema fest. Diese Struktur erlaubt es den Filmschaffenden, die zu Beginn der Filme gezeigten Erfolge und finanziellen wie gesellschaftlichen Höhenflüge der kriminellen Gesellen am Ende mittels Tod oder Verurteilung wieder einzufangen und so entweder für eine moralische Läuterung oder ein juristisches Zurechtrücken zu sorgen. Es ist eine der hervorragenden Eigenschaften von Francis Ford Coppolas DER PATE, dass ebenjenes Muster sich hier nicht wiederfindet. Zu Beginn des Films zeigt uns der Regisseur und Autor Coppola vielmehr mittels diverser Bittsteller die tägliche Arbeit der Mafiosi, mittels der berühmten Pferdszene deren Methoden und mittels der aufkommenden Drogengeschäfte die Welt, in der sie leben – diese Welt ist aber bereits vollständig entwickelt und die Familie Corleone ist ein Teil von ihr. Niemand muss erst entdecken, dass ein Leben in kriminelle erworbenem Reichtum toll ist oder das damit Gefahren verbunden sind.

Und das wirkt sich dann auf die Charaktere des Films aus. Al Pacinos quasi-Debütrolle Michael Corleone ist deutlich anders angelegt als andere Hauptfiguren in Gangsterfilmen. Er ist seit jeher Teil der Familie, er kennt deren Geschäft und kommt nicht erst durch einen Zufall damit in Kontakt. Er taucht somit zu keinem Zeitpunkt in eine neue Welt ein. Sein Rollenwechsel vom unbeteiligt scheinenden Sohn zum Familienoberhaupt vollzieht sich zudem mit einer Ruhe und Zielstrebigkeit, die als glatter Gegenentwurf zu den krassen Wandeln gelesen werden muss, die andere Gangsterfilm-Figuren durchlaufen. Zum großartigen Funktionieren der Figur Michael trägt zudem die äußerst facettenreich ausgestaltete Familie bei. Marlon Brandos Don Vito ist völlig zurecht in die Popkultur eingegangen, James Caans Sonny stellt den ungehaltenen und „unprofessionellen“ Gegenpol zu Michael dar. Die zwei Partnerinnen Kay und Apollonia unterstreichen seine Undurchschaubarkeit und Robert Duvalls epochemachender Tom Hagen dient als ebenbürtiger, letztlich aber scheinbar grundlos entlassener Kontrapunkt. Es ist kein Zufall, dass die Antagonisten hinter dieses komplexe Netz etwas zurücktreten und mittels ihrer auf Drogenhandel setzenden „Modernisierung“ des Milieus lediglich den Entwicklungsrahmen abstecken.

Diese Entwicklung jedoch bildet das Grundgerüst für eine weitere zentrale Eigenschaft des Films; die ihm zugleich große Kritik einbringen sollte. Die etablierte und funktionierende Familie Corleone ist nicht gewillt, in das Drogengeschäft der anderen Familien miteinzusteigen. Coppola zeichnet hier tatsächlich die Blaupause der ehrenwerten Mafiosi, die sich als „helfende Hand“, als „gerechte Richter“ begreifen, aber mit schmutzigen Geschäften nichts zu tun haben. Das düstere Ende und einige Gewaltausbrüche ändern nichts daran, dass die Feste, die Treffen und die Dialoge ein Bild zeigen, dass mit den tatsächlichen Brutalitäten der US-amerikanischen Mafiaclans nur wenig gemein hat. Kein Wunder, dass Mitglieder der Mafia den Film als tolle Darstellung ihres Lebensgefühls, Gegner ihn hingegen als amoralische Glorifizierung bezeichneten.

All diese Eigenständigkeit, dieser Mut und – ja – auch diese strittigen Darstellungen wären allerdings nur die Hälfte wert, wenn Coppola sich nicht schon in frühen Jahren als Meister seines Fachs erwiesen hätte. Die zahlreiche zeitliche Sprünge vollziehende, Dutzende Charaktere darstellende und diverse Handlungsorte verbindende Geschichte wird über drei Stunden hinweg so sicher und pointiert inszeniert, dass es eine wahre Pracht ist. Coppola ist sich seiner Sache so sicher, dass er auf jegliche Actionszenen verzichtet. Nino Rotas, der zuvor schon für Fellini und Visconti arbeitete, schuf einen Score, der ebenfalls in die Annalen der Filmgeschichte einging, vor allem aber die erwähnte Ruhe von Coppolas Inszenierung perfekt unterstützt. Und erst dieser formale Rahmen macht aus dem grandiosen Inhalt dann jenen Klassiker, den jeder auf nur rudimentär filminteressierte Mensch heute auf Anhieb zu nennen vermag.

2 Antworten zu “DER PATE

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