Das stumme Duell
Shizukanaru ketto | Japan | 1949
IMDb, OFDb, Schnittberichte
Bereits in ENGEL DER VERLORENEN (1948) setzte Akira Kurosawa die moralischen Hürden ins Bild, denen sich ein Arzt im Laufe seiner Karriere mitunter stellen muss. In DAS STUMME DUELL steigt Toshirô Mifune, der in ENGEL DER VERLORENEN sein Kurosawa-Debüt gab und der in den nächsten Jahrzehnten in zahllosen seiner Filme auftreten sollte, nun vom Halunken zum Arzt auf und muss sich seinerseits mit einem düsteren Gegenentwurf seiner selbst herumschlagen. Als Kriegsarzt Dr. Kyoji Fujisaki der sich bei einer verwegenen Lazarettoperation mit der – damals kaum zu heilenden – Syphilis ansteckt, gibt Mifune hier den Heroen. Zurück in Tokio verstößt er seine Verlobte Misao (Miki Sanjō), da er sie keiner gesundheitlichen Gefahr aussetzen will. Und da er um ihre Bereitschaft weiß, trotzdem bei ihm zu bleiben, verschweigt er ihr den Grund seines abweisenden Verhaltens. Der Zaun, der den einzigen gezeigten Bereich außerhalb der Klinik ziert, steht metaphorisch zwischen den beiden: Kyoji bleibt durch den Film hinweg der ehrenhafte Mann, der lieber Leid erträgt (und über seine Umwelt bringt) als Schwäche zu zeigen und Schuld auf sich zu laden, und Misao heiratet schweren Herzens einen Anderen. Ein spätes Aufeinandertreffen der beiden beendet diese Trennung fast und gehört zu den stärksten Szenen des Films.
Diese grundsätzlich simple Geschichte erfährt durch einige Nebenrollen eine nette Staffage. Takashi Shimura, der schon in ENGEL DER VERLORENEN den Arzt gab, darf als Kyojis Vater eine moralische Stütze sein, Chieko Nakakita gibt mit Takiko jenen Soldaten, der Kyoji einst ansteckte. Trotz dessen Warnungen schwängert Takiko aber seine Frau Susumu und sorgt somit dafür, dass ein Kind mit Behinderungen zur Welt kommt. Er ist den Herausforderungen des Schicksals zu keinem Zeitpunkt gewachsen, verliert sich im Suff und stellt so den krassen Gegenpart zu Kyoji dar. Im Finale komponiert Kurosawa eine Mise en Scéne, bei der der Arzt im weißen Kittel geradesteht und der Trunkenbold zerlumpt zu seinen Füßen kniet. Die interessanteste Nebenrolle kommt aber Noriko Sengoku, einer weiteren Dauer-Darstellerin Kurosawas, als Krankenpflegerin Rui zu. Sie entwickelt sich vom pöbelnden, suizidgefährdeten Biest zur treuen Begleiterin Kyojis und stellt somit den bei weitem wandlungsreichsten Charakter dar.
Das Kurosawa sich hier eines zeitgenössischen Theaterstücks bediente, zeigt sich dann deutlich in den begrenzten Räumlichkeiten. Abgesehen von der atmosphärisch verregneten Exposition im Lazarett (der Regen markiert die entscheidenden Ereignisse OP, Wiederreffen mit Takiko und Wiedertreffen mit Misao) spielt sich alles in der Klinik ab, die Kamera scheint der Bühne Erinnerung verschaffen zu wollen, indem sie sich nur selten zu Schwenks bewegen lässt und ansonsten starr bleibt. Einige Fingerübungen und Blenden kommen vor, doch insgesamt bleibt es bei eine der unauffälligsten formalen Leistungen Kurosawas.
Letztlich dreht sich also alles um die Bürde des Wissens – und die daraus erwachsene Verantwortung. Eigentlich hatte Kurosawa wohl vor, Kyoji ob dieses Wissens in den Wahnsinn abdriften zu lassen, doch die US-amerikanische Besatzungs-Zensur verhinderte das. Stattdessen gibt es den oben angedeuteten Helden gegenüber dem gebrochenen Trunkenbold zu sehen. Das kulminiert in einer tollen Szene, in der – die mittlerweile geläuterte – Riu Takiko für seine Taten an die Gurgel will und ihn beleidigt, allerdings von Kyoji zurückgehalten wird; so wie er sich selbst die ganze Zeit metaphorisch zurückhält – die Bürde des Wissens eben.
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