NIGHTCRAWLER

Nightcrawler
Nightcrawler | USA | 2014
IMDb, OFDb, Schnittberichte

Das Regiedebüt des sich bis dato als Drehbuchautor verdingenden Dan Gilroy funktioniert auf zwei Ebenen: als Psychothriller, der uns schutzlos an die Seite des Täters stellt, und als Medien- und Kapitalismuskritik, die schonungslos die Mechanismen moderner Verwertungslogik offenlegt. Es ist dabei zweifelslos ein Beleg großen handwerklichen Könnens, diese beiden nicht unbedingt verwandten Thematiken zu einem stimmigen Ganzen zu fügen, den Gilroy hier anlegt.

Im Zentrum steht Jake Gyllenhaal als Kleinkrimineller Louis Bloom, der nach größerem Einkommen strebend zu einem Nightcrawler wird, einem Lieferanten frischer Bilder von Unfallorten für die TV-Stationen. Die Figur wird als bodenständig und höflich eingeführt, ruhig und sachlich. Über den Film hinweg bestätigt sich dann aber der schon anfangs schwelende Verdacht, dass hier ein gefährlicher Mensch im Mittelpunkt steht: Ringt Louis den Wächter anfangs noch eher ungeschickt nieder, setzt er Nina (Rene Russo) im Verlaufe der Geschichte sehr hinterhältig unter Druck und erzwingt sich so Nähe und Zusammenarbeit. Letztlich setzt er gar das Leben seines Gefährten Rick (Riz Ahmed) ein, um das nächste Highlight zu produzieren. Louis zeigt dabei beachtliches strukturelles und taktischen Denken und plant seine Handlungen stets gut voraus. Stellenweise verliert er diese Contenance aber auch, brüllt herum oder kann staunt mit offenem Mund über ein von ihm arrangierte Unglücksszenario. Und um den Zuschauenden jede Möglichkeit zu nehmen, sich von Louis zu distanzieren, lässt Dan Gilroy ihn einfach in jeder Szene auftreten – kleines daraus entstehende Manko: sämtliche übrige Figuren werden relativ eindimensional gezeichnet.

Neben der Hauptfigur liegt das Augenmerk zudem auf der Medienwelt. Die wird von der (wie oben erwähnte etwas dünn gezeichneten) Rene Russo als Nina Romina verkörpert, die jede Nacht nach möglichst effektheischenden Aufnahmen giert. Sie nennt Louis schon zu Beginn einige Merkmale, die die Opfer haben sollten, um möglichst viel Aufmerksamkeit zu erzeugen. In Personifikation entwirft sie so ein Bild von Medien, die menschliche Schicksale in erzielbaren Quoten und Klicks messen. Gleichzeitig wird Nina zur Vertreterin der Konsumenten, wenn sie deren voyeuristisches Verlangen spiegelt, immer wildere Szenen zu sehen. Doch letztlich ist sie auch ein Opfer einer Welt, in der jede Person ihren Job erledigen oder mit den Konsequenzen leben muss. Um ihre Stelle dieses Mal länger als zwei Jahre zu behalten, lässt Nina sich auf eine sexuelle Beziehung mit dem beängstigenden und sie bedrohenden Louis ein und wird so gleich doppelt zum Opfer: durch den Psychopathen und durch das kapitalistisch-durchgerechnete Mediensystem.

Dan Gilroy gelingt es wie erwähnt, diese zwei Konzepte in tollen Nachtaufnahmen von Los Angeles trefflich zusammenzuführen. Trotz der gerade mal acht Millionen US-Dollar Budget wirken die Bilder durchgehend wertig und stimmig. Klar, Neonlicht bei Nacht geht immer, aber der erfahrene Kameramann Robert Elswit schafft es mit seinen Aufnahmen, die Weite der Stadt gleichsam wie die Einsamkeit Louis einzufangen.

Das Finale indes stellt sich als bemerkenswert weitblickender Kommentar zur Medienöffentlichkeit dar – auch wenn die Einhegung der Geschehnisse in TV-Studios mittlerweile etwas angestaubt wirken mag: Nachdem er auf einen Continue to the next step-Button geklickt hat, inszeniert Louis Überfall und Tod einfach selber. Er gibt den Studios und zeigt den Rezipienten das, was sie wollen. Er stellt es für sie her. Beste Unterhaltung, perfekt getimt, angemessen dramatisch – nur eben nicht real. Oder doch?

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