OKJA

Okja
Okja | Südkorea/USA | 2017
IMDb, OFDb, Schnittberichte

Nach SNOWPIERCER (2013) ist OKJA Bong Joon-hos zweite große und international besetzte Produktion. Die 50 Millionen US-Dollar, die Netflix dafür (als einziges Unternehmen) bereitzustellen willens war, sind allerdings erneut nicht dazu angetan, den südkoreanischen Regisseur und Autor unter das hollywood’sche Joch zu zwingen. Wie schon 2013 behält es sich Bong vor, erneut wild durch Stile und Genres zu springen und dabei vom tränenreichen Melodram bis hin zu pubertären Witzen über Okjas Ausscheidungen alle möglichen Stilrichtungen zu verquicken. Oftmals begegnen einem derlei unterschiedliche Töne innerhalb weniger Minuten und Bong feiert diesen Umstand, indem er beispielweise den Unterschied zwischen Seoul und dem südkoreanischen Hinterland mittels eines fantastischen Schnittes würdigt, nur um eine Minute später aus dem in der Metropole verlorenen Mädchen vom Lande eine Actionheldin zu machen. Das sorgt sowohl für Kurzweil als auch für Spannung, da hier im wahrsten Sinne des Wortes alles passieren kann.

Und das spiegelt sich auch in den Figuren wieder. Ahn Seo-hyeon, die sich wohl gegen über 2.000 andere Kandidatinnen durchsetzte, ist als Hauptrolle Mija stimmig und pendelt zwischen verständnislosem Kind und stoischer Heldin. Tilda Swinton sorgt in einer abgedrehten Doppelrolle hingegen dafür, dass die kapitalistische Verwertungslogik in all ihrem Wahnsinn eine entsprechende Personifikation erfährt. Rücksichtslosigkeit und Narzissmus tropfen ihr aus jeder Pore, der dahinterstehende Giancarlo Esposito macht jedoch klar, dass selbst hinter der größten Exzentrikerin immer ein kühl kalkulierender Planer steckt – bitter hingegen, dass auch Mijas Opa der Meinung zu sein scheint, dass ein goldenes Schwein ein lebendes ersetzt. Jake Gyllenhaal darf als Mad-Scientist-Variante völlig abdrehen und Paul Dano führt als mal gefühlvoller, mal kontrollverlustiger Jay die Tierbefreier an.

Womit wir beim Kern des Films angelangt wären. Bongs Film ist ein Statement gegen Tiernutzung, auch wenn er das teilweise zu kaschieren versucht. So entpuppt sich die Überzeichnung der Aktivisten der Animal Liberation Front (sie knabbern genüsslich einzelne Spargelstangen, einer will gleich gar nicht essen) spätestens dann als Deckmantel, wenn Bong seine Figuren die Statuten der ALF ganz richtig auszählen lässt. Und auch das Hinterlassen der Insignien am Ort der Befreiung legt die Annahme nahe, dass Bong sich mit der Thematik befasst und nicht nur nach einem hippen Sujet gesucht hat. In ihrer Opferbereitschaft und Selbstlosigkeit werden die Aktivisten dann auch deutlich zu den Helden des Films, die Mija (als Trägerin der Emotionen) zum Erfolg verhelfen.

Bitter wird es, wenn Bong seine Zuschauenden mit genetischer Veränderung von sogenannten Nutztieren, deren unter Zwang stattfindender Befruchtung oder allgemein den Haltungs- und letztlich Schlachtungsbedingungen konfrontiert. Nachdem Okja 100 Minuten lang als denkendes, kommunizierendes Säugetier vorgestellt wurde, wird offenbar, dass es Millionen andere gibt, die alle einen kalten mechanischen Tod erwarten. Sie alle sind ebenso empfindsam und individuell wie Okja, ihnen ist aber keine Flucht beschieden. Die Rettung Okjas ist in diesem Lichte keine Erleichterung, sie ist eine schreiende Anklage (auch wenn der augenscheinliche KZ-Vergleich, den Bong qua des Zaundesigns der Schlachtanlage etabliert, aufgrund der historischen Singularität der Shoa überaus ungemessen ist).

Kurzum: Bong Joon-ho nutzt die (relative) künstlerische Freiheit im Netflix-Kosmos, um ein ebenso abwechslungsreiches wie mutiges, vor allem aber mahnendes Werk vorzulegen. Unbedingte Sehempfehlung!

Eine Antwort zu “OKJA

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