Die 36 Kammern der Shaolin
Shao Lin san shi liu fang | Hongkong | 1978
IMDb, OFDb, Schnittberichte
1. Liu Chia-Liangs vierte Regiearbeit ist wohl einer der prototypischsten Martial Arts-Streifen überhaupt. San Tes (Gordon Liu Chia-Hui) Weg vom rachsüchtigen Sohn, der seinen Vater durch die Willkür der Mandschuren verloren hat, zum in sich ruhenden Shaolin-Mönch dürfte für unzählige nachfolgende Filme dieses Genre stilbildend gewesen sein. Damit soll natürlich behauptet werden, dass sich nicht auch schon andere Eastern zuvor dieser Idee bedient hätte, aber das Drehbuch aus der Feder von Ni Kuang formvollendet dieses Sujet. Ni hat übrigens zu Beginn seiner Karriere auch am Skript zu Chang Chehs Klassiker DAS GOLDENE SCHWERT DES KÖNIGSTIGERS (1967) mitgearbeitet; bei dem Liu wiederum an der Kampfchoreographie beteiligt war. Großmeister Cheh hat sie eben alle beeinflusst.
2. Die drei Akte (Etablierung einer misslichen Situation, Ausbildung, Wiederherstellen der Gerechtigkeit) laufen überaus linear ab, Überraschungen sollte man nicht erwarten. Die wenigen Rückschläge auf San Tes Weg sind vernachlässigbar, grundsätzlich bewegt er sich so lange vorwärts, bis er sein Ziel erreicht hat. Das mag manchem öde erscheinen, aber eine solche Beurteilung würde schlicht die wahren Qualitäten des Films verkennen. Es sind die Auseinandersetzung mit dem philosophisch-religiösen Grundlagen des Buddhismus (3) und die grandiose Inszenierung (4), die es unangemessen erscheinen lassen, der Handlung bei diesem Film den ersten Rang beizumessen.
3. Schon beim Eintritt ins Kloster wird der überschwängliche San Te ausgebremst. Sein Versuch, sogleich die 35. Kammer zu bewältigen, scheitert an seinem mangelnden Wissen über die buddhistischen Grundlagen der Shaolin-Kampfkunst. Später wird aus diesem Nichtwissen ein Nichtanerkennen, wenn er – nunmehr berechtigt, eine der Kammern zu beaufsichtigen – nicht akzeptieren möchte, dass sein Modell einer Shaolin-Schule für Jedermann nicht zu den Grundsätzen des Klosters passt. Es darf getrost als Kommentar zur politischen Situation Chinas in den 70er Jahren verstanden werden, dass am Ende eben doch genau das passiert: San Te unterweist eine Gruppe normaler Bürger und reißt somit die Trennung zwischen den gesellschaftlichen Gruppen ein. Nebenbei: grandioser Schluss-Freeze!
4. Liu Chia-Liangs inszeniert San Tes Weg zu jeder Zeit in vollem Ernst. Auch wenn einige der Aufgaben zunächst skurril anmuten mögen, so dienen sie doch (im Gegensatz zu Teilen der Nachfolger) nie der Alberei. Ruhig inszeniert spüren die Betrachtenden ständig die Bedeutung des Dargebotenen: hier geht es tatsächlich darum, ein Leben zu ändern und Entscheidendes zu erlernen. Die Herausforderungen setzen ebenso auf Ruhe wie auf Stärke, ebenso auf Spannung wie auf Reflexe. Tolle Sets und eine dynamische Kamera machen den zweiten Akt zum Höhepunkt des Films. Aber auch die anschließende Anwendung des Erlernten (Hallo KARATE KID (1984)!) im Kampf gegen die Mandschuren zeugt von Lius ruhiger Hand. Die dynamischen Kämpfe werden meist in der Halbtotalen gefilmt, ein ansprechender Gesamteindruck zählt hier mehr als Zooms auf unnötige Details. So wirken die Kämpfe angenehm nachvollziehbar und realistisch. Und wer jetzt noch damit kommt, dass die Mehlattacke merkwürdig ist, der sollte diesen Text noch mal von oben beginnen.
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