Die Faust der Rebellen
Boxcar Bertha | USA | 1972
IMDb, OFDb, Schnittberichte
1. Nach Martin Scorsese für Michael Wadleighs WOODSTOCK (1970) den Schnitt gemacht hatte, wurde Roger Corman auf den jungen Regisseur aufmerksam und holte ihn nach Hollywood. Er suchte jemanden, der einen Nachfolger für das Crime-Drama BLOODY MAMA (1970) drehte und betraute den aufstrebenden New Yorker mit dieser Aufgabe, dessen Erstling WER KLOPFT DENN DA AN MEINE TÜR? (1967) bereits einiges an Können offenbart hatte. Scorsese durfte am Drehbuch des Ehepaars Corrington herumschreiben, musste aber das für eine Produktion von Cormans American International Pictures grundlegende Maß an Sex und Gewalt beibehalten. Dementsprechend fühlt sich DIE FAUST DER REBELLEN auch deutlich nach einem typisch-schmuddeligen Corman-Vehikel der frühen 70er an, erst auf den zweiten Blick offenbart sich das für Scorsese so typische Interesse an ungewöhnlichen Lebensläufen. Die Kombination verschiedener „Außenseiter-Figuren“ (Gewerkschafter, Afroamerikaner, selbstbewusstes Mädel) darf letztlich als verbindendes Element von Corman und Scorsese betrachtet werden.
2. Die Road-Movie-Geschichte um das Hobo-Mädel Bertha (Barbara Hershey) offenbart sich schnell als Mittel zum Zweck. Vater verloren, Gesellschaft verlassen, Reichen erschossen, Leben auf der Flucht. In den Armen von Bill Shelly (David Carradine kurz vor seinem Durchbruch mit der TV-Serie KUNG FU) wird sie zur Kriminellen, lässt allerdings jeden Antrieb vermissen; es gibt schlicht kein Ziel, das Bertha verfolgt. Nur Spaß und Anderssein? Meinetwegen. Eine Entwicklung macht Bill schon eher durch. Als streikender Gewerkschafter (der Film spielt in der Zeit der Wirtschaftskrise 1930) erkennt er die Raubzüge der Gruppe schnell als Chance, der Gewerkschaft Geld zuzuschanzen. Nach dem Tod von Rake verlegt er sich dann auf das Verfassen politischer Schriften (mit Brille und Hemd über dem Blaumann), bevor er als Märtyrer stirbt. In diese Richtung gehende Inhalte hätte der Film durchaus noch etwas mehr vertragen.
3. Derlei Sozialkritik steht aber zu jeder Zeit hinter Kurzweil und vordergründigen Schauwerten zurück. Gleich mehrfach entblößen sich Hershey und Carradine, die Schießereien fallen überaus blutig aus und das Finale ergeht sich geradezu in Gewalt. Dass Bill an einem Waggon gekreuzigt wird, darf dabei überaus irritieren, die grandios flexible Kamera, die sogar per Schrotflinte Erschossene in ihrem Flug durch die Luft begleitet, hingegen begeistern. Versteht man den Film in diesem, im corman‘schen Sinne (der Scorsese nebenbei die Möglichkeit gab, erste Erfahrungen mit Studiosystem und Auftragsarbeiten zu sammeln), dann stellt er ordentliche Unterhaltung dar; einige Blödeleien und einen netten Blues-Score miteingeschlossen.
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