ÜBER DAS ERGEBNIS HINAUS

Über das Ergebnis hinaus
Ultras | Italien | 2020
IMDb, OFDb, Schnittberichte

1. Ähnlich wie auch schon Ricky Tognazzi in seinem Klassiker der Ultras-Thematik ULTRA (1991) richtet auch der 35-jährige Francesco Lettieri mit seinem Debüt ÜBER DAS ERGEBNIS HINAUS den Blick auf die sozialen Begebenheiten innerhalb einer Ultragruppe. Während es bei Tognazzi aber eher um Liebe und die daraus resultierenden Lebensentwürfe geht, erzählt Lettieri von einem Generationswechsel in einer (fiktiven) Gruppe. Und auch wenn – wie zu Beginn eingeblendet – keine der echten Gruppen aus Neapel an dieser Produktion beteiligt war, so gelingt es dem Film doch durchaus, dieses für jede ältere Gruppe irgendwann zutage tretende Thema authentisch einzufangen. Da sind die alten Gründungsväter, die auf ihre Macht pochen, aber teils zu sehr in der Vergangenheit verhaftet sind, da sind die Jungspunde, die zu den Älteren aufsehen und sich leiten lassen – und da sind einige, die genau dazwischenstehen und die aufbegehren. Im Zentrum steht der 50-jährige Sandro (Aniello Arena), der zwischen diesen Polen zu vermitteln sucht und nebenbei selbst eine Welt außerhalb des Stadion zu entdecken beginnt.

2. Schon in seinen diversen Musikvideos war es dem in Neapel geborenen Francesco Lettieri stets ein Anliegen, seine Stadt nicht nur als austauschbaren Hintergrund zu nutzen. Und auch in seinem ersten Spielfilm sorgt er zusammen mit Kameramann Gianluca Palma dafür, dass die Wohnblöcke und Altstadtgassen nicht nur den Rahmen bilden, sondern miterzählen. So bietet der hässliche Mietblock, in dem Angelo haust, seiner Mutter die Möglichkeit, in den dunklen Einfahrten der Polygamie/Prostitution zu frönen, während gleichzeitig ein überlebensgroßes Porträt seines verstorbenen Bruders die Seitenwand ziert (eine in italienischen Fankreisen übliche Geste). Treffen finden in alten Ruinen am Golf von Neapel statt oder in verlassenen Lagerhallen, die ständig klarmachen, warum diese Jungs die (familiäre) Verbundenheit in der Gruppe so hochschätzen. Und Lettieri fürchtet sich auch nicht dazu, diese Settings langsam und wiederholt zu zeigen; häufig entscheidet er sich (bisweilen auch auf Kosten der Spannung) für die Eindringlichkeit.

3. Folglich sind es eher die Stimmung und die Authentizität, von denen der Film lebt – die Handlung ist vergleichsweise nichtig. Der Generationenwechsel bietet einen netten, aber grundsätzlich vorhersehbaren Hintergrund. Die Auswärtsfahrt nach Rom und die dort geplanten Kämpfe dienen nur zur Fixierung des Konflikts, sie tragen kaum einen eigenen Sinn in sich. Eine Auseinandersetzung mit grundsätzlichen Lebensfragen findet – anders als bei Tognazzi – nur andeutungsweise statt. Einzige Ausnahme: in einer wundervoll ruhigen Sequenz kurz vor Ende schaut Lettieri auf all seine Figuren. Kleine Handlungen und Gesten machen hier in einer Montage deutlich, dass hinter allen mehr steckt, als „nur“ Fußball und Neapel. Schade, dass der Film sich nicht traut, bereits früher und vor allem ausgiebiger in diese Tiefe zu gehen.

4. Lettieri fängt den Stil der neapolitanischen Ultras (meiner bescheidenen Beurteilung nach) trefflich ein. Obschon die Apachen eine fiktive Gruppe sind, so entsprechen Kleidung, Fahnen, Schriftarten, Graffitis und Schals doch sehr den realen Vorbildern. Ständig gibt es im Hintergrund Details zu erkennen, die dem kennenden Auge Freude bereiten. Folglich bietet ÜBER DAS ERGEBNIS HINAUS natürlich an dieser Materie Interessierten abseits seiner erwähnten Qualitäten noch eine Extraportion an Eyecandy.

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