Joker
Joker | Kanada/USA | 2019
IMDb, OFDb, Schnittberichte
1. Todd Phillips und sein Art Department zaubern ein fantastisches Gotham/New York der 70er Jahre herbei. Die körnigen Aufnahmen lassen den Film wie die Klassiker aus ebenjenem Jahrzehnt aussehen und darin wirkt auch die Geschichte um Enttäuschung, Aussichtslosigkeit und Kälte wohlplatziert. Natürlich kann man nun darüber streiten, ob der Film seine Message nicht besser in einem aktuellen Umfeld platziert hätte, aber letztlich funktioniert der politische Bogenschlag trotzdem.
2. JOKER ist ein politischer Film. Nach der Veröffentlichung überschlugen sich die Medien dabei, dem Streifen und seinen Machern politische Tendenzen jedweder Natur zu unterstellen. Und vieles davon ist durchaus begründbar. Ich sehe einen Film, der gesellschaftliche Kälte und ein nicht vorhandenes soziales Netz bemängelt und diese Mankos zum Nährboden unsozialen Verhaltens erklärt. Das deckt sich mit wissenschaftlichen Erkenntnissen, nach denen das Funktionieren gesellschaftlicher Einrichtungen Menschen maßgeblich davon abhält, sich extremistischen Verhaltensweisen zuzuwenden. Gleichzeitig bedient Phillips aber durchaus auch jenen Ruf nach Selbstjustiz, der von dümmeren Gesellen gerne als legitimes Aufbegehren gegen eine wie auch immer geartete böse Obrigkeit propagiert wird. So oder so, der Film liefert Gesprächsstoff und sollte demnach eher als Anlass und nicht als abschließende Aussage gelesen werden.
3. Es wird nur auf der Leinwand gelacht. Der erschreckend magere Joaquin Phoenix bietet als Arthur Fleck eine Wahnsinns-Leistung dar und schon sein eröffnendes Lachen, das eher einem Erstickungsanfall gleicht, macht deutlich, dass hier nichts lustig ist. Exemplarisch seien die folgenden Szenen genannt: Arthur labert vor dem Krankenhaus mit Detective Burke, fühlt sich bedroht und macht sich aus dem Staub. Er läuft dabei in bester Slapstick-Manier gegen eine geschlossene Glastür. In meinen Kinosaal löste diese Szenen kein Lachen aus, sondern nur betretenes Schweigen. Gleiches gilt für die Szene, in der Arthurs kleinwüchsiger Arbeitskollege Gary nach dessen grausamen Mord an Randall nicht aus der Wohnung kommt und Arthurs Hilfe beim Öffnen der Tür benötigt. Kein Lachen, nur Schweigen. Hier liegt wohl eine der großen Leistungen Phillips‘: Er etabliert eine Grundstimmung, in der wir den in den Wahnsinn abdriftenden Arthur beobachten und ob des Dargebotenen nicht zu lachen willens oder in der Lage sind. Es ist dieses ohnmächtige Beglotzen dessen, was sich da abspielt, was dem Film bei den nächsten Academy Awards (und bereits bei unzähligen anderen Verleihungen) wahrscheinlich großen Erfolg bescheiden wird.
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