DER ÖFFENTLICHE FEIND

Der öffentliche Feind
The Public Enemy | USA | 1931
IMDb, OFDb, Schnittberichte

Josef von Sternbergs UNTERWELT (1927) und Mervyn LeRoys DER KLEINE CAESAR (1931) hatten das Gangsterkino in den USA etabliert – wohlbemerkt zu einer Zeit, in der diese Ausprägung großstädtischer Kriminalität noch tagesaktuell war. Auch deshalb ist William A. Wellmans DER ÖFFENTLICHE FEIND, den Warner in Anbetracht des Erfolgs von LeRoys Werk gleich nachschob, wohl eine Texttafel vorangestellt, die darauf aufmerksam macht, dass das Gezeigte zum einen von tatsächlichen Geschehnissen inspiriert und zum anderen eine große Aufgabe für die gesamte Gesellschaft ist. Und auch wenn diese Ansage effekthascherisch wirkt, so ist sie in diesem Falle doch plausibel: Denn Drehbuchautor Harvey F. Thew verfasste sein Skript auf Grundlage eines unveröffentlichten Romans von John Bright und Kubec Glasmon, die ihrerseits einige Jahre in engem Kontakt mit der Unterwelt Chicagos standen.

So spielt der Film dann auch in Chicago und Wellman, der seit seinem bahnbrechenden WINGS (1927) großes Renommee sein Eigen nennen durfte, führt seine Zuschauenden ein, indem er einige Originalaufnahmen von Straßenszenen zeigt. Gleich darauf bewegt sich die Kamera anmutig und erstaunlich flexibel durch (nun im Studio gefilmte) Großstadtgassen und fängt die beiden (noch juvenilen) Protagonisten Tom Powers (James Cagney) und Matt Doyle (Edward Woods) ein. Deren Veranlagung zur Gesetzesuntreue wird mittels erster harmloser Diebstähle und Neckereien offenbart, doch von einem Polizisten verhört darf Tom bereits ankündigen, dass, sollte er einmal geschnappt werden, dies nicht nur wegen des Diebstahls einiger Tauben geschehen werde. Ein Omen, welches sich in den nächsten Jahren bewahrheiten soll.

Wellman begleitet die beiden dann über einige Jahre hinweg: Tom und Matt driften zunehmend ins Milieu ab, begehen erste größere Verbrechen und kommen so zu Geld und Ansehen. Letzteres jedoch nur in zweifelhaften Kreisen, in der Familie, repräsentiert durch Toms hochmoralischen Bruder Mike, rappelt es stattdessen. Doch im Gegensatz zu manch anderem stereotypen Gangster, der neben Geld und Macht auch Anerkennung zu erringen sucht, ist Tom an seinen Mitmenschen nicht interessiert. Seiner Freundin Kitty (gespielt von der im gleich Jahr in FRANKENSTEIN auftrumpfenden Mae Clarke) wir er schnell überdrüssig – was zu der berühmten Szene mit der Grapefruit im Gesicht führt – und auch die darauffolgende Gwen (supercool und stark: Jean Harlow) kann ihn nicht lange begeistern. Stattdessen rächt er sich an seinem ehemaligen Auftraggeber Putty Nose, übervorteilt seinen Freund Matt und bewegt sich folgerichtig auf ein Finale zu, dass ihm den Tod bringt. Tatsächlich erlaubt es Thew diesem wahrlich düsteren Charakter aber vor seinem Ableben noch, Frieden mit seiner Familie zu schließen. Die Versöhnung mit Mutter und Bruder stellt den einzigen Lichtblick in Toms Leben dar. Der ansonsten idealtypisch vollzogene Aufstieg und Fall endet zunächst im regendurchfluteten Rinnstein, bevor Wellman dann ein denkwürdiges Finale inszeniert, in welche der grotesk entstellte Tom tot in den Flur seiner Familie stürzt. Wahnsinn.

Und dieses Finale ist nur der grandiose Schlussakkord eines an wunderschönen Szenen überreichen Films. Wellman gelingt es äußerst gut, die zahlreichen Studiokulissen mittels einiger On-Location-Shots lebendig wirken zu lassen. Das geschäftige Treiben des Chicago der 30er Jahre wird geschickt eingefangen, ebenso wie das Zwielicht in den Kneipen und Bars. Aber auch die edleren Etablissements, die Tom und Matt zweitweise besuchen können, versprühen einen tollen Charme. Mit viel Schatten, etwas Licht und geschickt gesetzten Kontrasten nimmt der Streifen den Stil des Film Noir punktuell vorweg. Wichtiger aber: Neben DER KLEINE CAESAR (1931) und dem von United Artists produzierten SCARFACE (1932) stellt DER ÖFFENTLICHE FEIND die nach wie vor vollkommen sehenswerte Grundlage des Gangsterfilms dar – und da das Wort noch nicht aufgetaucht ist: Klassiker!

3 Antworten zu “DER ÖFFENTLICHE FEIND

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