Der Spion, der mich liebte
The Spy Who Loved Me | Großbritannien | 1977
IMDb, OFDb, Schnittberichte
Sowohl der Sowjetunion als auch Großbritannien kommen Atom-U-Boote abhanden. Unter Verdacht steht der exzentrische Reeder Karl Stromberg (Curd Jürgens), der auf einer futuristischen Forschungsstation im Meer residiert. Während die Briten wie gewohnt Meisteragent James Bond (Roger Moore) entsenden, setzten die Russen die Agentin Anya Amasova (Barbara Bach) auf den Fall an – dumm nur, dass Bond erst kürzlich deren Liebhaber im Zweikampf getötet hat.
Guy Hamiltons vierte und letzte Regiearbeit für die JAMES BOND-Serie, DER MANN MIT DEM GOLDENEN COLT (1974), stellte sich sowohl in der Zuschauer- sowie Kritikgunst als auch an der Kinokasse als höchst mäßiger Erfolg heraus. Nach dem ordentlichen LEBEN UND STERBEN LASSEN (1973) stand Roger Moores Fähigkeit, den großen Sean Connery zu beerben also nach wie vor auf dem Prüfstand. Und da Moore (zunächst) nur für drei Filme unterschrieben hatte, war das gesamte Team nun in der Pflicht, den Beweis anzutreten, dass seine Verpflichtung richtig war. Neu an der Situation war zudem, dass Produzent Harry Saltzman, Begründer der Filmreihe und der eng mit ihr verbundenen Eon Productions, aus persönlichen und finanziellen Gründen ausschied. Das Franchise stand also am Scheideweg; vielleicht noch mehr als nach dem Abgang Connerys.
Mädel: James, ich brauche dich!
James: England auch.
Und als wären das nicht schon genügend Problemchen, meldete sich auch noch Ian Flemming, Autor der James Bond-Romane, zu Wort und verbat es der Produktion, auf die Handlung von Der Spion, der mich liebte zurückzugreifen, da er selber unzufrieden damit sei. Also musste dieses Mal eine gänzlich einige Geschichte ersonnen werden, was auch sogleich eine wahre Vielzahl an Autoren verschliss. Produzent Broccoli zeigte sich mit den verschiedenen Ideen (unter anderem aus den Federn von Anthony Burgess, John Landis oder Stirling Silliphant) durchweg unzufrieden und selbst als Richard Maibaum, der immerhin an bisher acht Bond-Filmen beteiligt gewesen war, seinen Entwurf vorlegte, schüttelte der Chef nur mit dem Kopf. Letztlich war es Christopher Wood, der für Regisseur Lewis Gilbert das Romantikdrama KÖNIGLICHE HOHEIT IN JAPAN (1976) geschrieben hatte, der eine Geschichte skizzierte, die abgesegnet wurde.
Gilbert hatte zehn Jahre zuvor den äußerst erfolgreichen MAN LEBT NUR ZWEIMAL (1967) inszeniert und so ist es kein Zufall, dass sich die Geschichte von DER SPION, DER MICH LIEBTE diesem stark ähnelt. Aus Raumschiffen werden U-Boote aus Vulkanen werden Supertanker und schon hat man einen neuen Film; und einiges an Sicherheit bezüglich des Funktionierens der Geschichte. Denn tatsächlich erweist sich diese Reduktion auf die Kernelemente der Serie als durchaus geschickt. So kann Lewis die Handlung vor allem in der ersten Hälfte zügig runterkurbeln und dabei einiges an Drive entwickeln. Die Hatz durch Kairo und Umgebung gestaltet sich angenehm flott, alle Beteiligten zeigen ein gutes Gespür für die Mechaniken eines JAMES BOND-Films. Die zweite Hälfte flacht dann leider etwas ab, was vor allem daran liegt, dass es keine inhaltlichen Entwicklungen mehr gibt; nach einer Stunde liegen die Karten auf dem Tisch und man blickt dem Ende entgegen.
Anya: Hör zu: wenn dieses Unternehmen beendet ist, werde ich dich töten!
Ein Grund dafür ist sicherlich auch die Figur Karl Stromberg. Diese wird von Curd Jürgens zwar ordentlich gegeben, manch eine trocken-zynische Mine/Bemerkung möchte einen gar an Gert Fröbes Auric Goldfinger erinnern, bleibt aber in ihrer Zeichnung letztlich zu oberflächlich. Stromberg möchte nichts erschaffen, nichts zerstören, er möchte nur das Unabwendbare beschleunigen; darüber verkommt auch sein feiner Sinn für Kunst, Kultur und Ruhe zu einer Nebensache. Dafür bekommt er aber mit Richard Kiel als Beißer einen der coolsten Handlager der Seriengeschichte an die Seite gestellt, der das Filmende aufgrund seiner Beliebtheit (die sich schon in Testscreenings zeigte) auch überleben darf, um in MOONRAKER – STRENG GEHEIM (1979) zurückzukehren.
Dem gegenüber macht Roger Moore erneut einen soliden Job, es ist langsam zu erkennen, dass er die Rolle als seine eigene akzeptiert und formuliert. Daneben gibt es Barbara Bach als russische Agentin Anya Amasova zu sehen. Bach hatte bereits in italienischen Klassikern wie Aldo Lados MALASTRANA (1971) oder Paolo Cavaras DER SCHWARZE LEIB DER TARANTEL (1971) mitgewirkt und war unlängst in Giuseppe Varis DIE HÖLLENFAHRT (1975) über das Meer geschippert. Hier darf sie Bond eine Zeit lang als Konkurrieren begegnen, bleibt aber ansonsten eher durchschnittlich. Neben den bekannten Gesichtern von Bernard Lee, Lois Maxwell und Desmond Llewelyn gibt es mit der Britin Caroline Munro als des Antagonisten Gehilfin Naomi dann noch eine weitere Ikone des verkannten Kinos zu sehen.
Und wenn man schon MAN LEBT NUR ZWEIMAL als Vorbild erwählt, dann darf man auf eine prunkvolle Ausstattung nicht verzichten. Produktionsdesigner Ken Adam zeigt hier ein weiteres Mal sein Können und versorgt den Streifen mit massig beeindruckenden Sets. Strombergs Hort Atlantis ist (vor allem im Inneren) äußerst stimmig und stylisch ausgefallen und auch die zahlreicheren kleinen Sets wissen zu gefallen. Den Höhepunkt stellt natürlich das Innenleben des Supertankers dar, welches den Vulkan von 1967 zwar nicht in den Schatten stellt, es aber ohne weiteres mit ihm aufnehmen kann. Neben all diesen Schauwerten gibt es mit dem berühmten Fallschirmsprung im Prolog noch einen der gewagtesten und berühmtesten Stunts der Seriengeschichte zu sehen.
James: Vorhin haben Sie mich ja ganz hübsch verladen.
Anya: Die brave Frau denkt an sich selbst zuerst.
James: Naja, schließlich haben Sie mir das Leben gerettet.
Anya: Wir alle machen Fehler, Mr. Bond.
DER SPION, DER MICH LIEBTE spielte (bei gleichgebliebenem Budget) doppelt so viel Geld ein, wie DER MANN MIT DEM GOLDENEN COLT und kam auch bei Besuchern und Kritik deutlich besser weg. Aber nicht nur daran lässt sich ablesen, dass Moores dritter Auftritt zu seinen besten zählt. Der Streifen konzentriert sich spürbar auf die Kernelemente der Serie und verheddert sich nicht in Nebenhandlungen und Neuinterpretationen. Insbesondere in Anbetracht der schwierigen (Vor-)Produktion muss man diesem Film Respekt zollen und ihn als durchaus gelungene Novellierung des Franchise begreifen.
Indem er sich spürbar auf die Wurzeln der Reihe konzentriert, gelingt es Lewis Gilbert, den bekannten Geheimagenten wieder in sicheres (und erfolgreiches) Fahrwasser zu führen. So wird der zehnte Auftritt Bonds zwar nicht zum Meilenstein, wohl aber zu einem durchweg gelungenen Agenten-Abenteuer.
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