ATLANTIS INFERNO

Atlantis Inferno
I Predatori di Atlantide | Italien/Philippinen | 1983
IMDb, OFDb, Schnittberichte

Die Bergung eines russischen Atom-U-Boots sorgt in der Zukunft des Jahres 1994 dafür, dass die versunkene Stadt Atlantis wieder aus den Tiefen des Meeres emporsteigt – und mit ihr eine Horde skurriler Rocker, die die Welt unterjochen möchte. Die Draufgänger Mike (Christopher Connelly) und Washington (Tony King) werden zufällig zu den Rettern der Menschheit, als sie Überlebende einer beim Auftauchen Atlantis‘ zerstörten Bohrinsel aufnehmen. Gemeinsam muss sich der bunte Haufen fortan gegen die Einwohner von Atlantis verteidigen.

Ruggero Deodato hat der Welt Filme wie EISKALTE TYPEN AUF HEIßEN ÖFEN (1976), MONDO CANNIBALE 2 – DER VOGELMENSCH (1977) oder natürlich NACKT UND ZERFLEISCHT (1980) geschenkt. Doch auch nach derlei erfolgreichen und anerkannten Filmen war er nicht davor gefeit, zu Beginn der 80er Jahre in die (noch) kostengünstige(re)n Gefilde des Genrekinos abtauchen zu müssen. Das italienische Kino befand sich auf dem absteigenden Ast und jeder Trend, der ein paar Groschen in die klammen Studiokassen zu spülen versprach, war der Filmindustrie des Stiefels willkommen. Da kam Deodato der Drehbuchschreiberling Tito Carpi sehr gelegen, der unlängst Streifen wie Antonio Margheritis FLUCH DES VERBORGENES SCHATZES (1982) oder die Endzeit-Reißer METROPOLIS 2000 (1983), THE RIFFS II – FLUCHT AUS DER BRONX (1983) oder RUSH (1983) geschrieben hatte. Endzeit und Abenteuer, das war der Stoff, mit dem sich noch Geld verdienen ließ! Also wurschtelte Carpi zusammen mit Vincenzo Mannino, der kurz zuvor an Fulcis DER NEW YORK RIPPER (1982) mitgewirkt hatte, ein Drehbuch zurecht, welches sämtliche vordergründige Klischees dieses Genre auf wildeste Art und Weise zusammen würfelt.

Bill: Diese Brandbomben wirken wie Napalm.
Wash: Verdammt, das ist Napalm!

Deodato drehte dieses Geschreibsel dann Szene für Szene ab und das Ergebnis haut die Zuschauenden schon nach wenigen Sekunden völlig aus den Latschen. In den ersten 15 Minuten gibt es einen ballerintensiven Überfall, Boote, Helikopter, eine (überflutete) Bohrinsel, mystische Steine, Atom-U-Boote, das Auftauchen Atlantis‘, eine ungeheure Flutwelle und eine plötzlich erscheinende (und ebenso plötzlich zu morden beginnende) Rockerbande zu sehen. Ruggero taktet das Alles derart eng, dass man nicht zu lange ungläubig zwinkern darf, ohne Gefahr zu laufen, etwas mehr oder minder wichtiges zu verpassen. Und auch, wenn der Film sein Tempo danach ein klein wenig reduziert, so bleibt er doch ein wahrer Husarenritt durch allerlei Action, Klischees und Nonsens.

Die massiven Ballereien, denen sich die Protagonisten allenthalben stellen müssen, fallen dabei durchweg unterhaltsam aus, auch wenn Deodato hier und da Material mehrfach verwendet. Häufige Locations-Wechsel sorgen für Abwechslung (und mitunter auch etwas Verwirrung) und garantieren immer frische Schauwerte. Des Weiteren fällt der Cast derart groß aus, dass immer irgendjemand dazu bereit steht, über eine der zahlreichen Klingen zu springen. Das bedeutet natürlich nicht, dass die zahlreichen Auftretenden in irgendeine relevante Beziehung zueinander treten würden; die Situation ist – von Mikes und Cathy Spinatessen einmal abgesehen – der einzige Grund, sich gemeinsam durch die Gegend zu bewegen.

Typ: Hey, wie läuft’s denn so, Washington?
Washington: Keine Ahnung, mein Name ist Mohammed.

Die Hauptrollen fallen Christopher Connelly, der zuvor in Fulcis AMULETT DES BÖSEN (1982) und Castellaris THE RIFFS – DIE GEWALT SIND WIR (1982) geglänzt hatte, und Tony King, der neben seinem Mitwirken in Margheritis großartigem ASPHALT-KANNIBALEN (1980) in Genre-Reißern wie JÄGER DER APOKALYPSE (1980) oder HÖLLENKOMMANDO ZUR EWIGKEIT (1982) einschlägige Erfahrungen gesammelt hatte, zu. Die beiden bilden den Kern des Films, indem sie sich über die gesamte Spielzeit hinweg flapsige bis dumme Sprüche zuwerfen und nebenbei jede Gefahr per Hüftschuss ausschalten. Dabei wirken Mike und Washington zu keinem Zeitpunkt wie echte Helden, sondern eher wie zwei Halunken, denen es egal ist, wen sie da letztlich über den Haufen ballern. Der Umstand, dass Mike einen Kampf für ein Bündel Scheine unterbricht (was seinem Gegenüber wiederum seine Menschlichkeit belegt!) sagt eigentlich alles.

Aber auch abseits dieser zwei hat sich Deodato einen beeindruckenden Cast zusammengesucht. Die 22-jährige Gioia Scola darf als weibliche Forscherin Cathy gleich mal ihre Eigenständigkeit in einer flammenden Rede klarstellen, während Genre-Ikone Ivan Rassimov die Herzen der Rezipienten als saufender Helikopterpilot Bill höher schlagen lässt. Mit George Hilton als Professor Saunders gibt es einen weiteren der großen italienischen Genre-Mimen zu sehen und auch der renommierte Regisseur und Darsteller Michele Soavi darf eine Nebenrolle bekleiden. Als Antagonist tritt schließlich Bruce Baron, der sein Debüt in Tsui Harks SÖLDNER KENNEN KEINE GNADE (1980) gab, hinter einer Glasmaske in Aktion.

Mike: Hey Wash, wenn du ‘ne Insel wärst, wo wärst du dann?

Eines wirklichen Gegenspielers bedarf es aber eigentlich kaum, denn der Film lässt in seinem Wahnsinn ohnehin kaum Raum, etwaigen Handlungsfäden zu folgen. Die Bande ballert sich schlichtweg von Szene zu Szene und unterhält die Zuschauerschaft mit den dabei entstehenden Schauwerten. Einige Brutalitäten wechseln sich mit schönen Explosionen innerhalb gelungener Kulissen ab und in den Ohren hat man die ganze Zeit über treibendende Synthie-Klängen der Gebrüder De Angelis. Die Bohrinsel und Atlantis (mitsamt einer Glaskuppel) werden von Miniaturen dargestellt und zum Finale hin gibt es auch das halbwegs futuristische Innere der utopischen Welt zu sehen. Bis dahin regieren Nonsens und dumme Sprüche, die Handlungslöcher vergisst man schon nach kurzer Zeit zu zählen. Das alles gipfelt dann darin, dass sich Mike und Wash während ihrer Flucht vom versinkenden Atlantis stark darüber wundern, wie die gerade noch im Inselinneren unsichtbar gewordene Cathy plötzlich im Helikopter auftauchen kann, sich dann aber – quasi in Vertretung für die Zuschauenden – darauf einigen, „das nachher zu klären“ – und dieser Empfehlung sollte man sich wirklich bedenkenlos anschließen.

Neben all seinen Unterhaltungsqualitäten ist dieses Werk ein Beleg dafür, dass die deutschen Verleiher mit ihren Titelanpassungen zumindest ein einziges Mal genau richtig gelegen haben: dieser Streifen ist ein Inferno!

7 Antworten zu “ATLANTIS INFERNO

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    • Hui,
      deinem Urteil kann ich mich – auch wenn das Attribut ‚Fließband‘ durchaus nicht völlig falsch ist – mitnichten anschließen. Eventuell wäre ja eine Neusichtung dazu angetan, deine Meinung zu ändern? 😉
      Ansonsten danke für’s Kommentieren,
      Gruß!

      Gefällt 1 Person

      • Ich muss gestehen, das ist schon eine Weile her, damals auf VHS in schlechter Bildqualität. Im übrigen bin ich gar nicht so abgeneigt, ich besitze das Fanbuch „sehen und sterben lassen“ (der italienische Söldner- und Kriegsfilm), ein unterhaltsamer Schmöker.

        Grüße, Royal

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  3. Ich muss gestehen, das ist schon eine Weile her, damals auf VHS in schlechter Bildqualität. Im übrigen bin ich gar nicht so abgeneigt, ich besitze das Fanbuch „sehen und sterben lassen“ (der italienische Söldner- und Kriegsfilm), ein unterhaltsamer Schmöker.

    Grüße, Royal

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