STAR WARS: DAS ERWACHEN DER MACHT

Star Wars: Das Erwachen der Macht
Star Wars: The Force Awakens | USA | 2015
IMDb, OFDb, Schnittberichte

Aus der Asche des Imperiums ist die Erste Ordnung entstanden, die der maskierte Kylo Ren (Adam Driver) im Namen des mysteriösen Wesens Snoke anführt. Auf dem Wüstenplanten Jakku geraten unterdessen die junge Schrottsammlerin Rey (Daisy Ridley) und der desertierte Stormtrooper Finn (John Boyega) durch Zufälle aneinander. Zusammen mit dem Droiden BB-8, der vom Widerstandspiloten Poe Dameron (Oscar Isaac) eine Karte mit dem Aufenthaltsort des verschwundenen Luke Skywalker (Mark Hamill) erhalten hat, versuchen die zwei, den Widerstand rund um General Leia Organa (Carrie Fisher) zu erreichen; und wo Leia ist, da sind Han Solo (Harrison Ford) und sein Gefährte Chewbacca (Peter Mayhew) nicht weit.

Ende der 2010er Jahre passierte mit dem STAR WARS-Universum etwas Erstaunliches: Die Franchise-Maschinerie des George Lucas hatte mit ihren unzähligen Auskopplungen und Weiterverwertungen dafür gesorgt, dass die jüngsten Generationen an Fans kaum noch etwas von der ursprünglichen Trilogie, dem einstigen Zauber dieses Filmuniversums, wussten. Der Serien-Pilotfilm STAR WARS: THE CLONE WARS (2008) sorgte dann auch für eine stilistische Neuausrichtung und fortan war STAR WARS mehr denn je Grundlage einer kindgerechten und auf Spielzeug- und sonstige Merchandiseprodukte ausgerichteten Angelegenheit. Als George Lucas dann noch im Oktober 2012 vermelden ließ, dass er Lucasfilm und die gesamten Rechte an Walt Disney Studios Motion Pictures verkauft habe, kamen allerorten Befürchtungen auf, dass das altehrwürdige Universum nun vollends dem juvenilen Ausverkauf anheimfallen würde. Doch nur drei Monate später wurden J.J. Abrams als Regisseur und Lawrence Kasdan als Drehbuchautor bekanntgegeben, was nicht nur zur Beruhigung der Massen beitrug, sondern ganz im Gegenteil eine Welle der Euphorie auslöste.
J.J. Abrams, seit 2004 für seinen Serienerfolg LOST bekannt, hatte nämlich mit den STAR TREK-Reboots STAR TREK (2009) und STAR TREK INTO DARKNESS (2013) bewiesen, dass er mit alten Science-Fiction-Größen umzugehen wusste, und mit SUPER 8 (2011) darüber hinaus eine stimmige Hommage an altes spielberg‘sches Kino abgeliefert. Für Lucasfilm, auch unter dem Dache Disneys immer noch existent, begann dann Michal Arndt mit den Arbeiten am Drehbuch, jedoch musste dieser die Produktion nach kurzer Zeit verlassen und wurde dann von Lawrence Kasdan und Abrams selbst ersetzt. Mit Kasdan gewann man dabei einen der wohl maßgeblichsten Denker der Seriengeschichte, war er es doch, der die Drehbücher zu DAS IMPERIUM SCHLÄGT ZURÜCK (1980) und DIE RÜCKKEHR DER JEDI-RITTER (1983) schrieb. Und da ersterer bis heute als inhaltlicher Höhepunkt der Reihe gilt, sah sich Kasdan fortan einer großen Erwartungshaltung seitens der Fans gegenüber.

Leia: Die Macht, sie ruft nach dir. Lass es einfach zu!

Und Abrams und Kasdan fanden dann letztlich ihren ganz eigenen Weg, mit diesen exorbitanten Erwartungen umzugehen: sie entschieden sich schlicht dazu, den ersten Teil der dritten Trilogie (an dieser Planung gab es ab der ersten Minute keinen Zweifel) als Mischung aus Reboot und Sequel anzulegen. Denn obwohl STAR WARS: DAS ERWACHEN DER MACHT formal eine Fortsetzung darstellt, sind die Überschneidungen, Reminiszenzen, Anspielungen oder schlicht Wiederholungen an/auf/aus KRIEG DER STERNE (1977) so omnipräsent, dass der Film sich letztlich wie Mischung aus Neuauflage und Fortsezung anfühlt. In seiner gesamten Struktur folgt er dem Urfilm: ein Wüstenplanet; eine verlorene Existenz, die einen Roboter trifft, der geheime Dokument bei sich hat; ein maskierter Bösewicht, der familiäre Bindungen zu den Guten aufweist; unerwartete Reisen; eine zaghafte Annäherung an eine unbekannte Macht und letztlich ein Raum- sowie Bodenkampf gegen eine riesige runde Kampfstation (deren Name nun in Anlehnung an Lucas‘ ursprünglichen Titel des 1977er Abenteuers Starkiller Base lautet).

Tatsächlich gibt es fast nichts, was dem kundigen Betrachter nicht auf Anhieb vertraut erscheinen dürfte. Kasdan und Abrams variieren diese inhaltlichen Versatzstücke jedoch überwiegend originell, sodass die Redundanz nie überhandnimmt. Nur in der letzten halben Stunde werden die Parallelen dann doch übermächtig und zu allem Überfluss fällt der Angriff auf die Starkiller Base auch noch sehr viel weniger spannend aus als jener Zeit die Attacke auf den ersten Todesstern. Es scheint schlicht zu einfach, diese plantengroße Kampfstation zu zerstören, zu keiner Sekunde scheint die Unternehmung des Widerstands wirklich in Gefahr zu sein. Aber abseits dieses Makels erfüllt das Drehbuch seinen Zweck voll und ganz.
Darüber hinaus haben Kasdan und Abrams sich einige Freiheiten genommen, die den Film inhaltlich auf solide Beine stellen. Zum einen wäre da die Entscheidung, sämtliche Ereignisse des Expanded Universe völlig zu ignorieren. Alles, was seit 1977 abseits der Filme in Comics, Videospielen, Büchern und sonstigen Medien passierte, eine Gesamtgeschichte, die immerhin einige Jahrhunderte in die Zukunft (und mehrere Jahrtausende in die Vergangenheit) reichte, ist nun obsolet. Nur so war es möglich, wirklich neue und spannende Plots zu schaffen, ohne an die bereits vorhandenen Ereignisse gebunden zu sein. Einerseits sicherlich ein großer Verlust, andererseits eine mutige und alternativlose Entscheidung. Die zweite großartige Idee betrifft den Mythos der Macht. Dieser ist nun wieder unwissenschaftlich und somit unerklärlich. Die Macht ist schlicht da, man fühlt sie, aber man misst sie nicht! Keine Midiklorianer oder anderer Humbug, die Macht ist einfach die Macht, Danke dafür!

Snoke: Es gibt ein Erwachen. Spürst du es? Die dunkle Seite … und die helle.

Inhaltlich steht dann vor allem die Mixtur aus alten und neuen Charakteren im Vordergrund, was Abrams ganz hervorragend gelingt. Harrison Ford passt immer noch in die Rolle des charmant-draufgängerischen Schmugglers Han Solo (und in dessen alteneue Jacke) und erobert mit nur wenigen Sätzen wieder einmal die Herzen der Zuschauer und auch die Beziehung zu Carrie Fisher als Leia Organa funktioniert schon nach wenigen Sekunden wieder. Das Aufeinandertreffen der beiden ist wundervoll inszeniert und gibt gleichzeitig Auskunft über all die Ereignisse und all den Schmerz, den die beiden in den vergangenen 29 Jahren erleiden mussten. Mark Hamill bekommt als Luke Skywalker vorerst zwar nur wenige Sekunden Screentime, nutzt diese aber ebenfalls perfekt aus, reicht doch ein einziger Blick in seine verklärten Augen, um sein Scheitern an Kylo Ren und den damit verbundenen Schmerz nachempfinden zu können. Neben diesen Konstanten dürfen aber auch Peter Mayhew als Chewbacca, Anthony Daniels als C-3PO, Kenny Baker als R2-D2 oder Warwick Davis, der in DIE RÜCKKEHR DER JEDI-RITTER sowie den Spin-Offs DIE EWOKS – KARAWANE DER TAPFEREN (1984) und KAMPF UM ENDOR (1985) den Ewok Wicket gab, wieder mitmischen.
Der so entstehenden Gefahr, dass die altbekannten Rollen die Neueinführung erdrücken, begegnen Abrams und Kasdan allerdings mit größtem Können, indem sie die neuen Figuren eng an bekannte Rollenmuster anlehnen, ohne jedoch allzu blind zu kopieren. Die Britin Daisy Ridley beeindruckt als Luke Skywalker-Pendant Rey über alle Maßen, schafft sie es doch nahezu perfekt, als neues machtbegabtes (vorerst-)Waisenkind vom abgelegen Wüstenplanten zu fesseln. Sie projiziert die gleich Verlorenheit und Resignation, die Hamill 1977 auf die Leinwand brachte. Der ebenfalls dem britische Königreich entstammende John Beyega, der 2011 als Hauptrolle im Überraschungserfolg ATTACK THE BLOCK debütierte, bildet dann das passende Gegenstück zu Ridley und sorgt maßgeblich für Humor und Lockerheit. Um diese Rolle einführen zu können war es zudem notwendig, den bis dato namen- und hintergrundlosen Sturmtruppen ebenjenes zu verpassen; was der Ersten Ordnung – im Rahmen des Möglichen – sogleich mal einen etwas realistischeren Anstrich verpasst.

Oscar Isaac wird als Han Solo-Epigon Poe Dameron bislang nur recht rudimentär (aber nichtsdestotrotz gelungen) eingeführt und Adam Driver darf als Vader-Enkel Kylo Ren für die wohl zwiespältigste Charakter-Neueinführung sorgen. Während die einen gerade Drivers jugendlich-unschuldigen Blick schätzen, der unter der Maske hervorkommt, stoßen sich andere an der großen Ambivalenz, die Optik und Verhalten Kylo Rens offenbaren. Die (leider gänzlich CGI-geschaffene) Gestalt Snoke bleibt zudem eine ungewisse, muss sich hier doch erst noch zeigen, ob dieser als allmächtiger Antagonist in die großen Fußstapfen des Imperators zu treten vermag. Auf Seiten der menschlichen Mimen werden zudem noch zahlreiche bekannte Mimen mit Cameo-Auftritt bedacht, unter denen sich auch Größen wie Simon Pegg, Daniel Craig oder der altehrwürdige Max von Sydow in einer Minirolle finden.
Nun gab es bei der Prequel-Trilogie zwischen 1999 und 2005 neben der ungeschickten Charakterzeichnung und -einführung einen weiteren großen Kritikpunkt, der bis heute von allen Widersachern dieser zweiten Trilogie bemängelt wird: die Optik. Die vollkommene Hinwendung zu computergenerierten Trickeffekten und -figuren brachte Lucas seinerzeit immense Vorwürfe ein und tatsächlich ist es bis heute dieser höchst artifiziell und wenig greifbar wirkende Look, der eine allzu große Distanz zwischen den Prequels und der Ur-Trilogie schafft. Und da Abrams nun einmal in den Jahren 2013-2015 an seinem Franchise-Beitrag arbeitete, wäre es auch abwegig zu erwarten, dass er auf CGI-Effekte verzichten könne, aber trotzdem traf er eine Entscheidung, die sich als eine der wichtigsten und besten in der gesamten Produktion herausstellen sollte: was per handgemachter Tricktechnik zu machen ist, wird auch gemacht. Er folgt damit der ähnlichen Entscheidung George Millers, der so schon seinen Reißer MAD MAX – FURY ROAD (2015) zu einem optischen Hochgenuss machte. Und STAR WARS: DAS ERWACHEN DER MACHT ist ebenfalls ein optischer Hochgenuss. Sondergleichen.

Rey: Es gibt Geschichten über das, was passiert ist
Han: Es ist wahr, einfach alles. Die dunkle Seite, die Jedi, all das gibt es.

Von der ersten Minute an fühlt sich alles echt und tatsächlich an. Es sind zwar nur zwei Dutzend Stormtrooper, die auf Jakku aus den Landungsschiffen springen, aber sie sind echt. Sie stehen im Sand, sie fallen hin und sie schlagen echte Dorfbewohner. Sie treten über echte Ausstiegsluken und machen einem echten Kylo Ren Platz. Später fährt Rey auf einem echten Speeder und reißt echtes Plastik auf, um an ihre Rationen zu kommen. Diese Haptik, dieses Vorhandensein bringt den Film sehr viel näher an die Ur-Trilogie als es die Werke zwischen 1999 und 2005 je geschafft haben. Ein wundervolles Beispiel ist das Reittier, auf dem sich der kurzzeitige Bedroher von BB-8 durch die Wüste bewegt. Anstatt ein computeranimiertes Wesen ins Bild zu kleben, humpelt hier ein hüftsteifes Tierchen umher, bei dem man fast die animatronischen Motoren quietschen hört. So entsteht ein Zauber, der mit Worten kaum zu erklären ist.

Der zweite optische Kniff des Films ist es dann, den Dreck wiederkehren zu lassen. Alles ist wieder staubig, verbraucht und alt. Weggespült sind Glanz und Unversehrtheit, es gibt wieder Maschinenöl und alte Fetzen. Lukes erstes Lichtschwert wird gar in einer hölzernen Schatzkiste aufbewahrt. Auch das sind Merkmale, die das ursprüngliche Artdesign des Universums wunderbar wiedergeben. Und dann fallen auch die trotzdem zahlreichen CGI-Effekte nicht mehr so unangenehm auf. Diese sind natürlich gänzlich State-of-the-Art und sorgen vor allem im letzten Drittel für Bombast-Action par Excellence. Eine plantengroße Kampfstation, die einer Sonne sämtliche Energie aussaugt, ein in sich zusammenfallender Planet, auf dem noch gekämpft wird, oder riesige Raumschlachten, mit hunderten Beteiligten, alles sieht prächtig aus. Und die Verfolgungsjagd des Millenium Falken auf Jakku offenbart zudem, dass auch bei den CGI-Effekten auf Glaubwürdigkeit und Fühlbarkeit geachtet wurde. Es wirkt schlicht und einfach nachvollziehbar, wie der Falke in Kurven geht, wie er dröhnt und brüllt, wenn er gegen die Schwerkraft ankämpft. Gleiches gilt für die Lichtschwerter, die nun deutlich schwerer und bedrohlicher wirken. Kylo Rens faucht unfassbar bedrohlich, aber auch Lukes altes Schwert ist nun von nie dagewesener Substanz. Dazu mussten während der Dreharbeiten auch sehr schwere, leuchtende Attrappen geschwungen werden, was so manchem Darsteller einen gehörigen Muskelkater einbrachte.

Kylo Ren: Nichts wird uns im Weg stehen. Ich werde beenden, was du begonnen hast.

Und wenn schon die Formalia zur Sprache kommen, dann darf die Musik natürlich nicht außen vor bleiben. Selbstverständlich wurde dazu bei John Williams angerufen, der dem Streifen ohne zu zögern einen weiteren klassischen STAR WARS-Soundtrack verpasst hat. Wurden für die Teaser und Trailer noch alte Aufnahmen verwendet, begann Williams ab Dezember 2014 mit der Arbeit an neuen Stücken, die sich jedoch allesamt sehr organisch mit den bereits bekannten Motiven verbinden. Hier wurden keine Experimente gemacht, sondern viel mehr behutsame Weiterführungen vorgenommen. Sicherlich kein Nachteil.
Inwieweit man sich als Fan und/oder Kinogänger nun mit dem ersten Film der dritten STAR WARS-Trilogie zufrieden zeigt, hängt sicherlich stark von der Erwartungshaltung ab. Wer eine grundlegende Neuausrichtung erwartet hat (Abrams zeigte dieser Fähigkeit bei den STAR TREK-Reboots bereits), der wird an den zahlreichen inhaltlichen Parallelen sicherlich zu knacken haben. Wer in den letzten Jahrzehnten vor allem den Charme der Ur-Trilogie vermisst hat, der darf hingegen aufatmen und sich blindlinks in ein bombastisches Filmerlebnis stürzen. Und letztlich ist wohl genau das der große Verdienst, den J.J. Abrams und Lawrence Kasdan für sich in Anspruch nehmen dürfen: sie haben das STAR WARS-Gefühl wieder zurück in die Serie geholt. Und da man Gefühle bekanntlich nicht messen oder bewerten kann, ist es auch müßig darüber weiter zu diskutieren – das freilich wird Rian Johnson, der wahrscheinlich die Fortsetzung schreiben und inszenieren wird, etwas anders sehen, haben ihm Abrams und Kasdan doch die sehr große Aufgabe vererbt, auf Grundlage dieser großartigen Exposition nun einen inhaltlich und dramaturgisch ebenbürtigen Nachfolger zu kreieren.

Jeffrey Jacob Abrams und Lawrence Kasdan schenken den STAR WARS-Fans nach 32 Jahren endlich wieder einen Film, der den Charme und den Zauber der ursprünglichen Filme transportiert. Großartige alte und neue Charaktere verbinden sich mit einer wundervoll-wirklichen Tricktechnik zu einem rauschhaften Erlebnis, welches auch von den teilweise allzu deutlichen inhaltlichen Parallelen nur unbedeutend geschmälert werden kann. Die Macht ist wieder da!

3 Antworten zu “STAR WARS: DAS ERWACHEN DER MACHT

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