Die Warriors
The Warriors | USA | 1979
IMDb, OFDb, Schnittberichte
Die Warriors, eine Gang aus Coney Island, sind auf dem Weg in die Bronx, um dort einem großen Gangtreffen beizuwohnen. Vor Ort wird allerdings Cyrus (Roger Hill) erschossen, der eigentlich die Verbrüderung aller New Yorker Gangs plant. Der Mord wird den Warriors in die Schuhe geschoben, sodass diese nun von den anderen Jugendbanden der Stadt gejagt werden. Unter der Führung von Swan (Michael Beck) versuchen die acht Verblieben nun, ihren Heimatstadtteil heil zu erreichen.
Ende der 70er fand der Produzent Lawrence Gordon – der später auch Action-Hits wie PREDATOR (1987) oder STIRB LANGSAM (1988) verwirklichen sollte – in einem New Yorker Buchladen einen Comic namens The Warriors von Sol Yurick. Der Stoff gefiel ihm und die Erinnerung daran, 1978 zusammen mit dem Regisseur Walter Hill den gelungenen Verfolgungs-Reißer DRIVER veröffentlicht zu haben, ließ in Gordon die Idee von einem weiteren düsteren Fluchtabenteuer in New York reifen. Nach einigem hin und her konnte Gordon dann rund sechs bis sieben Millionen US-Dollar von Paramount Pictures loseisen und damit die Produktion im Juni 1978 in Angriff nehmen.
In Sachen Drehbuch erhielt Walter Hill Unterstützung von David Shaber und zusammen schufen die beiden ein sehr minimalistisches Script, das weniger auf Inhalt, als vielmehr auf Stimmung und Design setzt. Die wirkliche Handlung umfasst dementsprechend nur wenige Absätze und ist schnell erzählt. Wendungen oder komplizierte Zusammenhänge sucht man vergebens, es geht schlicht und ergreifend um die Flucht der namensgebenden Bande; selbst die etwas erzwungen wirkende Liebesgischte muss sich diesem Konzept unterwerfen. Was pro forma etwas langweilig klingen mag (und in der Mitte des Films tatsächlich für einen kleinen Hänger sorgt), stellt sich bei genauerer Betrachtung als großer Kniff heraus, denn Hill und Shaber beweisen hier den Mut, die Form einfach über den Inhalt zu erheben.
Luther: Auf dem Bahnhof wird’s vor Bullen wimmeln, sag‘ ich dir!
Cropsey: Oh, verflucht! Warum pissen wir die Bullen nicht einfach in den Rinnstein?
Dementsprechend lag das größte Augenmerk bei der Produktion auf der Inszenierung und der Ausarbeitung der Kulissen und Gangs (im Film kommen ca. zwanzig verschiedene Gruppen vor, im Drehbuch finden sich über 80). Obwohl die Zeit, zu der die Ereignisse stattfinden, nicht näher bestimmt ist, erwecken die Straßen New Yorks den Eindruck, einer nahen Zukunft zu entstammen. Aals Zuschauer blickt man immer wieder auf verlassene Parks, menschenleere Avenuen und fast schon apokalyptische U-Bahnhöfe. Der inhaltliche Minimalismus findet sich hier wieder, wird doch konsequent auf Statisten verzichtet. Es gibt nur die Warriors und ihre jeweiligen Widersacher.
Mittels teils sehr aufwendiger Beleuchtung (es wurde eine Unmenge von Lichtern in gefakten Straßenlaternen versteckt) und einer grandiosen Setauswahl, schaffen es Hill und sein Team so, einen selten wieder erreichten Eindruck der New Yorker Nacht zu vermitteln. Verlassene Bahnsteige werden zu unendlich langen, einsam beleuchteten Fixpunkten in der Nacht, die Züge, die dort verkehren, versprühen hingegen fast schon Heimeligkeit und stellen den einzig sicheren Platz in der Nacht dar. Ständig bieten sich neue Eindrücke einer Stadt, die hier zwar etwas reduziert, dafür aber in wundervoller Essenz dargestellt wird.
Dafür verantwortlich ist sicherlich auch eines der zentralsten Stilmittel des Films, nämlich der Umstand, dass der gesamte Film in der Nacht spielt. Es das Finale entlässt den Zuschauer nach der erfolgreichen Rückkehr in die aufgehende Sonne, und hinterlässt so einen ungewohnten, ja unrealistischen Eindruck. Um diesen Effekt zu erzielen musste übrigens auch die eigentliche Eröffnungssequenz, eine Diskussion zwischen Cleon und seiner Unheil ahnenden Freundin, weichen.
Unterstützt wird die stimmige Atmosphäre des Films nicht unwesentlich vom Soundtrack, den Barry De Vorzon beisteuerte. Sein Gemisch aus Synthesizer und Rockmusik treibt den Film ungemein an und verbindet sich so gekonnt mit Hills zügiger Inszenierung. Auch die ruhigeren Momente des Scores behalten stets eine gewisse Spannung bei, sodass die nächste Actionsequenz nie allzu weit entfernt scheint.
Ajax: Eins hat vielleicht bei Cyrus‘ Treffen ‘nen echten Sinn für uns: Wie sehen mal ‘nen paar fremde Titten, auf’m Rückweg können wir vielleicht ‘nen paar davon auf die Bretter legen!
In Sachen Schauspiel kommt der Film hingegen eher durchschnittlich daher. Um das Gangsetting möglichst realitätsnah zu gestalten, entschied Hill sich für weitestgehend unbekannte Mimen. Michael Beck gibt folglich einen ordentlichen, aber keineswegs ikonischen Swan, der von einer ebenfalls ordentlichen, aber meist blassen Truppe begleitet wird. Am auffälligsten ist ansonsten noch Edward Sewer als mysteriöser Masai, dessen Auftritt hier allerdings seine einzige schauspielerische Tätigkeit darstellt. Deborah Van Valkenberg spielt auf Seiten der Damen ebenfalls recht überschaubar, was allerdings auch an ihrer recht flachen Rolle als Love Interest liegt. Alles in allem bestätig auch das Segment Darsteller, dass Hill sein Augenmerk weniger auf einzelne Ikonographen, als vielmehr auf ein stimmiges Gesamtbild gelegt hat.
Und das gelingt ihm mit Bravour, denn die Hatz durch das nächtlich finstere New York funktioniert auch heute noch großartig. Seinerzeit sorgte der Film für viel Aufsehen und gilt heute als eines der Meisterwerke des Genres; das in einer Vielzahl von Filmen zitiert wurde, und mit Enzo G. Castellaris THE RIFFS – DIE GEWALT SIND WIR (1982) und THE RIFFS II – FLUCHT AUS DER BRONX (1983) würdige italienische Nachahmer fand. Und das vollkommen zu recht, schafft es der Streifen doch, sich mit seiner bewusst minimalistischen Art, auf das wesentliche zu konzentrieren. Gleiches dachte sich wohl auch die FSK, die den Film, der von 1983 bis 2001 sogar indiziert war, im Jahre 2013 im Zuge einer Neuprüfung als FSK 12 gerecht einstufte. Immerhin haben jetzt auch junge Filmfans die Möglichkeit, diesen wirklich ausgesprochen stimmungsvollen Genrehit zu sehen.
Ajax: Ich steck dir dein Baseballschläger in den Arsch und mach’n Eis am Stiel aus dir!
Die angedeuteten Kürzungen, die Hills eigentliche Planung etwas aus dem Lot brachten, wurden von diesem übrigens im Nachgang in Form einiges Director’s Cut korrigiert. In diesem finden sich zwar nicht die ursprünglich gedrehten Szenen, dafür aber diversen – auf die Vorlage referierende – Comicszenen. Diese bieten inhaltlich zwar kaum etwas neues, erweitern die Exposition aber um eine skurrile Vorgeschichte, die einen Hauch griechischer Mythologie (der sich übrigens auch in Sol Yuricks Vorlage wiederfindet) einfließen lässt. Aber egal ob deutsche Kinofassung oder US-amerikanischer Director’s Cut, DIE WARRIORS ist und bleibt ein ungemein stimmungsvoller und gekonnte minimalistischer Genrestreifen, der auch heute noch restlos zu unterhalten weiß.
Der beschwerliche Weg der Warriors stellt den Beweis dafür dar, dass man auch mit bewusst wenig Substanz einen wirklich guten Film drehen kann; zumindest wenn man es wie Walter Hill versteht, per Inszenierung und Design dafür zu sorgen, dass Spannung und Atmosphäre den Film alleine tragen.
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