Für eine Handvoll Dollar
Per un pugno di dollari | Deutschland/Italien/Spanien | 1964
IMDb, OFDb, Schnittberichte
Der alleinreitende Joe (Clint Eastwood) kommt in das Dorf San Miguel in New Mexico. Dort bekriegen sich die örtlichen Banden, die Baxters und die Rojos, bis aufs Blut. Joe sieht die Möglichkeit, aus der Situation Gewinn zu schlagen, und spielt die beiden Gruppen gegeneinander aus. Was zunächst gut funktioniert und ihm ein erquickliches Sümmchen einbringt, verkehrt sich bald ins Gegenteil und bedroht sowohl Joe selbst, als auch die ganze Stadt.
1960 hatte Sergio Leone seinen Regieeinstand mit DER KOLOß VON RHODOS gefeiert, nichtsahnend, dass er sein Debut damit einem Genre verschrieb, welches vom Aussterben bedroht war. Der Monumental- oder Sandalenfilm war zu teuer und zu unrentabel, sodass sich die italienischen Filmstudios von ihm abwandten. Jener junge Leone, der seit den frühen 50er Jahren als Regieassistent tätig war, hatte sich aber in ebendiesem Genre seine ersten Sporen verdient, sodass es für ihn keine leichte Entscheidung war, sich ein neues Betätigungsfeld zu suchen.
Beeinflusst wurde er dann durch den immensen Erfolg der Winnetou-Filme, mit denen der Österreicher Harald Reinl gerade zeigte, dass der originär amerikanische Western auch in der alten Welt funktionieren konnte. Doch wiederstrebte es Leone, dieses Konzept einfach zu kopieren, denn schon die Winnetou-Filme orientierten sich ihrerseits stark an den US-amerikanischen Prärieabenteuern. Auch hier half schließlich ein Blick über den Tellerrand, genauer gesagt ins ferne Japan. Dort hatte Akira Kurosawa 1961 den Film YOJIMBO – DER LEIBWÄCHTER veröffentlicht, dessen zentrales Motiv der zwei rivalisierenden Banden, die von einem einsamen Wolf gegeneinander ausgespielt werden, sich Leone dankbar entlieh. Mit Hilfe einer wahren Armee an Drehbuchschreibern transportierte Leone diesen Inhalt dann in ein klassisches Westernmotiv im Westen der USA. Die Verantwortlichen übersahen dabei jedoch, dass es sich bei dem Vorgang um mehr als nur Inspiration handelte, sodass Kurosawa die Produktion im Nachhinein mit einer Urheberrechtsklage bedrängte, was ihm eine weltweite Gewinnbeteiligung in Höhe von 15% einbrachte.
Joe: Die Baxters auf der einen Seite, die Rojos auf der anderen. Da wird‘ ich mir ein Plätzchen in der Mitte suchen!
Aber nun hatte Leone endlich sein Sujet, welches formal zwar dem Vater namens US-Western glich, aber im Herzen deutlich mehr nach Kurosawa Geschichte geriet. Während der amerikanische Westernfilm die ewige Geschichte eines guten Reiters erzählt, der uneigennützig das Böse bekämpft, präsentiert Leones Script einen Helden, dem es vor allem um den eigenen Gewinn geht. Joe – der in der Rezeption auch oft als namenslos bezeichnet wird, weil sein Name nur einmal genannt wird – hat das klare Ziel Geld zu verdienen und schreckt nicht davor zurück, dafür auch über Leichen zu gehen. Das er Marisol später etwas von seinem Geld abgibt, negiert diese Eigenschaft dabei mitnichten; Joe bleibt trotzdem ein moralisch zwiespältiger Charakter, der in erster Linie auf den eigenen Vorteil bedacht ist. Kleinere Freundschaften mit Silvanito oder Piripero umreißen lediglich seine Menschlichkeit, damit der Charakter nicht zu einseitig wird.
Um diesen neuen Typus des Westernhelden angemessen zu verkörpern, hatte sich Leone dann eigentlich einen bekannten Star á la Henry Fonda oder Charles Bronson gewünscht, die allerdings mit dem schmalen Budget des Films – es standen lediglich runde 200.000 US-Dollar zu Verfügung, von denen 15.000 für die Hauptrolle eingeplant waren – nicht zu locken waren. Also fiel die Wahl auf den TV-Darsteller Clint Eastwood, der sich in der Western-Serie RAWHIDE schon die ersten Sporen verdient hatte. Eastwood brachte Stiefel, Jeans und Poncho gleich selber mit zum Set und konstituierte die Äußerlichkeiten der Figur somit ohne es zu wissen. Des Weiteren musste er sich einen Dreitagebart wachsen lassen, der die Verwegenheit der Rolle zusätzlich unterstrich.
Eastwood spielte den Joe dann mit Bravour und schuf so den stereotypen Hauptcharakter der folgenden Italowestern-Welle. Wortkarg und mit zugekniffenen Augen (tatsächlich wurde Eastwood beständig von der Sonne geblendet) zog er also durch das spanische Hinterland, in welchem sich die Kulissen befanden. Seinen Gegnern am Colt stets überlegen, braucht er keine Konfrontation zu scheuen und ist somit in der Lage, seine Konzentration auf coole Oneliner zu lenken. Seine beiden Gehilfen werden dabei von José Calvo und Joseph Egger gespielt; wobei gerade letzterer – nicht zuletzt dank der trashigen Synchronisation – einiges an Humor zum Film beiträgt. Ganz anders sieht es bei Gian Maria Volonté aus, der einen an der Grenze zum Wahnsinn wandernden Ramón Rojo mimt. Ebenfalls am Schießeisen begabt, stellt dieser das wirklich Böse dar, dem gegenüber Joe zwangsläufig auf die Seite des Guten gedrängt wird; welche er aber wie erwähnte nur bedingt annimmt.
Neben dieser neuen Ausgestaltung des bekannten Western-Sujets kann der Film dann vor allem aufgrund von Sergio Leones brillanter Inszenierungstechnik begeistern. Leone reizt die Möglichkeiten der Kameras derart exzessiv aus, dass man teilweise minutenlang nur Nahaufnahmen von Gesichtern sieht. Dabei steht dann weniger der Transport einer Emotion im Vordergrund, als vielmehr die bloße Präsenz der jeweiligen Rolle. Vor allem während der Duelle entsteht somit eine äußerst dichte Atmosphäre, innerhalb derer alles andere zur Randerscheinung wird. Davon ab beweist er eine – in Anbetracht seiner erst zweiten Regiearbeit – erschreckend routinierte Ruhe in seiner Bildwahl, die diesen aufreibenden Sequenzen immer wieder äußerst ruhige Momente gegenüberstellt. So entsteht eine wunderbare Mixtur aus Anspannung und Gelassenheit, die den Inhalt gekonnt in die Form überträgt.
Esteban Rojo: Fühlen Sie sich bei uns wie zu Hause!
Joe: Das möchte ich nicht, zu Hause habe ich mich nämlich nicht wohl gefühlt …
Das alles würde aber nur halb so wirkungsvoll sein, wenn da nicht die Musik von Ennio Morricone wäre. Der Schulfreund Leones hatte drei Jahre zuvor angefangen, die Musik für Filme zu schreiben und lieferte hier gleich eines seiner zeitlosen Meisterwerke ab. Morricone untermauert Leones Stil kongenial und transferiert die optische Finesse des Films problemlos in dessen Klang. Neben dem Hauptthema gibt es allerlei raue und aggressive Zwischenparts, die der jeweiligen Situation angemessen sind. Da der ganze Film nachvertont wurde, hatte Morricone darüber hinaus die Möglichkeit, alle Geräusche in beliebiger Lautstärke einzufügen. Daraus resultiert dann die Tatsache, dass manch ein Stiefelscharren oder selbst der Wüstenwind manchmal lauter ist, als eine kameranahe Handlung. Dieses Mittel schafft eine einzigartige Klangkulisse, die den Film stellenweise der Wirklichkeit zu entheben scheint, aber immer für Spannung in Intensität sorgt.
Wie bereits erwähnt stand dem Film aufgrund der finanziellen Misere, in der sich das italienische Kino seinerzeit befand, nur ein geringes Budget zur Verfügung, was aber de facto kaum auffällt. Die Drehorte in Spaniens Hinterland und in Cinecittà selbst sind liebevoll gestaltet und dienen ohnehin nur als Rahmen. Die Ausstattung ist zwar nicht üppig, aber zu jeder Zeit stimmig. Und das es keine großen Stars gab, bot schließlich die Möglichkeit, selbst welche zu schaffen. Vor allem für Clint Eastwood bedeutete diese Rolle den Beginn seiner riesigen Karriere, aber auch Leone und Morricone öffneten sich mit diesem Streifen eine Tür in die Filmwelt. In den USA spielte der Film runde 15 Mio. US-Dollar ein, in Europa brach daraufhin eine wahre Flut an Italowestern los. Innerhalb weniger Jahre entstanden Hunderte von ähnlich gelagerten Filmen, die sich stark überwiegend an den frühen Werken von Leone orientierten. Dieser blieb dem Genre treu schuf mit FÜR EIN PAAR DOLLAR MEHR (1965) und ZWEI GLORREICHE HALUNKEN (1966) zwei weitere Meisterwerke, die sich zur sogenannten Dollar-Trilogie vereinen; auch wenn sich das eher auf Form und Mimen, als auf den Inhalt bezieht.
Typ: Sie lieben den Frieden … oder nicht?
Joe: Wie soll ich etwas lieben, was ich nicht kenne und an was ich nicht glaube?
Als kleines Kuriosum kann wohl der Prolog bezeichnet werden, den Monte Hellman für die Ausstrahlungen im US-amerikanischen Fernsehen schuf. Hier sieht Joe sich einem von Harry Dean Stanton gespielten Sheriff gegenüber, der ihn anhält, die beiden Banden im Namen des Gesetzes zu erledigen. So wird der wie erwähnt zwielichtigen Rolle ein dem amerikanischen Westernstereotyp entsprechendes positives Image angedichtet, das im Original nicht besteht. Da Eastwood für diesen 1975 entstandenen Prolog aber natürlich nicht zur Verfügung stand, wurde er gedoubled und folglich nur von hinten oder oben gezeigt. Eine Ausnahme stellen zwei Nahaufnahmen von Eastwoods Gesichts dar, die nachträglich eingefügt wurden und dementsprechend nicht in die Bildstimmung passen. Ähnlich kurios ist es, dass für die deutsche Wideraufführung 1980 eine Rainer-Brandt-Synchronisation erstellt wurde, die zwar nicht so trashig ist wie Brandts sonstige Arbeiten, aber trotzdem einiges an zusätzlichen Gags parat hält.
Das sind allerdings nur Randnotizen, denn im Zentrum dieser Geschichte steht ein epochemachender Westernfilm, der eine der wohl größten Wellen an Nachahmer lostrat, die die Filmwelt je gesehen hat. Leone zweite Regiearbeit ist ein zeitloses Meisterwerk, das den Weg für zwei ebenso brillante Nachfolger ebnete. Form und Inhalt sind sowohl erfrischend neu, als auch wundervoll umgesetzt und verschmelzen zusammen mit der Musik zu einem großartigen Filmerlebnis.
Der Ursprung des Italowestern! Ein Film, der Seinesgleichen sucht und ebenjene nur in seinen eigenen Nachfolgern findet. Sergio Leone verbindet Stil und Sujet zu einer wunderbaren Einheit, die Ennio Morricone mit einem brillanten Score untermalt. Eastwoods Darstellung des einsamen Reiters ist nahezu perfekt und macht den Film zu einem wahren Genuss!
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