Ilsa – Die Hündinnen vom Liebeslager 7
Ilsa, She Wolf of the SS | USA | 1975
IMDb, OFDb, Schnittberichte
Ilsa (Dyanne Thorne) ist Vorsteherin eines Konzentrationslagers in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs. Sie ist besessen von der Idee, dass Frauen mehr Schmerz aushalten können als Männer. Um diese Theorie zu beweisen, führt sie allerlei grausame Experimente durch, die zur Klärung des Sachverhaltes beitragen sollen. Als sie eines Tages an den Gefangenen Wolfe (Gregory Knoph) gerät, verfällt sie ihm und wird zu seiner Lustsklavin; und dieser nutzt die Situation gnadenlos aus.
1969 konnte der Produzent David F. Friedman mit dem Frauengefängnis-Streifen LOVE CAMP 7 einen beachtlichen Erflog verbuchen. Das Ding spielte in einem Konzentrationslager in dem diversen gefangenen Frauen übel mitgespielt wurde. Der Film konnte sich aufgrund seiner abstrusen Thematik unter den zeitgenössischen Exploitation-Krachern einen gewissen Ruf erarbeiten und so waren die kanadischen Geldgeber folgerichtig daran interessiert, dass Friedman – der im Übrigen auch schon 1963 als Produzent bei Herschell Gordon Lewis Gorefilm-Begründung BLOOD FEAST mitgewirkt hatte – einen weiteren, ähnlich gelagerten Film produzierte. Es sollte jedoch weitere sechs Jahre dauern, bis dieser – wiederum mit kanadischen Geldern – einen weiteren Streifen mit Nazis, Sex und Gewalt auf den Weg brachte. Die Vorgaben der Finanziers waren dabei recht simpel: Mehr Nazis, mehr Sex, mehr Gewalt!
Mit einem solchen Vorhaben ist es allerdings nicht ganz so einfach, einen Stab auf die Beine zu stellen. Für den Regiestuhl konnte Friedman dann schließlich Don Edmonds verpflichten, der sich bis dahin lediglich als Softcore-Regisseur hervorgetan hatte. Immerhin sollte er dann aber Jahre später den Job als Co-Produzent von Tony Scotts TRUE ROMANCE in sein Portfolio einfügen. Über ähnliche Bekanntheitsgrade verfügten damals die beiden Drehbuchautoren Jonah Royston und John C.W. Saxton, von denen zumindest Zweiterer durch seine Mitarbeit am Script von DIE KLASSE VON 1984 später noch zu Ruhm gelangen sollte.
Viel zentraler für den Film und seinen heutigen Status war dann aber die Besetzung von Dyanne Thorne, deren Mitwirken bei Filmen wie THE EROTIC ADVENTURES OF PINOCCHIO (1971) ihren damaligen Status als Schauspielerin zu genüge beschreiben dürfte. Die Verkörperung der Ilsa sollte für sie allerdings zur Rolle ihres Lebens werden. Obwohl weder sehr einfallsreich, noch gut geschauspielert, wurde die blonde Majorin zur Ikone des ganzen Genres und im Folgenden in allerlei Produktionen schamlos kopiert. In einem Interview mit dem Online-Magazin Wicked Vision sagte Thorne über die Rolle:
Ilsa war für mich nie mehr als die Verkörperung eines verachtenswerten Charakters. In der Zeit als wir den ersten Film drehten, hatten Frauen eigentlich kaum die Möglichkeit in einem Film in einer so kraftvollen Rolle aufzutreten, und so habe ich diese Herausforderung schon genossen. (Dyanne Thorne / Quelle)
Damit nennt sie dann auch einen skurrilen filmhistorischen Gesichtspunkt der Rolle: Tatsächlich war es zu jener Zeit unüblich, dass Frauen eine Hauptrolle inne hatten oder diese gar gewalttätig interpretieren konnten. So schufen die Macher unbewusst eine der ersten weiblichen Hauptrollen der Filmgeschichte.
Noch skurriler wird das, wenn man beachtet, dass sich die Stärke der Frau auch im Drehbuch (in Form von Ilsas Überzeugung) wiederfindet. Freilich wird dieser Ansatz nicht weiter verfolgt, sondern dient nur der gnadenlosen Ausschlachtung. Das trifft im Übrigen auf das gesamte Script zu, welches nicht nur zahlreiche Kontinuitäts- und Sinnfehler aufweist, sondern schlichtweg nicht verheimlichen kann, dass es nur als Rahmen der zahlreichen Grausamkeiten entwickelt wurde. Im Kern folgt es dem Ablauf eines jeden (Frauen-)Gefängnisfilms: Auf Gefangennahme folgen (sexuelle) Erniedrigungen und schließlich die Flucht sowie die Richtung der Bösen. Trotz dieses inspirationslosen Ablaufs, sollte auch hier die Blaupause für die folgende Welle an Naziploitationfilmen geschaffen werden.
Kern der Angelegenheit ist dann natürlich das Zelebrieren von Grausamkeiten. Die Gewalteffekte sind dabei ebenso skurril wie zahlreich und obendrein dank des relativ versierten Effektspezialisten Joe Blasco auch auffällig gut umgesetzt. Zwar gibt es immer noch viele leicht zu durchschauende Darbietungen, aber auch immer wieder (sehr) gut gemachte, die vergleichbare Produktionen weit übertreffen. Die sexuellen (Miss-)Handlungen fallen dabei ebenfalls relativ realistisch aus, auch wenn allzu explizite Aufnahmen fehlen. Hier gehen spätere (und vor allem italienischere) Produktionen doch noch ein paar Schritte weiter.
Ilsa: Ich sehe hier keine Männer vor mir! Du, halber Deutscher, man kann sehen, dass dein Blut nicht rein ist! So sieht kein wahrer Arier aus!
Wolfe: Auf die Größe kommt es nicht an, Kommandant!
Zentrales Element ist dann nicht nur die Vermischung von sexuellen mit gewalttätigen Inhalten, sondern die Verflechtung von beidem mit dem Thema Nationalsozialismus. Die Reduzierung dieses Themas auf die Ausübung von Folter und Sex ist dabei zentraler Bestandteil des Films. Der Sadismus und die Perversion sind die charakterlichen Hauptmerkmale der Nazis, die somit eine vollkommene Stereotypisierung erfahren; den Höhepunkt findete diese übrigens in der grotesk überzeichneten Figur des Generals, der seine größte Befriedigung daraus zieht, dass Ilsa auf ihn uriniert. Das Geschehen findet in Folge dessen losgelöst von historischen oder personellen Tatsachen statt (auch wenn sich durchaus Entsprechungen finden ließen). Der Umgang mit diesem Umstand ist dann auch hauptentscheidend für die Rezeption des Films.
Der Rest spielt nämlich auf ganz durchschnittlichem Knastfilm-Niveau. Die Kulissen können dabei noch am ehesten überzeugen, stammen sie doch aus der Produktion der Fernsehserie EIN KÄFIG VOLLER HELDEN. Kostüme und Knarren passen dann schon deutlich weniger zusammen, da prangt auch gerne mal ein amerikanisches Maschinengewehr am Turm des Lagers. Die deutsche Synchronisation kann für ein paar Lacher sorgen, wer wirklich was erleben will, der sollte allerdings die Originalsynchronisation nutzen. Obwohl keiner der Darsteller des Deutschen mächtig war, gibt es massig deutsche Worte, die dann dementsprechend lustig klingen. Und der gnadenlos karikierte General gewinnt so auch noch ein Quäntchen an Humor hinzu.
Diese skurrile Mischung stellt dann die Blaupause für die in den folgenden Jahren vor allem in Italien zahlreich produzierten Nachahmer dar, denn ILSA festigte für diese Art von Film den Begriff Naziploitation. Ein Genre, welches lange Zeit (vor allem in Deutschland) ein Schattendasein führt, doch in den letzten Jahren mit Filmen wie DEAD SNOW, IRON SKY oder gar der Grindhouse-Faketrailer-Hommage von Rob Zombie ein kleines – wenn auch sehr viel massentauglicheres – Revival feiert. Wenn man bedenkt, dass der absolute Großteil der Naziploitationfilme – ILSA inklusive – nie in Deutschland veröffentlicht wurde, kann man fast davon sprechen, dass diese neue Filmwelle das Genre erstmals in die Bundesrepublik bringt.
Das damals fast keiner der Beteiligten seinen echten Namen für den Abspann zur Verfügung stellte, zeigt schon, das jedem klar war, was da produziert wird: Einer der Nazi-, Sex-, Exploitationfilme schlechthin. Mit Sicherheit nicht jedermanns Sache und für viele sicherlich weit über die Grenzen des Erträglichen hinweg gehend. Für alle anderen wurden dann auch noch die Fortsetzungen ILSA – HAREMSWÄCHTERIN DES SCHEICHS und ILSA – DIE TIGERIN auf den Weg gebracht. Doch der Platz an der Sonne bleibt dem Erstling vorbehalten, ob man das nun gut findet oder nicht.
Es gibt wohl nur wenige Filme, die kontroverser diskutiert werden als dieser. Er begründete das Genre der Naziploitation und genießt auch deshalb einen unverhohlen schlechten Ruf. Doch ist es nicht genau das, was Exploitation – egal welcher Couleur – ausmacht?
Das ist kein Schnitzelbank!
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