BLUTGERICHT IN TEXAS

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Blutgericht in Texas
The Texas Chain Saw Massacre | USA | 1974 | IMDb, OFDb, Schnittberichte

Sally (Marilyn Burns) ist mit ihrem Freund Jerry (Allen Danziger), ihrem im Rollstuhl sitzenden Bruder Franklin (Paul A Partain) und dem Pärchen Kirk (William Vail) und Pam (Teri McMinn) unterwegs in Texas. Sie nehmen einen Anhalter mit, der jedoch in ihrem Bus mit einem Messer rumhantiert und Franklin verletzt. Nachdem sie den verstörten Zeitgenossen wieder losgeworden sind, besuchen sie das alte Haus von Sally und ihrem Bruder. Als sich die Gruppe aufteilt um verschiedenen Interessen nachzugehen, verschwinden einzelne von Ihnen, so dass am Ende nur noch die Geschwister übrig sind, um der Sache auf den Grund zu gehen.

Meinung:
Anfang der 70’er Jahre schwappt eine Welle neuer Horror-Filme durch Amerika. 1968 hatte DIE NACHT DER LEBENDEN TOTEN von George A. Romero dafür gesorgt, dass der Horror plötzlich nicht mehr in fernen Schlössern oder anderen enthobenen Gefilden stattfand, sondern ganz real im amerikanischen Alltag anzutreffen war. Entlegene Gegenden des eigenen Landes wurden plötzlich zu unwägbaren Plätzen, an denen sich allerlei Grausames abspielen konnte. Der Vietnamkrieg und das abrupte Ende der Hippie-Bewegung hinterließen darüber hinaus ein dunkles Loch, in welches dann Terrorfilme wie DAS LETZTE HAUS LINKS stießen. Horror war plötzlich schmutzig, explizit und böse. Das Grusel-Image der bekannten Horror-Figuren wie Frankenstein oder der Mumie (oder das gar erotisch-elegante Auftreten eines Graf Dracula) wurde nun durch reale Figuren wie Mörder oder Vergewaltiger ersetzt. Eine große Inspiration für viele Filmemacher stellte dabei der geistig gestörte Mörder Ed Gein dar. Dieser tötete in den 50’er Jahren mehrere Frauen und schleppt diese in seine abgelegene Hütte, wo er die Leichen zerschnitt und anderweitig präparierte. Auch durch die schwierige Beziehung zu seiner Mutter stellt Ed Gein so den Prototyp für viele Bösewicht in der Welle der Terrorfilme dar.
Auch Tobe Hooper gibt das Vietnam-Träume und die Geschichte des Ed Gein immer wieder als maßgebliche Eckpfeiler seines Filmes an. Hooper war 1974 eine junger Regisseur, der gerade von der Filmschule kommend irgendwie runde 80.000 US$-Dollar zusammenkratzen konnte, um seine Vision von einem wirklich bösen Horrorfilm umzusetzen. Dieser Film sollte dann seine weitere Karriere maßgeblich beeinflussen, schafft es Hooper doch in der Folge nie, wirklich in Hollywood Fuß zu fassen. Zwar konnte er mit Filmen wie LIFEFORCE – DIE TÖDLICHE BEDROHUNG und BODY BAGS durchaus Erfolge verbuchen, und mit POLTERGEIST (an dem ihm jedoch in der Folge einiges an Teilhabe abgesprochen wurde) sogar einen großen Hit landen, aber der wirkliche Durchbruch gelang ihm nie. Dafür kann er sich heute auf die Fahne schreiben, einen der maßgeblichsten Horrorfilme schlechthin gedreht zu haben.

Die Geschichte ist dabei unglaublich greifbar und echt. Das Umherfahren in einem Van dürfte für viele Amerikaner der 70’er Jahre das normalste der Welt gewesen sein. Wohl annähernd jeder jugendliche Kinogänger wird sich auf Anhieb mit den Protagonisten identifiziert haben können. Da fällt der fehlende Hintergrund der Geschichte kaum ins Gewicht, der Film reißt einen ohnehin direkt in seine finstere Atmosphäre. Nach wenigen Minuten betritt der skurrile Anhalter die Szenerie und versetzt dem Publikum den ersten Schock. Die danach vorerst einkehrende Ruhe (auf dem deutschen Video übrigens vollgestopft mit Synthesizer-Gedudel, der Film war dem Verleiher hier anscheinend zu langsam) ist dann wohl gewählt, stellt sie doch die letzte Ruhepause vor dem dann folgenden Terror dar. Die vormals ruhige Soundkulisse verwandelt sich in ein beständiges Dröhnen, Sägen und Kratzen. Der Zuschauer kommt nicht zur Ruhe, sondern ist beständig dem nervenraubenden Krach ausgesetzt. Was den einen womöglich in den Wahnsinn treibt, ist für den anderen das große Kapital des Films. Der Terror entsteht durch auditive und visuelle Reize, nicht aber durch explizite Gewalt. Die schmutzigen Räume, die Knochengebilde, die entstellten Hinterwäldler, all das bringt Unwohlsein und Angst. Zu wirklichen Gewalttaten kommt es zwar, diese laufen allerdings im Off ab, so dass Hoopers Team das Filmblut getrost im Koffer lassen konnte. Eben das erzielt aber auch eine deutlich krassere – da imaginierte – Wirkung, als wenn man einfach alles gezeigt hätte.
Nebenbei liefert der Film die Blaupause für alles, was im den folgenden Jahren und Jahrzehnten an Backwood-Streifen folgen sollte. Eine Truppe Jugendlicher, ein paar inzestuöse Hinterwäldler, ein abgelegenes Haus, der ganze gängige Genre-Rahmen findet hier schon statt. Aber auch Details wie ein Autofriedhof, der auf die Beständigkeit des Bösen hinweist oder allerlei skurrile Gebilde und Werkzeuge finden sich bereits in Hoopers Werk. Es gibt in der Folge nur ganz wenige Filme, die dem noch neues hinzufügen konnten. Vor allem aber die Entwicklung einer zentralen, ikonischen Figur muss man Hooper hoch anrechnen. Leatherface (im Deutschen humorvoll Lederfratze genannte) ist trotzdem seiner untergeordneten Position in der Familie die herausstechende Figur des Films. Seine Auftritte sind die Eckpfeiler der Spannung und haben maßgeblich zum Renommee des Films beigetragen. Die unglaublich gute Schlusssequenz macht Letherface dann nach nur einem Film zur unsterblichen Ikone des Horrorfilms.

Wenn ein Horrorfilm nun derart gelungen, böse, schmutzig und fies ist, dann kann man sicher sein, dass er in deutschen Landen einen schweren Stand haben wird. Und genauso kam es dann auch. Nach einer der ungeschnittenen Kinovorführung, wurden die ersten VHS-Versionen dann natürlich umgehend indiziert und beschlagnahmt. Über Jahrzehnte war der Film in Deutschland kaum zu sehen und wenn doch, dann nur in einer Version mit Handlungskürzungen, da die Verleiher unverständlicherweise schon damals der Meinung waren, der Film sei zu langsam und ereignislos; und das, obwohl es de facto kaum Gewaltszenen gibt, die ein solches Verbot rechtfertigen würden. Der Ruf und der Titel haben hier sicherlich einen großen Teil zum Verbot beigetragen.
Während deutsche Zensoren das Ding also im Namen des Jugendschutzes bis 2011 wegschlossen, ging das New Yorker Museum of Modern Art hin und nahm den Film in seine ständige Sammlung auf. Und das vollkommen zu recht: THE TEXAS CHAIN SAW MASSACRE ist ein fieser, schmutziger und finsterer Film, aber er ist ebenso stilbildend und künstlerisch wertvoll. Er beeinflusste das Genre maßgeblich und hat deshalb bis heute seine exponiert Stellung im Horrorfilm mehr als verdient.

Schmutzig, böse, unangenehm: Ein Terror-Klassiker allererster Güte.

8 Antworten zu “BLUTGERICHT IN TEXAS

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